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Claudia Nietsch-Ochs, Jakobsbrunnen, 1985
© Claudia Nietsch-Ochs

Durst nach mehr …

Ein Mann und eine Frau sind an einem Brunnen miteinander ins Gespräch gekommen (Joh 4,1-42). Beide wollten Wasser holen, doch auf einmal ist die Begegnung wichtiger geworden. Das irdene Schöpfgefäß bleibt leer, weil die menschliche Seele nach „mehr“ Durst hat: Offenheit, Verständnis, Liebe, Vergebung, …

Sie kommt seit Jahren jeden Tag zum Brunnen, um Wasser zu schöpfen. So ist es “ihr“ Brunnen geworden. Lässig hat sie ihr rechtes Bein auf den Brunnenrand gestellt, um den schweren Tonkrug abzustützen und andächtiger den Worten des Jünglings zuhören zu können, der von links in das Bild – in ihre „Welt“ – hineingekommen ist.

Er, ein Jude, hat sie Samariterin um Wasser gebeten! Die Künstlerin hat ihn als Bittsteller kleiner dargestellt als die Frau. Mit wirren Haaren, aber einer ruhigen Ausstrahlung, steht er im langen, einfachen Gewand vor ihr und schaut sie mit großen Augen an. Sie spürt, wie sein Blick in die Tiefe geht, wie ihm nichts verborgen bleibt.

Sprechen deshalb aus ihren Augen Angst, Zweifel und Fragen? – Ist er derjenige, den sie schon lange sucht? Derjenige, der in ihr den Durst zu stillen vermag, den kein Mann (vgl. V. 18) und kein Mensch zu stillen vermochte?

Der junge Mann offenbart ihr, dass sie unbewusst immer etwas oder jemand gesucht hat, der dem Wasser und dem Brunnen ähnlich und doch ganz anders ist: Gott! Jesus sagt zur Frau: „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ (Joh 4,13-14)

Worauf die Frau ihn bat: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen.“ – Das „lebendige Wasser“, das Jesus zu geben vermag, hat die Künstlerin so thematisiert, dass es aus seiner Hand als dem Ort des Gebens herausfließt. Gleichzeitig wird damit seine Kreuzigung angesprochen, bei der nach dem Lanzenstich Blut und Wasser aus seiner Seite geflossen sind (Joh 19,34).

Ein weiterer Wasserfluss zieht wie die Stola eines Diakons diagonal über das Gewand von Jesus und zeichnet ihn auch von dieser Seite als den Dienenden, Gebenden aus. Er bringt „Geist und Wahrheit“, er bringt den Glauben an seinen Vater zu den Menschen sowie vielfältige Erfahrungen des Heils und der Versöhnung für alle. Durch sein Geschenk hat die Frau zum wahren Glauben gefunden. Sie braucht kein tönernes Gefäß mehr (vgl. V. 28), weil sie selbst zur Wasserträgerin – Glaubensträgerin – geworden  war. Die Männer, die sie aus dem Dorf gerufen hatte, sagten doch auf ihr Zeugnis von Jesus zu ihr: „Er ist wirklich der Retter der Welt!“ (V. 42)

Patrik Scherrer, 13.08.2005

Claudia Nietsch-Ochs

Jakobsbrunnen
Entstehungsjahr: 1985
Linolschnitt 21 x 30 cm
© Claudia Nietsch-Ochs
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