Löffel
Auf diesem Blatt ist nur wenig zu sehen. Mit minimalen Mitteln ist die Bildfläche vertikal und horizontal in drei Teile gegliedert. Vertikal ist nur der mittlere Bereich gestaltet, der sich horizontal in eine untere schwarze und eine obere weiße Fläche teilt. Dazwischen, kaum wahrnehmbar, ein Löffel. Seine Länge entspricht der Breite dieses Bandes.
Der Löffel liegt genau zwischen Schwarz und Weiß. Die beiden Flächen berühren ihn nicht, bedrängen ihn nicht – frei liegt er zwischen ihnen. Bei genauerem Hinsehen sind in der weißen wie in der schwarzen Fläche feine Abstufungen sichtbar. Graue Schattierungen beleben die weiße Fläche zum Löffel hin, weiße Aufhellungen durchziehen die schwarze Fläche.
Inmitten der abstrakten Bildkomposition dieser Arbeit stellt der Löffel den einzigen Bezug zu einem menschlichen Tun her. Durch ihn wird das Essen, die Nahrungsaufnahme angesprochen und thematisiert, auch wenn keine Lebensmittel zu sehen sind.
Einsam schwebt er zwischen den beiden Flächen im „luftleeren“ Raum. Ob er je benutzt worden ist? Er ist doch geschaffen worden, damit jemand mit ihm essen kann und Kraft zum Leben und darüber hinaus für die Arbeit und andere Tätigkeiten erhält. Die schwarze Fläche nimmt für mich die Blockform eines Fundamentes an, auf dem sich das Leben entfalten kann. Die Fläche mag so dunkel sein, weil sie von verschiedenen übereinanderliegenden Farben gesättigt ist. Damit steht sie gleichsam für schwarze Erde oder für einen vollen Bauch, welche beide die Basis für die Entfaltung eines fruchtbaren Lebens bilden.
Für die Weite des auf dem Essen aufbauenden Lebens steht symbolisch die über dem Löffel schwebende „Lichtsäule“. Sie ist nach oben offen, in ihr fließt die gleiche lichte Transparenz wie links und rechts. Ganz unten erinnern nur noch die grauen Schattierungen an die Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme. Ansonsten atmet Freiheit in dieser Fläche.
In der senkrechten Gestalt der beiden „Flächenkörper“ finde ich die aufrechte Gestalt von uns Menschen wieder. Das Körper füllende und belebende Essen bildet die Grundlage, damit auch unser Geist aktiv sein kann. Das erinnert mich an das Jesuswort: „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“ (Mt 4,4; Dtn 8,3) Ist die weiße Fläche mehr als doppelt so groß wie die schwarze Fläche, weil der Geist in unserem Leib wichtiger sein sollte als der vergängliche Körper? In der Bergpredigt sagt Jesus weiter: „Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. – Euch … muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen, dann wird euch alles andere dazugegeben.“ (Mt 6,25.33)
Damit wird über das Nehmen hinaus das teilende Geben angesprochen, das anderen Leben schenkt. Der leere Löffel liegt bereit für neue Handlungen, er möchte von jemandem in die Hand genommen, gefüllt und gebraucht werden. – Und das Bild regt auch zum Überprüfen unseres Denkens und Urteilens an, das in kategorischem Schwarz-Weiß-Denken oft die Feinheiten des menschlichen Lebens missachtet, Fehlurteile fällt und dadurch Ungerechtigkeit schafft.
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