Reichtum der Armut
Welch eigenwillige Komposition: Eine Holzplatte mit niedrigem schmalen Rand, ausgelegt mit Wellpappe, als Behältnis für einen Salzbrand. Er ruht auf dem unteren Holzrand, ist oben und unten mit feinem Draht auf seiner Unterlage festgezurrt.
Die Farbgebung verbindet diese Materialien: das Weiß des Salzes mit vielen Übergängen in ein ins Violette spielendes Grau, ein verhaltenes Gelb, das wie ein matter Scheinwerfer – von rechts kommend – auf das Wesentliche gerichtet ist, erhellend, sinn-erhellend.
Und was sehen wir?
Zwei Gestalten mit unklaren Konturen, rechts eine kleinere, zarte, schutzbedürftige – vielleicht ein Kind. Sein Kinn ruht geborgen in der Hand der größeren Gestalt, deren Kopf sich tief neigt, mit der Stirn den Scheitel des Kleinen berührend. Eine liebevoll bergende, respektvolle Zuneigung!
Der Lichteinfall, der diese Szene sichtbar macht, taucht den Rücken der größeren Gestalt in kräftiges Dunkel. Ein ins Auge springender Bezug: kraftvolle Stärke, eigener „Rückhalt“ können Quelle der Zuneigung, der Schutzbereitschaft für einen Schwächeren sein.
Wahrhaftig ein Schatz, den zu suchen und den festzuhalten sich lohnt. Vor uns ein Kunstwerk, das sich nicht nur von Farbe und Form her erschließt, sondern ebenso von den verwendeten Materialien. Dinge des Alltags: Holz, Salz, Pappe vermitteln die Botschaft von einer zwischenmenschlichen Kostbarkeit, die in den Alltag gehören sollte. Getaucht ist sie in den bei Otto Zech häufig vorkommenden Lichteinfall. Hier erhellt er die Spannung zwischen Stärke und Schwäche, Geben und Empfangen, Selbstständigkeit und Bedürftigkeit, die sich löst in der Gewissheit der gegenseitigen Würde.
Am rechten Rand der Holzplatte steht in kleinsten Buchstaben wie ein Geheimnis: Die Armut ist schon reich geworden.
Dieser Bildimpuls entstammt dem Buch: Otto Zech. Werkbuch Fragmente, Hg. Stephanie Roos, Wuppertal 2006, S. 78/79.
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