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Gerda Berger, Verantwortung, Dialog, Schöpfung, 2012
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Austausch – Veränderung!

„Welten“ treffen in dieser Arbeit aufeinander und treten miteinander in Dialog. Da ist die hell bemalte Leinwand, die als Bühne für den Auftritt der drei Hauptakteure dient. Mächtig in der Ausdehnung, doch geschwächt durch den Zahn der Zeit, füllt ein rostiges Blech mit zerfressenen Rändern den unteren Bereich des Bildes. Ihm scheinen zwei schwarze Gestalten zu entsteigen, leicht und unfassbar wie Rauch, und doch wie vom rostigen Element festgehalten.

Alle Darsteller sind mit sich selbst und miteinander im Gespräch. Gleich mehrfach haben sie etwas Dialogisches an sich.

Als erstes erzählt das rostige Blech seine bewegte Geschichte. Sie ist nur bruchstückhaft zu verstehen. Früher muss das Metall hell geglänzt, etwas wasserdicht abgedeckt oder verschlossen haben. Am linken Rand ist deutlich ein kleines rundes Loch auszumachen, an dem es mit einem Nagel irgendwo befestigt war. Am unteren Rand ist eine horizontale Verdickung zu sehen, darüber ein einzelner Riegel. Wozu er wohl gedient hat? Was hat das Blech alles mit- und durchmachen müssen, dass es jetzt so aussieht? Welche Reise hat es zurücklegen müssen, bis es von der Künstlerin gefunden wurde und in dieser Arbeit seinen vorläufig letzten Platz fand?

Zur Bildmitte hin teilt sich das Blech in zwei Bereiche, die sich gegenüberliegen und durch die beiden Auskragungen zur Bildmitte hin einander zugewandt scheinen. Die Rostlöcher und -kanten lassen der Interpretation weiten Spielraum. Ließen sich in den beiden „Armen“ nicht auch Köpfe sehen? Andererseits muten die verrosteten Blechränder wie zerklüftete Küsten im Übergang vom Land zum Meer an. Dann wieder meint man, menschliche und tierische Extremitäten zu erkennen, oder gleich unterschiedliche Gestalten zu sehen, die um einen Viertelkreis herum in Bewegung sind. – Was wird hier für ein Theater gespielt?

Was für eine Rolle spielen die beiden schwarzen Figuren? Sie erscheinen wie Puppen in den mächtigen Fängen eines „Rostmonsters“. Während die linke Gestalt aus dem Kopf der Fantasiefigur zu steigen scheint, vermittelt die aufrecht stehende Gestalt den Eindruck, an ihren spitzwinklig endenden Beinen festgehalten zu werden. Ihre „Köpfe“ befinden sich in etwa auf gleicher Höhe. Die beiden Figuren lassen sich vielleicht am besten mit folgenden assoziativen Wortpaaren beschreiben, die weder auf der einen noch auf der anderen Seite einen Sinnzusammenhang ergeben müssen: Oberkörper – Vollkörper; bewegt – steif; gestikulierend – zurückhaltend; ungehalten – stolz; männlich – weiblich.

Doch auf der Leinwand sind „nur“ Farbreste zu entdecken, Fragmente oder Rückstände (Detailansicht). Ihre Gestalt ergibt sich wie beim Blech aus der Kombination von dem, was übrig geblieben ist, und dem, was wir darin zu sehen vermögen und glauben.

So kommunizieren alle Elemente des Bildes in mannigfaltiger Weise miteinander und verwickeln letztlich auch uns Betrachter in ihren wortlosen Gedanken- und Meinungsaustausch. Es geht um Schein und Sein, um das, was wir glauben zu sehen, um die inneren Bilder, die das Kunstwerk IN UNS wachzurufen vermag im Verhältnis zu dem, was sich wirklich auf der Leinwand befindet. Das rostige Fundstück stellt aber auch die Frage, wie wir mit den mineralischen Rohstoffen dieser Erde umgehen. Die Farbe des Rosts erinnert an die Erde selbst, an ihre weiten Flächen, an ihre Fruchtbarkeit, an ihren Reichtum. – Wie gehen wir mit ihren Schätzen um? Nehmen wir einfach … in der Meinung, dass sie uns zustehen? Oder empfinden wir sie als Geschenke … wofür wir dankbar sind?

Die schwarzen Farbspuren erinnern entfernt auch an Ölverschmutzungen, an im Meer treibende Ölteppiche. Sie vertiefen die Frage des verantwortungsvollen Umgangs mit den gefundenen Ressourcen, aber auch mit den von uns veränderten und umgestalteten Materialien. Wie geben wir die von uns gebrauchten Lebensmittel (im weitesten Sinne) wieder der Natur zurück? Geben wir wirklich etwas … oder hinterlassen wir vielmehr? Kennen wir noch eine angemessene Beziehung zur Natur und einen daraus resultierenden fairen Gütertausch mit der „Mutter Erde“ … oder ist sie einfach eine temporäre Goldgrube, die gleichzeitig von unserer Wegwerfgesellschaft unendlich belastet wird?

Es ist gut, wenn Welten aufeinandertreffen. Das regt das Gespräch und den Austausch an. Das stellt Fragen und stellt in Frage. Das sensibilisiert unsere Verantwortung und fördert unser Engagement. Für die ganze Erde, ihre Ressourcen, alle ihre Lebewesen.

Patrik Scherrer, 10.08.2013

Gerda Berger

Verantwortung, Dialog, Schöpfung
Entstehungsjahr: 2012
Mischtechnik auf Leinwand, 100 x 80 cm
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024
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