Lichtstel(l)e
Dunkel gekleidet ragt die rechteckige Metallplatte in den Raum und gebietet mit ihrer einfachen Gestalt Einhalt und Ruhe. Ihr Verhältnis von Höhe zu Breite erinnert an menschliche Proportionen. Verschlossen stände die Bronzestele da, wäre da nicht die aufgebrochene Oberfläche, die einen Blick in das Innere freigibt. Fein leuchtet Gold hinter der schwarz-grün patinierten Oberfläche dem Betrachter entgegen, geheimnisvoll von einer verborgenen Kraft im Innern der Stele erzählend.
Dieser Aufbruch verändert alles. Das Verschlossene öffnet sich und offenbart Hoffnung, in der Dunkelheit strahlt Licht auf und zeigt, wie verletzlich die vermeintliche Panzerung der Metallplatte ist. Die kreuzförmige Öffnung der Oberfläche nimmt in einem von tief unten aufsteigenden Riss ihren Anfang. Der Aufbruch geschah nicht plötzlich, sondern hatte seinen Vorlauf in der Materie und in der Zeit. Sein Ursprung liegt in der Tiefe. Die feine Bruchlinie ist bereits die Ankündigung eines größeren Geschehens, das sich weiter oben offenbart.
Der Künstler schreibt dazu:
Dort, wo wir die Verzweiflung zulassen,
wo wir die Dunkelheit annehmen,
werden wir mitten in der Verzweiflung einen Funken Hoffnung
und in der Finsternis einen Spalt Licht entdecken.
Kreuzförmig bricht das Metall von innen oder von hinten her auf und verweist auf das Kreuz Jesu. In der größten menschlichen Dunkelheit, in der Gottes Sohn hingerichtet wurde, offenbarte Gott lichtvoll sein Innerstes. Das Kreuz bleibt nicht als dunkles Ereignis stehen, sondern wird von der Liebe Gottes hell erleuchtet. Statt Dunkelheit und Tod erfolgt der Durchbruch zum Licht und ewigen Leben.
In der Verletzung der Oberfläche an der Bruchstelle wird der Lichtblick sichtbar und lässt uns spüren, dass hinter jeder Dunkelheit ein Licht leuchtet. Verletzungen und Wunden, welche den wahren Kern erkennen lassen, beinhalten die Chance eines Aufbruchs. Sie sind eine schmerzhafte Öffnung in eine neue Lebenswirklichkeit mit Parallelen zu einer Geburt oder der Entwicklung einer Knospe zu einer Blüte. Die Wahrheit kann nicht unendlich lange unterdrückt oder verborgen werden. Irgendwann durchbricht ihr Licht jede noch so harte Schale – wie eine Pflanze den Asphalt – und zeugt von der wahren Kraft des Lebens. Unendlich zart und verletzlich – und doch stärker als jede Dunkelheit.
„Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ (Joh 1,5)
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