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Jörg Länger, Christi Geburt / Heilige Familie – Versuch einer Perikope, 2025
© VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Himmelswiege

Vier Personen stehen in Bezug zu einem großen, halbkreisförmigen Sternenhimmel. Die beiden unten Stehenden bilden mit der Person an der Spitze ein Dreieck. Diese schwebt als Brustbild und mit angewinkelten Armen solitär über dem Geschehen. In reinem Gelb gemalt wird sie von einem ebenfalls gelben Halbkreis umfangen, wobei die gelbe Farbe als Hinweis auf einen göttlichen Bereich gedeutet werden kann. Es ist die Wiedergabe der Silhouette des segnenden Pantokrators (= Allmächtiger) im Apsismosaik der Kirche Santa Maria Nuova in Monreale, Sizilien.

Die Wiederholung des göttlichen Kreises um den Sternenhimmel legt nahe, dass dieser eine göttliche Schöpfung ist, ein Sichtbar-Werden seiner Herrlichkeit. Der Künstler wandelt den Sternenhimmel zur überdimensionalen, aber äußerst kostbaren und damit würdevollen Wiege für Jesus. Von oben nach unten betrachtet wird sichtbar, dass der allmächtige Gott Mensch geworden ist und sich den Menschen in die Hände gegeben hat. So schwebt das Kind fast verloren in der Tiefe des Halbrunds der großen Himmelsschale, wären da nicht die beiden Gestalten, die durch ihre Kleidung und leuchtende Aura Jesus zugeordnet sind.

Ihre Vorbilder stammen aus dem Perikopenbuch Heinrichs II., das zwischen 1007 und 1012 im Kloster Reichenau geschrieben und illustriert wurde. Im Vergleich zur ursprünglichen Komposition ist die Geburt Jesu in einen kosmischen Kontext gestellt. Bestand in der Buchmalerei noch eine minimale Berührung Jesu durch die Hände und die Blicke seiner Eltern, ist nun der Abstand unter den Protagonisten größer geworden. Durch das Beibehalten der Farbe ihrer Kleider, die leuchtenden Heiligenscheine und das Eintauchen Marias und Josefs in den Sternenhimmel entsteht jedoch eine neue, enge Beziehung und Familienzugehörigkeit.

Auch das Vorbild zum halbkreisförmigen „Sternenhimmel“ weist auf die außerordentliche Bedeutung der Geburt Jesu. Es handelt sich um den Sternenmantel, den Kaiser Heinrich II. anlässlich der Begegnung mit Papst Benedikt VIII. im Jahre 1020 vom Fürsten Meles von Bari in Bamberg erhalten hat. Seinen Namen erhielt das Festgewand durch die vielen sternförmigen Goldstickereien, mit denen es übersät ist. Aus der am linken, unteren Bildrand angebrachten Inschrift DESCRIPTIO TOCIVS ORBIS kann entnommen werden, dass es sich beim Bildprogramm um eine Beschreibung des ganzen Erdkreises handelt. Christus nimmt dabei in einer Mandorla thronend die zentrale Position im oberen Mantelrücken ein.

Der Künstler hat dem Mantel so gesehen nichts hinzugefügt. Doch Christus steht nicht als Majestas Domini im oberen Teil des Königsmantels, sondern ist dem Betrachter als Kleinkind ganz unten gleichsam zu Füßen gelegt. Damit wird seine Menschwerdung verstärkt zum Ausdruck gebracht. In Verbindung mit dem Sternenmantel Heinrichs II. wird seine herausragende Bedeutung für den Erdkreis und das ganze Universum deutlich. Dem Wunder der göttlichen Geburt angemessen liegt Jesus als Morgenstern in einem unendlichen Sternenmeer, das ihn mit der warmblauen Nacht majestätisch und würdig in den prächtigen Mantel einhüllt.

Weitere zeitgenössische Darstellungen der Geburt Jesu sind bis 13. Januar 2026 im Dialog mit traditionellen Krippen im Diözesanmuseum Bamberg ausgestellt.

Patrik Scherrer, 20.12.2025

Jörg Länger

Christi Geburt / Heilige Familie – Versuch einer Perikope
Entstehungsjahr: 2025
Palinagonistendruck (Linolschnitt), Ölfarbe, Tinte, Mischtechnik und Blattgold (Schlagmetall), auf Gesso-Halbkreidegrundierung, auf Holztafel, 38 x 38 cm.
Palinagonisten nach: 1) Maria, Josef und das Christkind aus dem "Perikopenbuch (Evangelistar) Heinrichs II.", Kloster Reichenau, 1007 - 1012, München, Bayrische Staatsbibliothek, Signatur Clm 4452 2) unbek. Künstler, Pantokrator, Apsismosaik, ca. 1180 n. Chr., Santa Maria Nuova, Monreale, Italien
© VG Bild-Kunst, Bonn 2025

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