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Rita Grosse-Ruyken, Kreuz, 1986

Lichtfänger

Hauchdünn liegen die vier Schalen vor uns in ihrer einfachen und schlichten Form von vollendeter Schönheit. Das Ensemble ermöglicht mit einem Blick vier verschiedene Ansichten der nur im Material unterschiedlichen Gefäße.

Zerbrechlich muten sie an, gleichzeitig unendlich kostbar in den Materialien Silber und Gold. Ihre Leichtigkeit wie ihr Wert gebieten Erfurcht, machen sie nahezu unberührbar. Privilegierte dürften sie vielleicht als Ritualgefäße nutzen. Für alle anderen werden sie unantastbar und entziehen sich der normalen Verwendung eines Gefäßes. Diese Schalen sind wesentlich zum Anschauen da, zum betrachtet und bewundert werden.

Ohne Größenvergleich erinnert die Einfachheit der vier Formen an Eierschalen. Damit schwingt Ursprünglichkeit in ihrem Aussehen und ihrer Ausstrahlung mit. In den vollendeten Rundungen liegt ein geheimnisvoller Anfang, dem das Potential sich entfaltenden Lebens innewohnt.

Leer zu sein ist für diese Gefäße kein Makel. Im Gegenteil. Durch die extrem dünne Beschaffenheit wirken die Materialeigenschaften bis an ihre Grenzen ausgeschöpft. Vom Licht durchdrungen, wird so auf einmalige Art und Weise die Zeichnung von Gold und Silber sichtbar (Detailbild). Die hellen und dunklen Stellen mit ihren bewegten Formen machen jede Schale zu einem Unikat.

Weite Offenheit und tiefe Bereitschaft zu Empfangen kommen durch ihre Leere zum Ausdruck. Ist das nicht ein Widerspruch? Würde dadurch nicht ihre Schönheit zerstört, ja ihr Bestehen gefährdet? – Die Leichtigkeit der Schalen suggeriert, dass sie nicht für Materielles bestimmt sind, sondern mit etwas Immateriellem gefüllt werden möchten. Der sanfte Glanz ihrer Oberflächen lässt ahnen, dass die Schalen geschaffen wurden, um bleibend für das Licht offen zu sein. Denn nur so kommen ihr Wesen und ihre Schönheit zur Geltung.

Sind sie nicht Spiegelbild für uns Menschen? Für unsere Gemeinschaft durch ihre Vierzahl und für unsere Abhängigkeit vom Licht, nach dem wir ausgerichtet sind, welches Leben erst ermöglicht und es uns in seiner Schönheit und Vielfalt bestaunen, in seiner so kostbaren und zerbrech- lichen Beschaffenheit aber auch umsorgen lässt? Aber das Licht steht auch für alle immateriellen, geistigen Werte, welche unser Leben erst lebenswert machen: Vertrauen, Glaube, Hoffnung, Liebe, … Gott. Auch wir sind Lichtfänger …

Zur Ausstellung in Frankfurt vom 18. Juni bis 13. Sept. 2009 ist ein – wie die Inszenierung der Ausstellung – exeptionell gestalteter, zweisprachiger Katalog in zwei Cahiers erschienen. Der Katalog mit dem Titel “Durchflutung – Rays of Light” dokumentiert das Oeuvre der Künstlerin in 40 zum Teil bislang unveröffentlichten Werken. Mit Beiträgen von Prof. Dr. Hans Wichmann, Prof. Dr. Dr. h.c. Aloys Goergen, Prof. Dr. Friedrich Piel u.a. (280 Seiten, 50 Euro).

Patrik Scherrer, 19.09.2009

Rita Grosse-Ruyken

Kreuz
Entstehungsjahr: 1986
4 Ritualgefäße. Element 1+3 aus der Raum-Zeit-Plastik - KREUZ -1 x solar / 3 x lunar
Auf Anfrage des Museum of Modern Art, New York entstanden.
Reines Silber, reines Gold, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017
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