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Sigmar Polke, Achatfenster, 2009
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Bild des Lebens

Kirchenfenster aus geschnittenen Achatsteinen bilden einen Teil der Neuverglasung von Sigmar Polke im Grossmünster in Zürich. Unter ihnen lockt ein halbrundes Oberlichtfenster zur näheren Betrachtung. Die Querschnitte sind hier kleiner und wirken deshalb bunter und voller als bei den Längsfenstern, aber genauso rätselhaft.

Der Achat spielt kultur- und religionsgeschichtlich eine uralte Rolle. Er ist einer der zwölf Edelsteine auf dem Brustschild der israelitischen Hohenpriester (Ex 28,19). Jeder der 12 Steine war Symbol für einen der Stämme Israels. Seine vielfarbigen Streifen in der Schnittfläche wurden mit dem Regenbogen und damit dem Bund Gottes mit den Menschen, dass kein Wassergericht (Sintflut) mehr über die Erde kommen werde, in Verbindung gebracht. Darum genoss der Achat hohe Wertschätzung, auch als Amulett gegen Blitz, Sturm und Durst. Heute gilt er wegen seiner frühen Entstehungszeit als Symbol für ein reiches und langes Leben, für Mut und Freude, Kraft und Gesundheit, ein ruhiges Herz und einen festen Blick.

Entstanden ist er in Hohlräumen oder Blasen von vulkanischem Gestein. Daraus muss er befreit, dann gereinigt, geschnitten und schließlich geschliffen werden, um seine je eigene Ausbildungsform zu zeigen, die durch die Kristallisation entstandenen Streifen, Bänder, Schichten, Farben und Formen. In unserem Fenster sind viele Querschnitte dieser Achatsteine zu einem bunten Mosaik zusammengefügt worden. Die leuchtenden Farben erzählen von der Schönheit der Natur. Einst verborgen in den Tiefen der Erde und im Innern der Steine, offenbaren sie nun – angeordnet in einer vagen Symmetrie – im hellen Licht ihre Pracht. Die vielen Farben und Formen vermitteln den Eindruck, als wäre mit ihnen ein Querschnitt durch eine unbekannte, fremde Welt gezogen worden.

Dieser Eindruck ist sicher nicht falsch. Das Innere der Schöpfung und alles Geschaffenen bleibt uns in den meisten Fällen verborgen und damit unbekannt. Die geschnittenen Achatsteine könnten deshalb auch als Symbolbilder für unser Inneres gesehen werden. Für das, was uns bewegt, was wir denken und empfinden und trotz allem Austausch oft ein Geheimnis bleibt. Dann würde das Fenster eine kunterbunte und lebendige Gemeinschaft zeigen, in der die Einzelnen ohne Kontaktscheu eng zusammenstehen und zusammenarbeiten. Achatsteine werden geteilt, damit sie im Tageslicht leuchten können. Wir hingegen müssen das Licht, das von außerhalb unserer Welt zu uns kommen will, bewusst annehmen und in unser Innerstes einlassen, damit seine geheimnisvolle Schönheit für alle sichtbar zum Leuchten und Strahlen kommt.

Patrik Scherrer, 12.12.2009

Sigmar Polke

Achatfenster
Entstehungsjahr: 2009
Grossmünster, Zürich
Foto: Lorenz Ehrismann
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024
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