Zulassen von Vielfalt

“Die Katholische Kirche hat immer mit Bildern und Symbolen gearbeitet – und das ist auch eine Stärke. Wenn ein gläubiger Mensch sich mit einem Kunstwerk auseinandersetzt, wird er etwas anderes entdecken als ein nicht gläubiger Mensch. So viele Menschen wie es gibt, so viele unterschiedliche Berührungspunkte gibt es zwischen Menschen und Kunstwerken. Vielleicht ist die Antwort das Zulassen von Vielfalt, vielleicht müssen wir mehr wagen, mehr ausprobieren?”

Carmen Matery-Meding, Diözesanbaumeisterin Paderborn

malen, was er in sich sieht

“Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht.”

Caspar David Friedrich

erzähltes Bild, gehörtes Bild, lebendes Bild

“Jesus spricht in Bildern, er nimmt seine Hörer in die Bilder hinein und lässt sie so Worte, Antworten finden. Wieder wird der Blick auf die Verkündigung” gerichtet. Welchen Platz nehmen wir in diesem Bild ein? Sind wir heute nicht auch Verkündende, gerufen, wie der Engel gesandt, Kunde von Gott zu bringen? Ist dies zu anspruchsvoll, zu fromm oder weltfremd? Ist es gewagt zu fragen, ob wir nicht doch einen anderen Part in diesem Bild haben könnten, eine Maria zu sein, Christus in uns wachsen zu lassen, ihn heute in die Welt zu bringen, Mutter Jesu 1991 zu sein? Lassen wir es zu, in dieses Bild einzusteigen, auszusteigen aus der passiven Rolle des konsumierenden Adressaten in die lebendige Darstellung der Verkündigung, erzähltes Bild, gehörtes Bild, lebendes Bild?”

Eindringlichkeit des Leisen und Barmherzigkeit des Einfachen

„Wenn sich Kunst überhaupt noch Dimensionen unserer Welt zur Verfügung stellen möchte, die nicht schon mehr als genug durch andere Akteure abgedeckt sind, dann bleiben tatsächlich nur noch die eben genannten Biotopen Stille, Ordnung und Sinn. Die Eindringlichkeit des Leisen und die Barmherzigkeit des Einfachen wären Beiträge von zutiefst therapeutischer Tragweite. Hier würden wir mit Qualitäten aufwarten, die zudem keinerlei Verschleiß unterliegen. Solange es Menschen gibt, werden diese beiden unscheinbaren Medikamente nie zu entbehren sein.“

Johannes Schreiter im Vortrag in Schloss Holte-Stukenbrock, TGK GmbH, 6. Mai 2000

das Unsichtbare für sich selbst zu entdecken

„Kunst ist oft ein Ausdruck des Unbewussten und vielleicht spielt im kreativen Prozess der Entstehung von Kunst das Bewusstsein oft nur eine untergeordnete Rolle. Außergewöhnlich wird Kunst dann wirken, wenn sie Dimensionen des Unsichtbaren sichtbar macht, es aber dem Betrachter und der Betrachterin überlässt, das Unsichtbare für sich selbst zu entdecken.“

Gerhard Spangler

Befähigung zur Wahrnehmung von etwas ganz anderem

“Kirche – auch in ihrer baulichen Gestalt – ist immer Raum der Verkündigung des Wortes Gottes. Nicht nur in der Predigt, sondern auch in der Kunst, die uns in besonderer Weise an die Erfahrung heranführt, dass wir die wesentlichen Dinge im Leben nicht machen, sondern empfangen.

Das Ziel der Kunst ist nicht Belehrung, sondern Begegnung. Dass diese Begegnung glückt, hängt ebenso sehr vom Können des Künstlers ab wie vom Kontext, in dem sich sein Werk darstellt, und vom Betrachtenden, der es wahrnimmt. Das bedeutet: Es ist letztlich etwas Unverfügbares, um das es geht – in der Kunst genauso wie in aller Religion und so auch im christlichen Glauben.

