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Johann P. Reuter, Kyrie, 2004
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Kyrie Eleison

Vertikale Elemente prägen dieses in verschiedenen Grautönen gehaltene Bild. Da ist das schmalere, aber dunklere Feld auf der linken Seite, auf dem vier schwarze, parallel geführte Linien je ein helles Rechteck am oberen und am unteren Bildrand verbinden. An dicke Kabel erinnernd bringen diese dunklen festen Linien auf dem wärmeren Teil des Bildes einen ununterbrochenen Austausch zwischen oben und unten zum Ausdruck, dem durch die Festigkeit auch eine Sicherheit innewohnt.

Was für einen Kontrast bildet daneben die fragile Leiter in einem kühleren Farbraum. Durch die sieben horizontalen schwarzen Striche, welche an Leitersprossen denken lassen, werden auch hier Oben und Unten miteinander in Verbindung gebracht. Doch die dünnen Seile der Hängeleiter sind oben unterbrochen und scheinen herunterzufallen, auch unten links fehlt ein Stück. Gegenüber der gleichgestellten Beziehung auf der linken Seite wird hier betont, dass mit eigenen Mitteln der Aufstieg nach oben nicht möglich ist.

Noch weiter rechts ein drittes vertikales Element. Es hebt sich vom Hintergrund kaum ab, doch ist eine Bewegung von unten und von oben erkennbar, welche zu einer Begegnung im goldenen Schnitt führen kann. Im weißlichen Farbfeld ist ein bläuliches Quadrat so angeordnet, als würde es dem oberen Farbfeld entgegengehalten.

Abschließend sind feine Pinselspuren zu beobachten, die alle Grauschattierungen durchziehen und etwas vom Leben erahnen lassen, welches trotz der Farblosigkeit in dieser vertikalen Beziehung pulsiert.

Ob wir das Bild ohne den Hinweis des Künstlers mit dem „Kyrie eleison“ in der Liturgie in Verbindung gebracht hätten? – Wohl kaum. Inspiriert von der geistlichen Musik, hat Johann P. Reuter, der als Chorsänger die Messen von vielen Komponisten mitgesungen hat, das Ordinarium der römischen Messgesänge – Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei und Benedictus – in ein abstraktes, ästhetisches Formenspiel übersetzt, in dem die Linien, Formen und Farben tiefgründig die spirituelle Botschaft des liturgischen Geschehens zum Ausdruck bringen.

„Kyrie eleison“ entstammt der griechischen Sprache und bedeutet „Herr, erbarme Dich“. Mit diesem Gesang rufen die Gläubigen ihren Herrn Jesus Christus an und preisen sein großherziges Erbarmen. Sie treten als vergängliche und mit Fehlern behaftete Menschen vor ihren Schöpfer und Heiland, ihre Schuld bekennend und gleichzeitig auf sein barmherziges Handeln hoffend. Voraussetzung ist eine Gottesbeziehung, die im Glauben, der Hoffnung und der Liebe lebt.

Diese verschiedenen Facetten der Kyrie-Akklamation können aus dem Bild herausgelesen werden. Links die starke und feste Glaubensbeziehung, in der auf vielerlei Weise kommuniziert und Geborgenheit erfahren wird. In der Bildmitte, eingedenk der schwachen menschlichen Voraussetzungen, der flehentliche Bittruf um Erbarmen und helfenden Beistand. Rechts das gnädige „Herunterbeugen“ Gottes zum reumütigen Beter (helles Rechteck), der im Symbol des blauen Quadrates sein Leben und die ganze Welt Gott hinhält, damit Er sie in seinem Erbarmen umfängt und zu neuem Leben erweckt.

Ganzer Missa-Zyklus

Websites des Künstlers:
www.johann-p-reuter.de
www.j-p-reuter.de

Patrik Scherrer, 11.02.2006

Johann P. Reuter

Kyrie
Entstehungsjahr: 2004
aus dem sechsteiligen Missa-Zyklus
Acryl auf Leinwand, 130 x 130 cm,
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024
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