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Ingo Andratschke, Kreuzigung, 2007
© Ingo Andratschke

Baustelle des Lebens

Viele fragmentarische Teile bilden dieses Triptychon. Das Auge weiß nicht so recht, wo es mit dem Schauen anfangen soll, um die Einzelteile zu einem Ganzen zusammenzuführen. Der gemeinsame Hintergrund ist mit den Holzstrukturen lebendig, aber unruhig, die gerüstartigen Konstruktionen auf den Seitenteilen wunderschön in warmem Licht liegend, aber diffus, mit viel Angefangenem, Ungeordnetem … Lediglich in der Zusammenschau der beiden Außenteile ist eine klare Zuordnung zur Mitte zu beobachten.

Dort scheint auf den ersten Blick die größte Klarheit zu herrschen. Im Zentrum steht eine weiße Leiter, die an ein Kreuz gelehnt ist. Ein Kreuz, das sich farblich kaum vom Hintergrund abhebt. Ein Kreuz, das mehr durch die Vertikale der Leiter und eine lange weiße, die Kreuzarme untergreifende Horizontale in Erscheinung tritt. Dieser die drei Bildteile verbindende Balken macht einen sammelnden, wohltuend umfassenden Eindruck. Das Kreuz steht auf keinem festen Boden, in keinem wirklichen Raum, sondern schwebt – nur von der durchgebogenen weißen Waagrechten gehalten – in einem undefinierbaren Raum. Soll es Haltlosigkeit vermitteln oder mehr auferstehungsgleiche Leichtigkeit?

Die hellen Grüntöne und die warmen roten Farben im Kreuz lassen zu Letzterem tendieren. Auch die Leiter lässt vermuten, dass die Kreuzabnahme des Leichnams Jesu schon stattgefunden hat. So können die Frühlingsfarben, das Herz und die fünf krönenden x-Zeichen als „Erinnerungen“ oder „Abdrücke“ dessen gesehen werden, der ein Herz für die Menschen hatte und mit einer Dornenkrone verspottet am Kreuz starb. Sie künden von der Auferstehung dessen, der hier vor kurzem den Boden unter den Füßen verloren hat.

Das Bild lässt viele Lesemöglichkeiten zu. Traditionelle Kompositionen von Kreuzigungsdarstellungen aufnehmend, gehen die drei Bildteile doch ganz neue Wege. So sehr die Holzteile in den Seitenflügeln an die Kreuze der beiden Schächer erinnern, zu finden sind sie nicht wirklich, obwohl sich in den schwer bestimmbaren Teilen der Bilder auch Gestalten oder Teile davon entdecken ließen.

Die Holzkonstruktionen bilden vielmehr das Gerüst für den schmalen waagrechten weißen Balken, auf dem das Kreuz nun zu ruhen scheint, nachdem unter ihm der Boden weggebrochen ist. Will damit angedeutet werden, dass der bisherige Boden nicht mehr tragbar war und deshalb eine neue Basis für eine unfassbar neue Botschaft nötig war?

Das Leben hat durch Jesu Tod und Auferstehung neue Dimensionen erhalten: es endet nicht mehr mit dem Tod. Gott ist in das Reich der Toten hinabgestiegen und hat sie erlöst (Der unter dem Kreuz liegende Kopf erinnert an Adam – Detailbild). In einem fast versteckten Detail verwebt der Künstler im Mittelbild das einmalige Kreuzereignis mit jedem Leben: der Querbalken des Kreuzes schiebt sich elastisch lebend zwischen die Sprossen der Leiter vor den rechten Holmen. Die Leiter lässt sich als Symbol für menschliches Leben sehen, in das sich das Kreuz wie es der Einzelne erkennt, einschiebt. Mit seiner dunklen, schweren Seite sicherlich, aber auch in seiner befreienden.

Patrik Scherrer, 27.02.2010

Ingo Andratschke

Ingo Andratschke
Zwickauer Str.
09112 Chemnitz
Tel.: (03 71) 85 35 30

Kreuzigung
Entstehungsjahr: 2007
Acryl auf Holz
© Ingo Andratschke

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