Kunst will uns befähigen zur Wahrnehmung von etwas anderem als uns selbst und dem, was wir schon wissen. Oder, umgekehrt, uns zu einer anderen Wahrnehmung unser selbst und dessen, was wir immer schon gewusst zu haben glauben, befähigen. Sie will in uns etwas hervorrufen, Empfindungen vielleicht, Assoziationen, Gedanken, Fragen und die Ahnung: Es muss nicht alles bleiben, wie es ist – es könnte auch ganz anders sein. Sie will uns in Unruhe versetzen und ruhig werden lassen, uns auf etwas konzentrieren und uns schweifen lassen, nicht nur zu uns selbst hinführen, sondern auch von uns selbst wegführen. Sie will uns öffnen für die Begegnung mit dem Anderen, der im Raum der Kirche zu uns redet,”

Käthi La Roche in: “Kunstwerk” Grossmünster – Ein theologischer Führer, TVZ Zürich 2009, S. 50f

intensivieren und weiten

“Kunst irritiert, Kunst intensiviert Vorhandenes. Kunst generiert neue Ansichten von Vertrautem. Kunst weitet den Raum. Auch den inneren Raum der Betrachter*innen. In Kirchenräumen treffen theologische Verkündigung und künstlerische Bildsprache aufeinander.”

Birgit Weindl

Aufgabe der Kunst

“Kunst hat die Aufgabe wachzuhalten, was für uns Menschen so von Bedeutung und notwendig ist.”

Michelangelo

zeitgenössische Kunst eröffnet neue Horizonte

“Es gilt auszuhalten, dass nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, was für eine Bedeutung das jeweilige Kunstwerk hat. Es gilt anzuerkennen, dass Kunst eine Bedeutung in sich hat, aus sich heraus wirkt, nicht der Seh- und Erfahrungsgewohnheit des Alltags folgt und erst recht nicht verzweckt werden darf. Das Wahrnehmen von Kunst bedarf Zeit, damit Kunst räsonieren kann, zur individuellen oder gemeinschaftlichen Auseinandersetzung und schließlich zum Dialog führt. In jedem Menschen bewirkt das Wahrgenommene andere Resonanzen. Kirche ist im historischen Sinne „Kulturguterhalterin“. Aber so [der Innsbrucker Bischof Hermann] Glettler, Kirche muss auch „anschlussfähig bleiben für heutige Kunstschaffende. In diesem Offenen geht es viel um das Sich-provozieren-Lassen, Sich-herausfordern-, -herausrufen-Lassen, auch Fragen nach neuer Solidarität, der Weggemeinschaft.“ Einfache Antworten gibt es meist nicht. Und der Weg ist selten bequem.”

“Das Aussetzen im Angesicht zeitgenössischer Kunst lohnt sich. Was anfangs sperrig wirkt, führt durch die Auseinandersetzung zu neuen Einsichten, lässt über den Binnenraum Kirche hinausblicken und eröffnet somit neue Horizonte, nicht zuletzt des Glaubens.”

Katharina Seifert, in „aus unserem schaffen“, heft 18/2019, S. 334

Ausdruck des Unaussprechlichen

„Kunst vermag dem Unaussprechlichen einen Ausdruck zu verleihen, bei dem das zutiefst Verborgene des Lebens als auch das es himmelhoch Übersteigende berührt und thematisiert werden können.“

Patrik Scherrer

Kunst und Kirche sind Partner

“Nicht immer ist es ein einfacher Dialog. Denn die Kulturschaffenden bestehen auf ihre errungene Freiheit und Unabhängigkeit, die Kirche auf ein Werk, das den Glauben anschaulicher macht, den Betrachter berührt. Einig sind sich beide nur darin, dass ein Kunstwerk Fragen auslösen soll: nach dem, woher der Mensch kommt, wie er in seiner Gesellschaft verantwortlich lebt und wie er mit Gott und dem Kosmos in Verbindung steht. Große Fragen, die ebenso wie ihre Antworten immer wieder in neuem Gewand erscheinen.”

Alois Bierl, Chefreporter Sankt Michaelsbund

Unberechenbare Berührung

“Es lässt sich nicht vorhersagen, wann und warum eine Berührung mit dem Kunstwerk stattfindet, auf welche Details jemand besonders reagiert und was die Neugierde auslöst. Die Formen der Aneignung sind ebenso vielfältig wie die Lebenserfahrung der Menschen und in ihrer Intensität und Nachhaltigkeit von außen nicht zu bewerten. Gerade darin besteht eine Parallele von Kunst und Religion.”

