“Stadtgeschehen”
Ein fast alltägliches Stadtgeschehen wird in dieser Steinarbeit in Szene gesetzt. Den Hintergrund bilden mit einfachen Rechtecken wiedergegebene Häuser. Die Steinbauten vermitteln einen südlichen, nahöstlichen Charakter. Die Silhouette der Münchner Frauenkirche entreißt die dicht gedrängten Bauten jedoch der Anonymität und verortet sie in die bayerische Hauptstadt.
Auf dem freien Platz davor gehen Menschen geschäftig wirkend in alle Richtungen. Nur auf der linken Seite – weit abseits im Hintergrund und gleichsam als Kontrapunkt und Ruhepol zu allen anderen – sitzt eine Person mit gekreuzten Beinen auf dem Boden und hält in ihren Armen ein großes Bündel, wahrscheinlich ein Kind. Neben ihr steht eine zweite Person, deren Körperhaltung Zuwendung und Beistand vermittelt. Sie sind die einzigen Personen auf dem Relief, die deutlich eine Beziehung zueinander zeigen, die füreinander da sind. In dieser schlichten Krippenszene, bei der die Beine der sitzenden Maria selbst das Gestell des Futtertrogs nachbilden, sind gleichzeitig Verlorenheit in der Gesellschaft als auch Wärme durch das innerliche und äußerliche Zueinander von Maria und Josef zum Neugeborenen zu spüren.
Das Desinteresse der nicht ganz detailliert ausgearbeiteten Menschen am Neugeborenen ist erschreckend. Sie meiden die kleine Menschengruppe geradezu. Sie gehen von ihnen weg, als wollten sie nichts mit ihnen zu tun haben. Dieser Eindruck wird durch die mauerartigen Häuser verstärkt. Sie verorten das Geschehen weniger auf einem zentralen Platz als vielmehr vor den Toren der Stadt.
Das traute Paar im Abseits! Das traute Paar als randständige Obdachlose, für die nicht nur in der Herberge kein Platz mehr ist, sondern an keinem Ort in der Stadt. Weder in einem heruntergekommenen Stall noch in einem Menschenherzen. Sie werden von ihrer Umgebung nicht wahrgenommen, weil alle etwas Unsichtbarem nachgehen bzw. etwas Wichtigeres zu tun haben. Die Heilige Familie ist nicht wirklich ausgestoßen, aber die Ignoranz der Mitmenschen macht sie gleichsam zu Unsichtbaren, Nichtexistierenden. Das ist paradox und tragisch zugleich.
Dieses fast alltägliche Stadtgeschehen tut weh. Aber es spornt an, einander wieder vermehrt Zuwendung und Beachtung zukommen zu lassen, um der Vereinsamung entgegenzuwirken. Wo uns das gelingt, wird es wieder warm werden und Gott selbst wird sich in Frieden und Glück dazu schenken.
Diese Arbeit entstand im Rahmen eines vom Diözesanmuseum Freising ausgeschriebenen Krippenwettbewerbs und war von Ende 2017/Anfang 2018 mit 88 weiteren Arbeiten in der Karmeliterkirche in München ausgestellt.
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