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Helmut Kästl, Die Offenbarung an die sieben Gemeinden Kleinasiens,
© Helmut Kästl

Gott erwarten

Drei blaue Senkrechten verbinden das Oben mit dem Unten. Vom Himmel erfüllt, vom Licht durchdrungen, sozusagen. Im Mittelfeld des Fensters werden sie von einem dunkleren, horizontal gegliederten Element überdeckt, das sich in der Mitte für eine dreifache Kreisform mit einer Hand und sieben Sternen darin öffnet. Davor sieben rote Flammen in gelbgoldenen Leuchtern.

Beeindruckend hat der Künstler Helmut Kästl den Anfang der Offenbarung des Johannes mit ganz wenigen symbolischen Elementen ins Bild gesetzt.

Für Gott steht der dreifache Kreis. Gott ist ohne Anfang und ohne Ende. „Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung.“ (Offb1,8). Gott ist dreifaltig: Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Dieser Gott offenbart sich den Menschen. Seine rechte Hand, ein Zeichen der biblischen Symbolsprache, zeugt von seiner Zuneigung zu den Menschen. In der Offenbarung des Johannes neigt Gott sich den vom römischen Kaiser Domitian (81-96 n. Chr.) verfolgten Christen zu. Sie sieben roten Flammen stehen symbolisch für die sieben Gemeinden und ihren Glauben.

Zu ihnen werden sieben Engel gesandt, um sie auf die guten und mangelhaften Seiten ihres Glaubens hinzuweisen und in der Treue zu ihrem Gott zu stärken. Wie im Buch der Offenbarung werden auch in unserem Glasbild diese Engel der Gemeinden durch Sterne dargestellt. Bei Gott wohnende Lichtwesen sind sie, als Boten zu den Menschen gesandt. Zärtlich schön hat Helmut Kästl diese Bewegung dadurch dargestellt, dass ein Stern in der Hand Gottes ruht und ein weiterer bereits auf der unter der Hand waagrecht aus dem Kreis herauslaufenden Linie auf dem Weg zu seiner Gemeinde ist.

Diese stehen im Dunkelblau der prüfenden „Nacht“ des Lebens, aber gleichzeitig im sich wellenförmig ausbreitenden Bannkreis der göttlichen Liebe. Die Gemeinden stehen im Grenzbereich, werden umkämpft. Die Engel sollen ihnen zu Hilfe eilen in ihrem Kampf um die Wahrhaftigkeit, die Liebe, die Treue. Wer siegt, dem wird vom Baum des Lebens zu essen gegeben (2,7), sein Name wird nie aus dem Buch des Lebens gelöscht werden (3,5) und er darf mit Christus auf dem Thron Gottes sitzen, so wie auch Christus gesiegt hat und sich mit seinem Vater auf seinen Thron gesetzt hat (vgl. 3,11).

Wo Gott sich offenbarend in die Erde einsenkt, da geht es um viel: um die Lebendigkeit und das vom Geist durchglühte Leben jedes Menschen. Es gehört Gott, er ist sein Schöpfer. Er wehrt sich mit Liebe und Selbsthingabe, wo Menschen und Mächte versuchen, es Ihm wegzunehmen. Steht deshalb vielleicht schwarz und mahnend in der Mitte der göttlichen Offenbarung das über alles hinauslaufende Kreuz?

„Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“, sagte Jesus in seiner Stunde der Entscheidung (Joh 12,32). Solange wir in dieser Welt sind, wird Gott durch seine Boten zu uns sprechen und uns für sein Heilswirken in Jesus Christus sensibilisieren. Wir sind in unseren Kämpfen und Entscheidungen nicht allein, Gott steht uns bei, alle Tage, offenbarend eingesenkt in unser Leben. Das will uns auch diese Advents- und Weihnachtszeit wieder neu bewusst machen.

Patrik Scherrer, 29.11.2003

Helmut Kästl

Die Offenbarung an die sieben Gemeinden Kleinasiens
Entstehungsjahr:
Glasfenster, Priesterseminar München
© Helmut Kästl

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