Stefan Kraus, Das Thema christliche Kunst ist abgehakt, S. 39

Prinzip der Kunst

(Es ist das) „Prinzip der Kunst: mehr wiederfinden, als verloren gegangen ist.“

Elias Canetti

was Kunst und Kirche verbindet

“Es verbindet Kunst und Kirche, dass sie es mit dem Unaussprechlichen, dem ganz anderen zu tun haben – etwas sagen und zeigen zu müssen, was eigentlich nicht zu sagen ist.“

Susanne Breit-Kessler

aus der Tiefe

“Alles, was uns umgibt, prägt uns, und in dem es uns prägt, prägt es das Werk. Darum glaube ich, wenn wir nur ganz und gar ehrlich mit uns sind, wird das, was wir sagen oder schreiben, jeden anrühren. Es wird andere anrühren, wenn es tief aus unserem Innern kommt, denn dort beginnt der Kontakt zwischen den Menschen.”

Magdalena Abakanowicz

Große Kunst ist welthaltig

“Große Kunst ist welthaltig, auch und gerade, wenn sie nicht unmittelbar abbildend sein will. Das Unbewusste ist nicht so getrennt vom Bewusstsein und von realen Erfahrungen, wie viele annehmen. Die Welt gräbt sich ins Unbewusste ein. Realität ist durchaus in unbewusst entstandener Kunst enthalten, kann sogar eine konzentrierte, gesteigerte Dimension annehmen – so wie im Traum.”

Hanna Gagel, So viel Energie. Künstlerinnen in der dritten Lebensphase, Berlin 2005, S.198.

gut im Zeigen

“Ohne die Schönheit wäre die Kunst gar nichts. Denn Kunst ist eigentlich nicht die interessanteste Art und Weise, etwas über die Welt zu erfahren. Literatur und Journalismus können viel besser informieren. Aber die Kunst ist gut im Zeigen.”

Jeff Wall, 2010

spirituellen Impetus

“Eine Erfahrung aus vielen Ausstellungen in Kirchen und in religiösen Kontexten ist, dass zeitgenössische Kunst sich dort noch einmal anders zeigt als im Museum oder der Galerie. Einerseits verstehen wir, dass sich Moderne und Zeitgenossenschaft nicht aus einem luftleeren, säkularen Raum entwickelt und in einer vieltausend–jährigen Geschichte fußt. In unserer Ausstellung beachten wir jedoch sorgsam den autonomen Charakter jedes einzelnen Kunstwerkes und sehen anderseits, welches Gefühl es in uns auslöst. Wir sind sehr überzeugt, dass jedes gute Kunstwerk einen spirituellen Impetus in sich trägt, der sich dem Publikum mitteilt. Diesen nennen wir den Funken Gottes! Und so wird aus einer Schule des Sehens eine Schule des Fühlens.”

Alexander Ochs

Kunst ist Seelsorge

Kunst und Seelsorge laden ein, sich mit offenem Blick und offenem Ohr auf das Gegenüber, sei es Kunstwerk oder Mitmensch, einzulassen. Beide leben von der Bereitschaft, sich berühren zu lassen und auf innere Resonanzen zu hören. Sie wenden sich dem Hoffnungsvollen und Kostbaren in der Welt und in der menschlichen Seele ebenso zu wie dem Dunklen und Verletzten und halten sich offen für das Unerwartete in der Begegnung. So fordert die Begegnung mit dem Kunstwerk ebenso wie die seelsorgliche Begegnung dazu auf, Neues zu entdecken und dem Schöpfungsgeist Raum zu geben.

Erfahrung des ganz Anderen

“Liturgie muss Raum geben für die Erfahrung des ganz Anderen, darf nicht bruchlos in der Alltagserfahrung aufgehen, muss Ort sein für Mysterium und Erlebnis.”

Thomas Sternberg, in: voll Gott, Kath. Kirchgemeinde Maria Geburt, Aschaffenburg (Hrsg.), Regensburg 2019, S. 37