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Markus Wilfling, O.T. (Gott würfelt nicht)?, 2008
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

„Gott würfelt nicht“

Eine sehr minimalistische Skulptur, die vom Künstler aus 44 sechsseitigen Spielwürfeln in jeweils zwei Reihen längs und quer zusammengesetzt wurde, ohne auf die Aufeinanderfolge der Augenfelder zu achten.

Die Arbeit trägt eigentlich keinen Titel, aber bescheiden in Klammern gesetzt steht der bekannte, von Albert Einstein überlieferte Satz darunter: „Gott würfelt nicht“. Stammte er nicht von Einstein, nähme man ihn vielleicht nicht so ernst. Es ist eine lapidare Aussage, die selbstverständlich und daher umso verwunderlicher wirkt.

Viele Aussagen über Gottes Eigenschaften wurden im Laufe der Jahrhunderte von Theologen gemacht: allmächtig, allwissend, weise, gütig, gerecht, wahrhaftig … alles positiv, höchstpositiv. Und nun formuliert ein Naturwissenschaftler negativ: „Gott würfelt nicht“. Als ob das jemand angenommen hätte? Oder vielleicht doch?
Was macht denn einer, der würfelt? Er spielt, und zwar ein Glücksspiel. Er wirft einen oder eine bestimmte Anzahl von Würfeln und zählt, wenn sie liegen bleiben, ihre oben liegenden Augen. Er erwartet ein Ergebnis: entweder eine möglichst hohe Punktezahl, um zu gewinnen oder eine Entscheidung in einer mehr oder weniger wichtigen Sache. Aber jedenfalls ein Ergebnis, zu dem er nichts weiter tun muss als die Würfel werfen. Denn wer würfelt, überlässt das Ergebnis dem Zufall, es ist nicht sein eigenes Tun, seine Auswahl, seine Leistung oder sein Verdienst.

So konnte sich Albert Einstein die Entstehung und die Erhaltung des Universums nicht vorstellen. Er glaubte nicht an den Zufall, sondern an die Berechenbarkeit, durch die ihm im Laufe seines Lebens bahnbrechende Einblicke gelungen sind, er glaubte an die überwältigende Fülle der Lebensmöglichkeiten, anstatt an die begrenzten sechs Seiten eines Würfels. Gott richtet sich nicht nach unseren – wie für das Würfelspiel aufgestellten – Regeln und ist nicht auf Gewinn aus. Gott würfelt nicht.

Diesen Inhalt vermittelt der Künstler durch seine Arbeit. Die Kreuzform mag für das Göttliche, das Heilbringende stehen, der strenge Aufbau der Würfel für Ruhe und Ordnung, und … dass sie nicht zum Gebrauch zur Verfügung stehen. Sie können aber in ihrer willkürlichen Reihung auch ein Hinweis sein auf die sich so ungeheuer schwer erschließenden Geheimnisse des Universums. Und auch dazu wusste Einstein in seiner einfach-ironischen Art etwas zu sagen: „Falls Gott die Welt geschaffen hat, war es seine Hauptsorge sicher nicht, sie so zu machen, dass wir sie verstehen können.“

Patrik Scherrer, 13.03.2010

Markus Wilfling

O.T. (Gott würfelt nicht)?
Entstehungsjahr: 2008
Kunststoff (bestehend aus insgesamt 88 Augenwürfel),
22 x 15,8 x 3 cm, Auflage: 44 Unikate, num. u. sign.,
Hrsg. www.artepari.com
Foto: courtesy artepari
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024
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