Tausende feinster Fäden queren im Gedenken an den 1000. Todestag Kaiser Heinrichs II. das Kirchenschiff des Bamberger Doms und lenken den Blick zum Kaisergrab. Die sorgsam geordneten und in den Raum gespannten Fäden ermöglichen ein ungewöhnliches, spirituelles Schauspiel, das sich laut- und bewegungslos in dieser heiligen Halle vollzieht.
Die Bühne ist der freie Luftraum des Doms, seine Grenzen das Bauwerk. Die Akteure sind die in diesen Freiraum gespannten Fäden. Sie thematisieren eine spannungsvolle Beziehung zwischen Oben und Unten, zwischen Gott und den Menschen. Die sich fächerartig nach unten ausbreitende Fadenfülle quert den Raum nahezu unsichtbar und ohne ihn zu beeinträchtigen oder zu belasten. Die Choreographin ist die Sonne, deren sich bewegendes Licht die Fäden aufleuchten lässt und partiell sichtbar macht.
Es ist ein wechselndes Auftauchen und Entschwinden von Fragmenten eines größeren Ganzen – den Fadenbahnen – das von einem noch Größeren – dem Kirchenbau – gehalten und von einem noch viel Größeren und Entfernteren – der Sonne – beschienen und in Szene gesetzt wird. Es ist ein von der Künstlerin inszeniertes Zusammenspiel all dieser Faktoren, die in dem Kunstwerk auf einzigartige Weise erlebbar werden.
Die Installation lässt uns bildhaft an der christlichen Religion Heinrichs II. und seiner Verbindung nach oben zu seinem Herrn und Gott teilhaben. Diese für den mittelalterlichen Menschen ständig gegenwärtige Beziehung nach oben können wir anhand der leuchtenden Fäden der Rauminstallation visuell nachvollziehen. Unsichtbar ist Gott präsent und hält die Fäden in der Hand. Auf der anderen Seite halten wir den Beziehungsfaden genauso unsichtbar mit unseren Herzen fest. Gespannt ist der Faden, wenn wir bewusst daran ziehen. Durch diesen feinen „direkten Draht“ ist jede Regung des Gegenübers spürbar. Bei einem durchhängenden Faden dagegen würde sich jeder Impuls verlieren und die Botschaften kämen weder von der einen noch von der anderen Seite an.
Die Beleuchtung durch die Sonne macht die unzähligen bestehenden Verbindungen punktuell sichtbar. Sie werden uns quasi offenbart und wir dürfen mit den Augen wahrnehmen, was uns sonst verborgen ist und dennoch unablässig geschieht: dass wir unablässig aus Gottes Fülle empfangen, Gnade über Gnade (vgl. Joh 1,16). So gesehen sind die durch das Sonnenlicht erscheinenden „Lichtharfen“ klingende Gnadenbilder seiner Gegenwart.
Die Rauminstallation kann bis zum 29. September 2024 im Bamberger Dom besichtigt werden.
Flyer zur Installation