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Joachim Kögel, Glaubensfrage, 2007
© Joachim Kögel

Glaubensfrage

Der erste Blick auf das Bild mag verwirren. Das Auge sucht nach Halt und irrt doch vielmehr in der Vielfalt von Strichen und unbekannten Formen wie in einem Labyrinth umher.

Im Großen und Ganzen erscheint das Bild hell und freundlich. Der weiße, leicht ins Gelbliche changierende Hintergrund deutet einen undefinierten Raum an und lässt den einzelnen Formen und Gestalten viel Platz und Bewegungsfreiheit. Mal stärker, mal schwächer durchziehen die roten und blauen Linien die Bildfläche, keine Tiefe oder Perspektive gebend, die einzelnen Elemente wie Adern verbindend und zu einem Ganzen zusammenfügend, ihm aber auch ein fragiles Erscheinungsbild verleihend.

Unter den beiden kräftig blauen Farbeinbrüchen am oberen Bildrand erscheint – auch durch die sich gegen den „ transzendenten Himmel“ abzeichnende Silhouette – das Liniengewirr wie eine großer Organismus. Sein „Herzstück“ ist ein klar umschriebenes Gebilde, das mit seinen dicken Begrenzungen Festigkeit und Unumstößlichkeit vermittelt. Man kann diese Form als Gebäude sehen und mit Berücksichtigung des angedeuteten Turmes auch als Kirche. Das himmlische Blau scheint wie ein Segen einen Teil des Daches zu bilden. Anstelle aber beide Gebäudeteile zu bedecken, ragt es seitlich weit über das Kirchengebäude hinaus, um einem kleinen Haus und weiter unten auch menschlichen Gestalten Schutz zu geben. Das stimmt nachdenklich … Andererseits kann die Bildmitte auch als aufgeschlagenes Buch gesehen werden. Seine Größe und Position geben ihm eine zentrale Bedeutung, die vielen kleinen weißen Rechtecke, die wie verkleinerte Seiten oder „Flugblätter“ durch das Bild flattern und an manchen Stellen haften, vermitteln den Eindruck, dass sein Inhalt für alle wichtig ist,

Rund um diesen Mittelpunkt herum ist ein vielfältiges Leben zu beobachten. Vor allem im unteren Bildabschnitt sind mehrere menschliche Gestalten und ihre mögliche Beziehung zur Mitte angedeutet. Links außen begegnen wir zwei eher “stacheligen” Gestalten, von denen sich eine abkehrt, die andere dem zentralen Objekt zuwendet. Daneben sitzt ebenerdig eine junge Frau in einen Text versunken vor einem stelenartigen Gebilde, das ebenso einen Menschen mit erhobenen Armen darstellen könnte. Von hinten scheint sie das Böse mit ausgestrecktem Bein treten zu wollen. Das Böse, weil anstelle eines Oberkörpers ein Dreizack den Eindruck der Bosheit verstärkt. Ganz rechts steht einer mit ausgestrecktem Arm da. Er scheint gebunden oder gefesselt zu sein. So könnte er einen Verletzten oder Kranken darstellen, der wieder aufstehen kann und nun dankbar auf seine Kraftquelle hinweist, sie vielleicht sogar zu berühren versucht.

Ob die verschiedenen Gestalten stellvertretend für uns stehen, die wir jeder anders mit einer unumstößlichen Wahrheit in unserer Mitte umgehen? Wird in diesem Bild nicht unsere Lebenssituation dargestellt? Unsere Existenz in einer vielfach verwirrenden Welt, in der wir uns zurechtfinden müssen und nach Ordnung suchen?

Jeder, der bewusst lebt, sucht sich einen Platz, der seinem Wesen und seinen Möglichkeiten entspricht. Er muss sich fragen, wie er sein Umfeld wahrnimmt und wie er wahrgenommen wird, ob er auch verwirrte Dinge lösen und ihnen einordnend einen Sinn abgewinnen kann. Er muss im Wahrgenommenen seine Wahrheit herausspüren oder -hören, das, was ihm wichtig, was ihm Lebensmitte und Kraftquelle ist. Letztlich geht es um das oder den, woran zu glauben sich lohnt auf der Suche nach Orientierung, Ordnung und Halt in dieser verwirrenden Welt. Die im zentralen Gebäude angedeutete Gemeinschaft, die im aufgeschlagenen Buch signalisierte Frohbotschaft stellen zwei Angebote dar, in denen Antworten auf Glaubensfragen gefunden werden können.

Patrik Scherrer, 18.08.2007

Joachim Kögel

Glaubensfrage
Entstehungsjahr: 2007
Öl auf Leinwand, 130 x 170 cm
© Joachim Kögel

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