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Martin Schonhardt, Welches nun?, 2009

Das Zeichen

Mit unregelmäßigen Konturen steht der Holzbalken da. Aufgerichtet schwingt noch etwas vom Baumstamm der Eiche mit, die einst häufig Treffpunkt für sakrale Rituale war. Hier ist eine fast leere Stele mit wenigen geheimnisvollen Zeichen.

Was sie wohl bedeuten? Worauf wollen sie hinweisen? Das große Zeichen befindet sich oben. Es ist ein aus mehreren Formen zusammengesetztes Bild, das sowohl eine Mondform beinhaltet als auch etwas Sternenartiges. Farblich weisen sie allerdings auf etwas anderes hin, das sich zu Beginn nicht so einfach erschließt. Aber sieht es nicht so aus, als würde sich diese Komposition den unteren beiden Symbolen zuwenden?

Formal sehr ähnlich, unterscheiden sie sich durch ihre Farbgebung: oben blau, unten rot (Detailbild). Der Künstler hat lasierende Farben gewählt, die dennoch voller Leben sind und den Blick auf sich ziehen. Da jeglicher Anhaltspunkt für eine feste Zuordnung fehlt, erscheinen sie uns in einem schwebenden Zustand. Die Frage ihrer Symbolik bleibt. Und wir bleiben Suchende.

Vielleicht müssen wir ganz unten, beim kleinsten Zeichen anfangen. Rot ist die Farbe des Blutes, des Lebens und der Liebe. Und das Zeichen besteht aus einem länglichen Körper und einem Kopf. Ein Kind der Liebe? Das Kind der Liebe? Jesus? – Der Evangelist Lukas (2,12) schreibt: „Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.“ Diese Worte waren in den Alltag der Hirten vor Bethlehem hineingesprochen worden. Die Erscheinung der Engel hat sie mitten in der Nacht verunsichert, diese Worte sollten ihnen Halt geben, einen festen Anhaltspunkt, damit sie der himmlischen Botschaft glaubten.

Ob das blaue Zeichen für die Mutter Maria steht? Es zeigt in gleicher Form ein Menschenkind. Durch seine andere Farbe kommt allerdings mehr der Himmel zur Sprache, Gott. Der schwebende Charakter der beiden Zeichen bringt Menschwerdung zum Ausdruck, bei der das rote Kind als Abbild des blauen Kindes verstanden werden muss.

Wenn diese Stele also mit der Geburt Jesu, den Hirten und dem Stall in Bethlehem zu tun hat, dann können wir in der großen komplexen Form die von oben abgebildeten Köpfe von Ochs und Esel sehen. Sie gehören wegen ihrer Erwähnung im Buch Jesaja 1,3 von alters her zur Krippe, wobei der Ochse die Juden, der Esel die Nicht-Juden verkörpern. Beide zusammen bildeten nach biblischem Verständnis die gesamte Menschheit, die Zielgruppe der Menschwerdung Christi.

Und dann mag unser Blick auf den Titel dieser Arbeit fallen, die Frage: Welches nun? Im Kunstbereich dient eine Stele dazu, ein Kunstwerk erhöht und freistehend zu präsentieren und ihm gleichzeitig festen Untergrund und Halt zu geben. Diese Holzstele vermittelt Einfachheit und Lebendigkeit mitten in der Natur, ja mitten in der Welt stehend. Aber sie präsentiert nur Zeichenhaftes und überlässt uns die Deutung. Welches nun? Worauf kann sich das Neutrum beziehen? Welches Zeichen? Oder gar welches Kind? Wir sollen auswählen, was für uns das Wichtigste ist. Welches nun? Wir müssen uns entscheiden, welches für uns der wahre Heilbringer ist.

Eine ungewohnte Sichtweise. Sie stellt das Gewohnte in radikaler Weise in Frage und bietet dafür Neues an. Es ist eine Arbeit zu Weihnachten, die aus dem statischen „Alle Jahre wieder …“ herausführen und uns in dynamischer Weise zu Beteiligten machen kann.

Patrik Scherrer, 19.12.2009

Martin Schonhardt

Welches nun?
Entstehungsjahr: 2009
Eiche koloriert
99 x 20 x 18 cm

© beim Künstler

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