Bitte um Gebet
Ein ungewöhnliches Kunstwerk: Ein handgeschriebener Brief auf gelbem Papier! Eine unbekannte Person wendet sich dankbar an eine Christine, die bereit ist, für sie und ihre Anliegen zu beten. Es folgt eine Aufzählung der Wünsche, die zuerst die Person der Bittenden betreffen, dann ihre Eltern, ihren Bruder, ihren Onkel, letztlich alle Menschen. Den Anfang aufnehmend, endet der Brief mit einem großgeschriebenen und vermutlich auch erleichterten DANKE.
Es ist selten, dass ein solches Dokument in der Öffentlichkeit präsentiert wird. Sie sind vielmehr in den Gebetsanliegen-Büchern im geschützten Raum der Kirchen gut verborgen. Denn die Wünsche und Anliegen verlangen vertraulichen Umgang. Wer sein Herz öffnet, wird verletzlich. Um sich davor zu schützen, hat die Schreiberin wahrscheinlich Datum und Unterschrift weggelassen. Dadurch ist der Brief nicht zeitlos und unpersönlich, sondern überzeitlich und ein mögliches Anliegen von vielen geworden.
Wie kam es zu diesem Brief? Die Künstlerin bat ihre Klassenkameradinnen und Freundinnen, ihre persönlichen Anliegen bezüglich des Studiums, des künstlerisches Arbeitens, der Familie, usw. aufzuschreiben und die Briefe jeweils an eine Schwester des Säkularinstituts Cruzadas de Santa Maria zu richten, die sich bereit erklärt hatte, für die Wünsche der Studentinnen zu beten. Die Schreibenden wussten, dass die Briefe zu einem Kunstprojekt gehören und ausgestellt werden.
Für viele Studentinnen war es etwas besonderes, dass jemand für ihre Anliegen betet. Dass sich jemand Unbekanntes für sie Zeit nimmt und vor Gott für sie betet. Aus dem Brief geht hervor, dass es ihnen gut tat, alle Wünsche, die sie innerlich bewegen, in einem Brief an eine Vertrauensperson äußern zu können. Durch die Bitte der Künstlerin wurde in ihnen der Glaube geweckt, dass ein einem Menschen und durch ihn auch Gott mit-geteiltes Anliegen eher Erfüllung finden wird. Die Worte Jesu, „Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten,“ sind aus diesem Brief herauszuspüren (Mt 18,19). Und wie er wenig später zu seinen Jüngern sagt: „Alles was ihr im Gebet erbittet, werdet ihr erhalten, wenn ihr glaubt.“ (Mt 21,22)
Bei diesem und den anderen Briefen geht es nicht um die Diskussion, ob sie von der Herstellung her Kunstwerke sind, sondern um ihre Aussage. Bewegt vom Angebot der Künstlerin, dass Schwestern für sie und ihre Anliegen beten werden, haben Menschen wie du und ich ihre Wünsche formuliert. Zutiefst berührt, sind durch sie moderne Glaubenszeugnisse entstanden, die ihrerseits berühren und bewegen. Die Briefe können als „Spiegel“ unserer (Betrachter-) Wünsche betrachtet werden. Sie können aber auch als Impulse zum Innehalten, zum Bewusstwerden der eigenen Wünsche und vielleicht auch zum Niederschreiben an einen Menschen, dem man vertraut, gesehen werden. Aus der Sehnsucht heraus, in der Einsamkeit der eigenen Gefühle und Wünsche nicht allein zu sein, sondern gehört und erhört zu werden.
Daniela Leiter
geb. 30.04.1978 Bruneck (Südtirol),
Besuch der Kunstschule Ortisei,
Studium an der Akademie der bildenden Künste München
bei Prof. Friedhelm Klein,
Prof. Asta Gröting,
Prof. Jürgen Drescher,
Prof. Mathias Wähner.
Teilnahme an mehreren Gruppenausstellungen und Projekten im öffentlichen Raum.
Mitglied des Säkularinstituts Cruzadas de Santa Maria.
Kontaktadresse: dleiter@cruzadas.de
© D. Leiter
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