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Raimer Jochims, Sophia, 2002
© Raimer Jochims

Farbe und Form

Ist es ein Kreuz? Oder eher eine kreuzförmige Bildtafel? Die Farbe scheint dem Künstler genauso wichtig zu sein wie die Form oder das Material, aus dem das Kreuz gemacht und auf dem die Farbe aufgetragen ist. Nicht umsonst lassen die splittrigen Bruchkanten uns das aus Holzspänen zusammengeleimte Trägermaterial spüren, aus dem der Künstler im wahrsten Sinne des Wortes Fragmente, also Teile herausgebrochen und wieder zu einem Ganzen zusammengefügt hat.

Um eine rechteckige, stumpfe, graue Mitte gruppieren sich vier in allen Farben leuchtende Kreuzesarme. Gemeinsam sind ihnen die sich nach außen weitende Form und die Übergänge von dunklen zu hellen Farbtönen. Sie unterscheiden sich voneinander in der Farbgestaltung und im jeweiligen Abschluss. Die obere kelchförmige Fläche mit eingewölbtem Bogen (die dadurch in einem formalen Gleichgewicht zu den Seitenarmen steht) beginnt in der Mitte mit einem intensiven Blau, um dann über ein schweres Dunkelrot in ein helleres Weinrot überzugehen. Die untere, größte Fläche beginnt ebenfalls mit einem intensiven, aber anderen Blau als oben, und vermischt sich dann mit Dunkelgrün, bevor sie heller wird und in der symmetrischen Spitze fast weiß ausläuft. Der linke Seitenarm endet in einem Kreisbogen. Der Mitte zu ist seine Farbe noch dunkelviolett, während sie sich nach Außen hin zu einem hellen Lila wandelt. Der rechte Seitenarm dagegen beginnt mit einem dunklen Rot und geht dann langsam in ein warmes Gelb über. Formal endet er in einer asymmetrischen Schräge.

Diese fünf Elemente formen ein lateinisches Kreuz und gleichzeitig ein durch seine außergewöhnlichen Formen und Farben offenes Symbol, das vielerlei Zugänge und Interpretationen zulässt. Von der Gestalt und den Dimensionen her erinnert es an einen Menschen mit ausgebreiteten Armen, der willkommen heißt und in eine mystische Tiefe führt. Ich höre Jesu Einladung: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.“ (Mt 11,28) Die gerundete, weinrote Form mag an den Ölberg denken lassen, auf dem Jesus betete: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ (Mt 26,39)

In diesem Kreuz wird Begegnung und Austausch nicht nur sichtbar, sondern durch seine majestätische Erhabenheit und seine satte Fülle auch erfahrbar gemacht. Wer sich diesem Zeichen aussetzt, wird in seiner Niedergeschlagenheit oder Hoffnungslosigkeit aufgerichtet. In diesem Symbol des Kreuzes nimmt ihn Gott gleichsam in die Arme, drückt ihn an sein Herz und lässt ihn seine Wärme, Lebensfülle und Liebe spüren.

Patrik Scherrer, 27.05.2006

Raimer Jochims

Sophia
Entstehungsjahr: 2002
Acryl auf Spanplatte
151,5 x 93,5 cm

Sophienkirche, M-Riem
Foto: P. Scherrer

© Raimer Jochims
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