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Michael Bracht, Verwandlung, 2024
© Michael Bracht

Geheimnisvolle Verwandlung

Eine Kugel aus Papier offenbart in ihrem Innern einen unerwartet kostbaren Inhalt. Unauffällig weiß und bescheiden geben sich die Papierblätter, welche schichtweise das Innere umhüllen und es wie eine Verpackung schützen. Wäre diese Hülle oben nicht aufgerissen oder aufgeblättert, so würde von außen nichts auf den verborgenen Schatz hinweisen. Wie ein Verband oder ein Kokon umgeben die weißen Schichten die goldene Kugel, selbst überrascht, was in ihrer Mitte, unkontrolliert von den Menschen, im Verborgenen geschah. Nun umgibt das Armselige das Kostbare, das Bruchstückhafte das Vollkommene, das Irdische das Göttliche!

Wie war eine solche Metamorphose möglich, eine solche Verwandlung?

Die Kugel, die goldene Farbe und ihr Glanz lassen symbolisch auf Gott schließen, der stets wunderbar am Wirken ist, gerade im Verborgenen und weit über die Grenzen des von uns Wahrnehmbaren und Fassbaren hinaus. So auch mit dem Leben nach dem Tod. Wir vergleichen die Verwandlung gerne mit der Metamorphose der Raupe in einen Schmetterling. Auch wenn die Raupe sich bis auf winzige Teile des Gehirns zu einer breiigen Masse auflöst, sind dennoch so viele strukturgebende Informationen da, welche aus dem „Brei“ einen wunderschönen Schmetterling entstehen lassen, dessen Identität untrennbar mit der Raupe verbunden ist. Der Schmetterling entsteht nicht aus irgendeiner, sondern aus genau dieser Raupe und das auch nur einmal.

Die Kugel, die goldene Farbe und ihr Glanz lassen sich auch als göttliche Essenz in unserer vergänglichen Hülle deuten, die uns unsere einmalige Identität und Geschichte verleiht und das Bestehen durch Zeit und Sterblichkeit hindurch in die Ewigkeit garantiert. Ganz wie Paulus im ersten Brief an die Korinther schreibt: „Seht, ich enthülle euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, aber wir werden alle verwandelt werden – plötzlich, in einem Augenblick, beim letzten Posaunenschall. Die Posaune wird erschallen, die Toten werden als Unverwesliche auferweckt, wir aber werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muss sich mit Unverweslichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit.“ (1 Kor 15,51-53)

Paulus schreibt, dass die Verwandlung plötzlich geschehen wird, in einem Augenblick, beim letzten Weckruf durch die Posaune. Diese Verwandlung von innen nach außen ereignet sich aber schon jetzt unaufhaltsam in unserem Innern, wie es auch in der Skulptur unauffällig mit dem über den Papierrand gehenden Gold angedeutet wird. Auch wenn wir glauben, dass die endgültige Verwandlung am Ende unserer irdischen Tage von Gott vollbracht wird, so besteht doch bereits jetzt in der gleichen Kraft Gottes das Angebot, uns auf diese Verwandlung vorzubereiten, an ihr mitzuwirken, uns für sie zu disponieren. Gott bringt sich unaufhaltsam durch seinen Heiligen Geist in uns ein, damit wir durch ihn und mit ihm Christus ähnlicher werden und Gott durch uns sichtbar und erfahrbar wird. Die Skulptur ist eine Einladung, Gott in unserer Mitte groß werden zu lassen. Schon jetzt – in uns – und in der Mitte unserer Zeitgenossen und Mitmenschen.

Patrik Scherrer, 10.05.2025

Michael Bracht

Verwandlung
Entstehungsjahr: 2024
Papier, Goldfarbe
© Michael Bracht
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