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Alexandra Königsmann, Staunende, 2008
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Staunende

Etwas verloren steht das kleine Wesen in seiner dunklen Umgebung. Eine seltsame Erscheinung. Denn es sind fast nur Umrisse auszumachen, welche in weißer, blauer und gelber Farbe ein weibliches Wesen zeichnen, gewissermaßen aus dem Dunkel hervorheben.

In leicht gebückter Haltung steht sie da, dem Betrachter zugeneigt, wie um besser sehen zu können. Ihr Blick scheint regungslos, gebannt von etwas für uns Unsichtbarem. Sind es vielleicht wir selbst, die wir sie in Staunen versetzen? Genauso wie wir uns in diesem Augenblick vielleicht über ihre Erscheinung wundern und uns fragen, wie dieses Lichtspiel möglich ist?

Die kleine Gestalt, es mag aber auch einfach an der leicht von oben gewählten Ansicht liegen, erscheint wie ein Kind. Auch wenn sie es nicht sein muss. Aber so erinnert sie an das Staunen der Kinder. Sie erinnert uns an die Kraft, die im Staunen liegt, im kindlichen Entdecken der Welt. Erstarren und Verwunderung vermögen diese immer wieder neuen Entdeckungen begleiten, diese Begegnungen mit „unglaublichen Erscheinungen“, welche alles bisher Erfahrene übersteigen.

Genauso steht diese junge Dame in der Dunkelheit. Regungslos, gebannt, das Gesehene fixierend, betrachtend, zu begreifen suchend. Ihre Umrisse vibrieren, sind voller Leben, scheinen in der Begegnung mit dem geheimnisvoll Anderen zu leuchten. In der Wirklichkeit wäre eine solche Darstellung nicht möglich. So weder von vorne noch von hinten angestrahlt, außer den Umrisslinien im Dunklen verharrend. Kein Schatten ist möglich, keine Steh- oder Gehfläche sichtbar. Im unteren Teil der Bildfläche angeordnet, schwebt sie dennoch nicht im luftleeren Raum, sondern weckt den Eindruck, mit beiden Beinen fest auf einem Boden zu stehen. Zugleich wirkt sie aber auch wie „auf dem Sprung“ in ihrer Haltung, die Hände aus den Taschen nehmend, wie ein „guter Geist“, der da ist, wenn wir uns alleine schwer tun.

Eine staunende, geheimnisvolle Erscheinung, die ihrerseits Staunen hervorruft! Ein paar farbige Striche haben genügt, sie aus der Dunkelheit herauszuholen. Ebenso vermag vielleicht ein verlängerter Augenblick das zuvor verborgene „Wunderbare“ in der Natur, in einem Menschen, in einem Kunstwerk oder einem Gedanken aufleuchten lassen und in einer Innigkeit erfahren lassen, dass sich das Erfahrene fest und tief in die Seele einprägt – und immer mehr zu einem unsichtbaren Schatz wird, der einen nicht nur in dunklen Zeiten erbauen und stärken kann.

Darum möchte man seine Schönheit nicht mehr loslassen, sie vor dem Verwelken bewahren, das Faszinierende festhalten, es sehen, erfahren und in Ewigkeit kosten und genießen.

Patrik Scherrer, 31.01.2009

Alexandra Königsmann

Staunende
Entstehungsjahr: 2008
Digitale Zeichnung / Büttenpapier
29,7 x 21 cm
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

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