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Annette Zappe, Zufluchtsort, 2023
© Annette Zappe

Kraftquelle

Ein Mensch wird bis zur Brust von einem voluminös quellenden Gebilde aus Gold umhüllt. Wer einen solchen Wolkenberg zu tragen vermag, muss wie Herkules ein gutes Stehvermögen haben und mit Belastungen umgehen können.

Zwar lässt sich in einer Wolke nichts sehen und sie verhüllt die obere Hälfte bis zur Unsichtbarkeit, aber wenn sich eine Wolke auf einem Menschen niederlässt, ist das zweifellos eine besondere Begegnung und ein auf ein heiliges Geschehen deutendes Zeichen. Denn in Wolke und Mensch berühren und durchdringen sich Vertreter von Himmel und Erde: Die von Gottes Herrlichkeit leuchtende Wolke und der in der Farbe des Himmels gewandete, aufrecht stehende Mensch. Eine mystische Verbindung.

In heilige Sphären wagt sich der nach Gott suchende Mensch, in denen er selbst nichts mehr zu sehen oder zu ergreifen vermag, aber in seinem Vertrauen von Gott gesehen und ergriffen wird. So ist die goldene Wolke ein ursprüngliches Symbol, in der sich Gott dem Menschen nah und erfahrbar macht, aber zugleich un(be)greifbar bleibt (vgl. Ex 40,34).

Dieses Symbolverständnis lässt das Wunderbare erahnen, das in dieser Skulptur angedeutet wird: Gott erniedrigt sich und lässt sich auf und im Menschen nieder, um ihn das ungleich Größere, das ihn erwartet, ansatzweise und spurenhaft erfahren zu lassen. Ein Mensch, der sich in göttliche Sphären hineinwagt, lässt sich von Gott ergreifen, umarmen, wärmen und verwandeln. Der Mensch lässt durch das Wolkenbad Wandlung zu, die äußerlich aufsehenerregend, aber innerlich wirksam ist. So wie die Sakramente, z.B. die Taufe, Kommunion oder Konfirmation und die Firmung, äußere Zeichen sind, die aber Innerliches bewirken. Ähnlich wurden Mose auf dem Berg Sinai, Jesus bei der Verklärung oder Christus nach seiner Auferstehung bei der Aufnahme in den Himmel geführt, erleuchtet und verwandelt. Menschen suchen Zuflucht – Gott schenkt Geborgenheit, indem er Menschen in sich birgt, in seinen Wolken-Berg aufnimmt, (ver-Berg-t) und sie die Tiefen und gleichzeitig auch die Höhen wahrnehmen lässt.

Die innige Begegnung mit Gott, wie sie im Eintauchen in das Gebet, in der Meditation oder Kontemplation geschieht, wird zur Kraftquelle, die befähigt, den Kopf angesichts des Leides in der Welt nicht in den Sand zu stecken, sondern ihn weltoffen für den Nächsten einzusetzen.

Patrik Scherrer, 09.05.2024

Annette Zappe

Zufluchtsort
Entstehungsjahr: 2023
Bronze, Gips, Gold, 24 x 24 x 14 cm
© Annette Zappe

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