Glück !?
Die beiden an sich unabhängigen Bilder stehen einander thematisch und kompositorisch nahe. In beiden Werken steht ein Bild einem Durchgang mit vergleichbaren Proportionen gegenüber, der mit Licht erfüllt ist. Auch Gegensätze prägen die Komposition: Die Bilder sind im Vergleich zu den Durchgängen erhöht. Auf ihnen sind Heilige in ekstatischer Haltung dargestellt, die von je zwei spielenden Putten begleitet auf Wolken schwebend in den Himmel entrückt werden. Neben dieser „dreifachen“ Erhöhung sitzt ein Kind auf der Treppe bzw. steht ein weiteres auf dem Boden. Sie sind allein und wirken verloren in der großen Türöffnung und vor dem undefinierten Hintergrund. Während ihre unsichtbaren (da von ihnen aus um die Ecke herum platzierten) Gegenüber mit ausgebreiteten Armen dem Licht über ihnen entgegenschauen, sind sie mit sich selbst beschäftigt. Der Junge zündet sich gerade eine Zigarette (oder einen Joint) an, während das Mädchen von ihrem Idol Marilyn Monroe träumt. Dieser Genuss, diese irdische Vision scheint sie zu „elektrisieren“.
Die Bilder erscheinen wie aus der Türe herausgeschnitten und an die Wand gehängt. Obwohl sie thematisch in eine Kirche gehören würden, befinden sie sich in einem weltlichen Gebäude. Mit Maria und Franziskus (erkennbar am Ordensgewand und den Stigmata) werden zwei der wichtigsten Vorbilder des christlichen Glaubens in glücklichen Momenten ihres Lebensweges gezeigt. Ihre Platzierung im Museum deutet an, dass sich die Frage nach der erfüllenden und beglückenden Lebensgestaltung überall und zu jeder Zeit stellt, letztlich aber doch sehr religiös geprägt ist. Welche Bindung macht mich glücklich, schenkt mir inneren Frieden? Wer oder was motiviert mich, ermutigt mich und schenkt mir die Kraft, Großes zu erreichen?
In der Gegenüberstellung der barocken Heiligenbilder mit der heutigen Wirklichkeit der Kinder stoßen nicht nur Vergangenheit und Gegenwart aufeinander, in den Personen begegnen sich auch die Erfüllung und die Suche danach. In diesem Bild wird neben der Frage der Sinnfindung auch die Berufs- und Berufungsfrage angeschnitten, die sich sicher bei Kindern und Jugendlichen am intensiven stellt, uns aber gewissermaßen immer wieder neu begegnet: Wo will ich hin? Zu was bin ich berufen? Die lichten und grenzenlosen Räume hinter den Kindern mögen Ausdruck dafür sein, dass ihnen alle Möglichkeiten offen stehen.
Obwohl das Mädchen noch auf Marilyn Monroe „steht“, stellt sich aufgrund des mit Licht erfüllten Raumes die Frage, ob sie wie Maria vielleicht gerade von einem unsichtbaren Engel angesprochen wird. „Wie soll das geschehen?“, mag sich auch das Mädchen fragen. Wie kann ich eine Karriere machen wie Marilyn oder Maria …? – Ob sie an Gott glaubt? Ob sie ihm ihr Leben anvertraut, es gleichsam in seine Hände legt, wie es einst Maria gemacht hat mit den Worten: „Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Maria ist für dieses Vertrauen, für diese Hingabe in ihre Aufgabe mit der Aufnahme in den Himmel belohnt worden. Aber was für ein Gewicht hat dieser immaterielle „Gewinn“ schon bei der Entscheidungsfindung gegenüber dem weltlichen Ruhm und dem finanziellen Erfolg?
Auch der Junge scheint sich in seiner Glückssuche schwer zu tun. Seine sitzende Haltung am unteren Ende der Treppe signalisiert einen Tiefpunkt. Er gibt sich mit vergänglichem Genuss zufrieden. Sein Gegenüber, Franziskus, hat entgegen dem Zeitgeist auf die durch Armut geprägte Nachfolge Christi gesetzt und ist reich beschenkt worden. Vielleicht stellen sich dem Jungen ähnliche Fragen.
Der Künstler lässt uns mit der Geschichte der beiden Jugendlichen im Ungewissen. Aber wenn wir das unendliche Licht hinter ihnen als Gegenwart Gottes deuten, dann leuchtet uns die Zuversicht entgegen, dass Er alle Suchenden mit Erkenntnis unterstützt und – wie die Entscheidung auch fallen wird -, hinter ihrem Entschluss stehen wird.
„In den Arbeiten von Stephan Melzl zeigt sich exemplarisch die Macht des Bildes, rationales Denken zu transzendieren. Für die Darstellung innerer Zustände und Phantasien konstruiert er gegenständliche Welten von eigentümlicher Melancholie und zugleich humorvoller Komik. Die widersprüchlichen Empfindungen, die seine Bilder auslösen, fallen auf den Boden der eigenen Widersprüchlichkeit, und kaum etwas erscheint in seinen Bildern als gesichert. Sie erzählen von einem fragmentierten, einem ambivalenten Zustand einer Bewältigung der äußeren und inneren Wirklichkeit.” (Auszug aus einem Text von Dorothea Strauss, Freiburg)
Stephan Melzl
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