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Britta Eisen, Verkündungdigung und Lobgesang, 2014
© Britta Eisen

Anspruch und Zuspruch

Worte. Nur wenige, aber starke Worte finden sich auf diesem Triptychon. Es sind Wortbilder, Worte, die ins Bild gesetzt wurden, grafisch inszeniert ihre Wirkung entfalten. Es ist ein Dialog, der sich kurz und bündig auf Wesentliches beschränkt. Durch den Verzicht auf eine bildliche Darstellung wird der Betrachter unmittelbar zu einem Beteiligten dieses Dialogs. Das Sehen und Lesen verwickelt ihn in das Geschehen, macht ihn zum Adressaten der Botschaft.

DU!
Was für eine Ansprache: Du bist auserwählt und angesprochen, niemand anders. Das Du, das der Engel an Maria adressiert hatte, ist hier anonymisiert. Beinahe flüchtig steht es groß und einfach in die Bildmitte geschrieben. Es ist nicht zu erkennen, wer es spricht, noch wer der Empfänger ist. Das Du, das in diesen ansonsten leeren Bildraum hineingestellt wurde, kommt damit von einem Unbekannten, der sich nicht weiter zu erkennen gibt. Und es richtet sich an jeden, der das Triptychon betrachtet.

ICH?
Wieso ich? Vor dem mächtigen Du steht das Ich ganz klein auf dem nächsten Bild. Fragen tauchen auf. Muss das sein? Ausgerechnet ich? – Ich möchte mich drücken. Mache mich ganz klein. Vielleicht sieht er mich dann nicht oder vertraut mir nicht mehr – und wählt jemand anderen. Aber das große und mächtige Du bleibt bestehen, es bleibt unausweichlich an mich gerichtet, an den, der es sieht und liest. (Ob mich abwenden und weggehen etwas verändern würde?)

Ja!
Ja! steht auf der gegenüberliegenden Bildseite. In der gleichen blauen Farbe wie das ICH. Im Vergleich zum kleinen ICH groß und stark auf einer neuen Zeile stehend. – Wie wurde aus dem großen Fragezeichen diese klare Bejahung? Was bewirkte die Trendwende vom Sich-Wegducken- und Verschwinden-Wollen zur standhaften Zusage?

Zwischen dem ICH und dem Ja ist handschriftlich, im Vergleich zu den anderen vier Stichworten aber klein und schwach, jedoch wortreich geschrieben: Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten;. Die graue Farbe lässt eine Verbindung zu dem zu, der auch das DU in meine Welt hineingebracht hat. Stärkung wird zugesprochen. Ganz leise, unscheinbar. Aufmerksamkeit wird verlangt, gutes Hinsehen, um die entscheidende Zusage nicht zu übersehen. Dabei wird „der Heilige Geist“ und „die Kraft des Höchsten“ farblich hervorgehoben, verstärkt, betont. Derjenige, der sich an mich wendet, mir etwas zutraut, wird mich mit nicht weniger als der „Kraft des Höchsten“, dem „Heiligen Geist“ stärken, damit ich Ja sagen kann.

Zu was ja gesagt wird, geht aus den wenigen Worten nicht hervor. Dafür muss man wissen, dass das Wort vom Heiligen Geist aus der Verkündigung des Engels an Maria stammt (Lukas 1,57) und dass dem anspruchsvollen „Du“ die Verheißung eines Kindes folgte, das niemand geringerer sein sollte als der „Sohn des Höchsten“! Hieraus erklärt sich das kleine fragende ICH genauso wie danach das große Ja! aus der Zusage der „Kraft des Höchsten“.

Halleluja!
Dieser Jubelruf steht quer über das dritte Bild. Das Wort steht erhöht, in gleicher Farbe wie das ICH? und das Ja!. Er stammt von der mit der Farbe Blau charakterisierten Person. Der hebräische Jubelruf sagt wörtlich übersetzt: „Lobt Jah(we) – Lobt und verherrlicht Gott!“ Jahwe ist der Gott, der sich Israel als sein Volk erwählt hat, der es über alles liebt und unter anderem aus der Gefangenschaft in Ägypten in die Freiheit geführt hat. Neben ihm gibt es keine anderen Götter – er ist der Höchste (Ex 20,2-3)! Nun ummantelt die braune Farbe – symbolisch die Kraft des Höchsten – die blauen Buchstaben. Seine Kraft ließ nicht nur ein starkes Ja! sagen, sondern bewegte darüber hinaus zum Lobpreis dessen, der diese übermenschliche Kraft geschenkt hat – damit das Unfassbare wahr wird: Gott wird Mensch. – In mir … denn mit dem Du! bin ja ich angesprochen! (vergl. dazu auch Angelus Silesius) Gott traut auch mir Großes zu!

Patrik Scherrer, 06.12.2014

Britta Eisen

Verkündungdigung und Lobgesang
Entstehungsjahr: 2014
Verkündigung + Lobgesang,
3 Bilder je 100 x 70 cm
Mischtechnik auf Papier
© Britta Eisen

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