Verwandeltes Leben
Es muss des Nachts geschehen sein, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Denn wie „Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab kam, sah sie, dass der Stein vom Grab weggenommen war.“ (Joh 20,1)
Wie durch den offenen Eingang der Grabkammer hindurch scheint der Künstler das verborgene Geschehen der Auferstehung zu beobachten. Nur die golden leuchtende Gestalt des Gekreuzigten ist zu erkennen. Von innen her leuchtet er, ja glüht er wie flüssiges Metall im Schmelzofen. Verwandlung wird hier angesprochen. Noch ist seine Gestalt vollkommen menschlich, aber bereits durchdringt ihn das göttliche und ewige Leben. Johannes sah bei seiner ersten Vision einen, der wie ein Mensch aussah: „Seine Beine glänzten wie Golderz, das im Schmelzofen glüht“ (Offb 1,15) und der Prophet Jesaja spricht sinnbildlich von Gott als dem „verzehrenden Feuer“, der „ewigen Glut“ (Jes 33,14).
Im Gegenlicht zeichnet sich das Kreuz auf dem Rücken von Jesus wie ein Prägemal ab. Auch als Auferstandener ist Jesus der vom Kreuz Gezeichnete. Jesus hat das Kreuz auf sich genommen und durch den Tod hindurchgehend das Leben gewonnen. Das ewige Leben – für ihn und uns alle! (vgl. Mt 10, 38-39) Das ist die frohe Botschaft: „Er [Christus] hat dem Tod die Macht genommen und uns das Licht des unvergänglichen Lebens gebracht …“ (1 Tim 1,10)
Mit der dunklen Metallplatte deutet der Künstler sinnbildlich den Tod an. Wie eine Mauer, kalt und drohend, steht er unausweichlich vor uns. Aber der Tod wird nicht unser Ende sein, sondern Durchgang. Paulus erklärt dies den Gläubigen in Korinth so: „Seht, ich enthülle euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, aber wir werden alle verwandelt werden – plötzlich , in einem Augenblick, beim letzten Posaunenschall. Die Posaune wird erschallen, die Toten werden zur Unvergänglichkeit auferweckt, wir aber werden verwandelt werden. Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit. Wenn sich aber dieses Vergängliche mit Unvergänglichkeit bekleidet und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit, dann erfüllt sich das Wort der Schrift: Verschlungen ist der Tod vom Sieg.“ (1 Kor 15, 51-54; vgl. Jes 25,8)
Durch seinen Kreuzestod hat Jesus uns das Tor in seine Welt aufgestoßen, die Welt seines Vaters. In ihm kommt das Neue verdichtet zum Ausdruck – im Bild durch die mit Blattgold ausgelegte Vertiefung, die Wärme und Lebendigkeit ausstrahlt. Jesus ist und bleibt die Einladung, ihm zu folgen, hier wie dort.
Dass uns dabei geholfen wird, dafür könnte die kosmisch anmutende Spur über dem Kopf von Jesus ein Hinweis sein. Denn auch Jesus ist nicht aus eigener Kraft auferstanden, sondern von seinem Vater auferweckt worden (vgl. Gal 1,1). Ebenso hat Jesus seinen Jüngern den Heiligen Geist verheißen. Er wird sie lehren und an seine Worte erinnern (Joh 14,26), damit sie wie Jesus Zeugen der Liebe Gottes sein können (vgl. Apg 1,8).
Weitere hervorragende Bildbetrachtungen von Karl Josef Kuschel finden Sie in dem mit Rudolf Kurz herausgegeben Buch Lebensspuren, ISBN 3-7966-1066-8, Schwabenverlag 2002.
Rudolf Kurz
© Rudolf Kurz
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