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Andreas Felger, Credo V (geboren von der Jungfrau Maria), 2011
© Andreas Felger Kulturstiftung, Berlin

Heilige Nacht

Punkte, wo man hinschaut. In dichten Reihen bedecken sie das Bild und legen eine bunte Schicht über den Bildgrund. Dennoch ist klar eine dunkelblaue Dreieckform zu erkennen, die von den unteren beiden Ecken bis zur Mitte des oberen Bildrandes aufsteigt. Vor dem helleren Hintergrund gleicht sie einer Pyramide oder einem Zelt, das in sich ein helles, längliches Element birgt.

Vor dem dunklen Hintergrund werden die Farbpunkte intensiver, leuchtender, und einzelne strahlen wie Sterne. Doch nur die weißen Punkte sind durchgehend gemalt. Die pinkfarbenen Punkte sind vor allem im Dreieck anzutreffen, überragen es aber wolkengleich im unteren und im oberen Bereich. Die gelben Farbtupfer sind bis auf die linke untere Ecke des Dreiecks überall anzutreffen. Zum einen umgeben sie das Dreieck wie eine Aura, zum anderen betont ein gelber Schatten das helle Element und lassen es als einen eigenständigen Körper wahrnehmen. Bei längerem Hinschauen meint man Füße und einen Kopf zu erkennen, eine hoch aufragende, menschliche Person zu sehen. In ihr scheinen die weißen Punkte Materie und Gestalt anzunehmen und eine Lichtgestalt zu formen.

Aber ist das möglich? Es sind doch nur das dunkelblaue Dreieck, die innenliegende weiße Form und die Farbtupfer in Weiß, Pink, Gelb und Blau zu sehen. – Doch all diese Elemente sind voller Symbolik! Kraft der ihnen innewohnenden Verbindungen vermögen sie ein weihnachtliches Geschehen anzusprechen. So haben die vielen Farbtupfer eine Ähnlichkeit mit einem Regenschauer und vermögen das Lied zu erinnern, in dem das Volk singt:

„Tauet, Himmel, den Gerechten!
Wolken! regnet ihn herab!
Rief sein Volk in bangen Nächten
Aus der Sünde finsterm Grab.
Und Er kam. – Mit Ihm kam Segen,
Wie ein milder Frühlingsregen
Wie des Himmels sanfter Tau
Rings erquicket Feld und Au.“
(nach Christoph von Schmid, 1811)

Gleichzeitig lassen die vielen gelben Farbtupfer an ein Lichtermeer denken, wie es an einem Christbaum oder auch in der Osternacht zu beobachten ist. In ihm vermeint man auch die göttliche Gnade und Herrlichkeit aufleuchten zu sehen, die sich auf die Erde niedersenkt und sich insbesondere auf bzw. im dunkelblauen Dreieck manifestiert, dem Symbol für Maria. Es verweist einerseits mit der Zeltform auf die temporäre und bewegliche Behausung, die jede Mutter ihrem Kind gibt, es beschützend und behütend. Andererseits mag sie die Glaubenshaltung Mariens zum Ausdruck bringen. Fest auf dem Boden der Erde stehend, ist sie doch mit ihrem ganzen Wesen auf den Himmel und auf Gott ausgerichtet. Dies so stark, dass sich ihr äußeres Erscheinen mit dem Symbol für den dreieinigen Gott deckt.

So wird deutlich, dass Gottes Sohn die göttliche Lebensgemeinschaft nie verlassen hat, um durch Maria Mensch zu werden. In Maria nimmt Gott Menschengestalt an, vor dem Hintergrund ihres Glaubens und ihrer Liebe hebt er sich als Licht vom unerschaffenen Lichte ab. Vor Maria oder in ihr vermag die Lichtgestalt damit einen Durchgang zum ewigen Licht zu bilden.

In einer ganz anderen Sichtweise kann das dunkelblaue Dreieck auch als eine sich in der Tiefe des Bildes verlierende Straße gesehen werden. Einsam steht dann die hochaufragende Lichtgestalt auf dem Weg. Als Licht in der Dunkelheit wie als Weg weist die Lichtgestalt auf Jesus hin. Er mag auf uns zuzugehen, aber genauso gut könnte er eine Einladung darstellen, ihm zu folgen. Vielleicht schwingt in der Darstellung aber auch beides mit und suggerieren die vielen Lichtpunkte, dass Begegnung und Nachfolge eins sind und zusammen mit unzähligen Menschen geschehen. Hin zu Mitmenschen, die auf unser Kommen und unsere Zuwendung warten, und durch sie zu Gott selber.

Durch die bunten Farbtupfer breitet sich Wärme über das Bild aus. Auch Freude schwingt mit. Außerdem ist eine neue Gemeinschaft zu spüren. Symbolisch zum Ausdruck gebracht durch die Farbtupfer untereinander, andererseits durch den Bezug zu den grundlegenden Farbelementen. Letztlich wird damit die neue Gemeinschaft unter den Menschen angesprochen, die durch Maria und die Geburt ihres Sohnes eine neue Basis erhielt – und weihnachtliche Dimensionen.

Der ganze Bild-Zyklus wird im Buch “CREDO” von Herausgeber Norbert Lammert präsentiert. Das Buch beinhaltet einen einführenden Text vom Herausgeber, eine Auswahl an Credotexten aus den frühen Jahrhunderten bis heute und die Abbildung des 19-teiligen Credo-Zyklus.

Hier können Sie den ganzen Zyklus auf der Website des Künstlers anschauen.

Patrik Scherrer, 22.12.2012

Andreas Felger

Credo V (geboren von der Jungfrau Maria)
Entstehungsjahr: 2011
Öl auf Leinwand, 120 x 120 cm
© Andreas Felger Kulturstiftung, Berlin

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