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Eberhard Münch, Ohne Titel, 2011
© Eberhard Münch

Verkündigung / Empfängnis

Wie der Blick in der Nacht durch ein hell erleuchtetes Fenster angezogen wird, so zieht das helle, scharf umrissene Bildelement des Betrachters Aufmerksamkeit auf sich. Die Lichtöffnung gibt Einblick in ein an sich verhülltes Geschehen. Sie offenbart sich zudem als Erleuchtung von oben.

In ihrem Zentrum stehen zwei abstrahierte Menschengestalten, deren Köpfe von einem hellen Schein umgeben sind. Beide Körper sind als Kreisbogen gestaltet, der eine in goldgelber, der andere in violetter Farbe. Ihre Radien scheinen das gleiche Zentrum zu haben. So kommt die rechte Gestalt von der Mitte her und zudem als Lichtgestalt. Mit ihrem ganzen Gewicht scheint sie sich ihrem Gegenüber zuzuneigen, es dadurch fast zu bedrängen. Denn diese macht den Eindruck zurückzuweichen.

Die Erscheinung des Engels ist auch gewaltig. Große Farbschwünge künden von seinem Herabkommen vom Himmel, um dann wieder aufzusteigen und Flügel andeutend in des Engels Gestalt einzumünden. Es ist der Bote des Höchsten, der nicht nur schwungvoll an sein Gegenüber herantritt, sondern sich auch als Diener dieser Frau erweist. Denn trotz seiner imposanten Herkunft hat er sich vor ihr erniedrigt, schaut er zu ihr, Maria, auf.

Denn diese Frau hatte bei Gott Gnade gefunden. Ein gelbes Licht, das sie kreuzt, mag Ausdruck dieser Auserwählung sein und gleichzeitig das Herabkommen des Heiligen Geistes andeuten. Es endet über einer runden lichten Stelle, welche die Begegnung zu einer Berührung und das „Dazwischen“ zu einer „Übergabe“ werden lassen. Im Freiraum zwischen der noch nassen Farbe von Maria und dem Engel hat der Künstler einen Wassertropfen aufgetragen, der sich bis in die Farben der beiden Personen ausgebreitet hat und durch den deren Farben ein Stück weit ausgeblutet sind. Dadurch konnte sich in ihrer Mitte eine zarte sternförmige Erscheinung bilden. Ein wunderschönes Symbol für Jesus als „Licht der Welt“ (Joh 8,12) und „Wasser des Lebens“ (Joh 4,14), ein wunderbares stilistisches Symbol für ein gleichzeitiges Geschehen bei allen Betroffenen und insbesondere für das glaubende Empfangen oder Aufnehmen durch Maria.

Ihr Auftreten ist zurückhaltend, sie steht am Rand, halb von der blauen Farbschicht verdeckt. Aber sie steht, wenn auch irgendwie überwältigt, mit dem Gleichgewicht kämpfend, wie sich anlehnen müssend. Und sie steht im Licht. Im Licht dessen, der auf die Niedrigen schaut und die Hungernden mit seinen Gaben beschenkt. Ein heiliges Geschehen – das sich auch darin kundtut, dass der doppelte Kreisbogen von Engel und Maria auf der rechten Seite eine stille Entsprechung in dem blauen Kreisbogen und dem innenliegenden Schatten haben und sie zusammen eine Mandorla andeuten. In der Verkündigung an Maria und ihrer gläubigen Zusage beginnt Gottes Herrlichkeit aufzustrahlen, die im auferstandenen Jesus und Weltenherrscher ihre volle Kraft offenbaren wird. Damit kommt mit grafischen Mitteln nichts anderes zum Ausdruck als der Engel bereits bei der Verkündigung gesagt hat: „Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben.“ (Lk 1,32f)

Diese Verheißung dürfen wir als Betrachter schauen. Und wenn wir uns wie Maria der Berührung Gottes öffnen und seine Gegenwart annehmen, dürfen wir glauben und hoffen, dass ER auch in uns und durch uns seine Gnade und Herrlichkeit entfalten wird.

Kalender, Kunstkarten und -drucke von Eberhard Münch sind in verschiedenen Formaten im Buchhandel oder direkt über www.adeo-verlag.de erhältlich.

Patrik Scherrer, 08.12.2012

Eberhard Münch

Ohne Titel
Entstehungsjahr: 2011
14,3 x 19,2 cm, Aquarell
© Eberhard Münch

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