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Monika Bartholomé, o.T., 2013
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Offen für das Leben

Die wenigen Linien vermögen beim ersten Anblick geradezu ein Gedankenfeuerwerk auszulösen: Wir sehen ein Bett, das an seinem Kopfende gleichsam Fühler oder Antennen hat, die sich wiederum mit Raumkanten verbinden. So steht die Liegestätte nicht ganz haltlos im Raum – sie ist gleichsam von oben her wie mit Flügeln in der Schwebe gehalten.

Gleichzeitig vermag man einen stilisierten Käfer mit langen Fühlern zu sehen. Sucht er im unendlichen Raum des weißen Blattes nach einem Anhaltspunkt? Steht das Bild vielleicht für unseren Glauben, für unser suchendes Vorwärtsschreiten? Ist das Viereck zwischen den diagonalen Linien nicht auch so etwas wie ein Fenster, ein Durchgang zu einem Dahinterliegenden? Die wenigen Linien bilden für unser glaubendes Vorwärtstasten bereits Anhaltspunkte, führen uns an Orte und Situationen im Leben, in denen wir vielleicht Grenzerfahrungen gemacht haben und Gott unerwartet nahe waren.

Dies mögen Zeiten des Ausruhens oder Erholens sein, in denen wir bewusst oder unbewusst dem Leben und seinem Sinn nachgespürt haben. Vielleicht erinnern sie uns aber auch an Zeiten der Krankheit, der Prüfung oder des Ausharrens, des Abschiednehmens. Denn das Bett – oder ist es nicht doch ein Stuhl – ist leer. Viele könnten sich hier niedergelassen haben. Und jeder ist eingeladen, sich hier niederzulassen und sich von der von oben kommenden unsichtbaren Kraft erfüllen zu lassen, die über dem Bett wie von einem Sammelbecken aufgefangen und trichterförmig auf den im Bett Liegenden gelenkt wird. – Ein schönes Bild für die Gnade Gottes: Gerade in den Zeiten der Entspannung oder Erholung fließt Seine Kraft besonders intensiv dem Bedürftigen zu.

Sicher sind noch weitere Zugänge zu dieser Zeichnung von Monika Bartholomé möglich. 19 Bleistift- und Pinselzeichnungen hat die Künstlerin für das neue Gotteslob der Katholischen Kirche in Deutschland und Österreich geschaffen, die in ihrer grafischen Schlichtheit hervorragend mit den Schriftzeichen und Notensystemen kommunizieren.

Gerade in den wenigen, ganz einfach und damit existenziell und wesentlich gehaltenen Linien liegt ihre große Kraft, assoziativ auf die einzelnen Lebenslagen und –situationen des Betrachters eingehen zu können und ihn darin zu begleiten. Verletzlich fein präsentieren sie sich im Buch. Es sind lineare Anknüpfungspunkte, die zum Dialog einladen, offene Zeichen, die Freiraum ermöglichen, kraftvolle Impulse, die über den Gottesdienst hinaus bewegen.

Anlässlich der Ausstellung „Alles auf Papier – Monika Bartholomé“ in der Akademie Franz Hitze Haus, Münster ist 2013 der Katalog „Monika Bartholomé: Die Fülle des Lebens“ mit den Zeichnungen zum Gotteslob und einer hervorragenden Einführung von Stefan Kraus erschienen. Der Katalog ist vergriffen.

Patrik Scherrer, 09.02.2014

Monika Bartholomé

o.T.
Entstehungsjahr: 2013
Gotteslob, S. 48, im Original 15 x 21cm, Bleistift
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

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