Überfließende Liebe schenkt neues Leben

Die Legende überliefert vom heiligen Nikolaus, wie er von der Not eines armen Mannes gehört hatte, der seine drei bildhübschen Töchter nicht verheiraten konnte, weil er kein Geld für die Mitgift hatte. Nikolaus erbarmte sich der drei Mädchen und beschenkte eine nach der anderen im Schlaf mit vielen Goldstücken aus seinem großen Erbe, damit sie heiraten konnten.

Kai Althoff stellt diese Ereignisse in einer Bildsequenz dar. Der heilige Nikolaus neigt sich gerade durch das offene Fenster über die schlafenden Mädchen, um der letzten von ihnen den Schatz in die Arme zu legen. Die Drei merken noch nichts von ihrem Glück, schlafen sie doch tief und fest. Der Vater hingegen ist wach und verfolgt das ungewöhnliche Geschehen mit offenem Mund. Was da geschieht, scheint ihm die Sprache zu verschlagen.

Das Wesentliche wäre damit gesagt. Ein kurzes Verweilen im Bild enthüllt uns jedoch mehr.

Nikolaus ist mit dem roten Gewand und der Mitra als Bischof dargestellt. Das Bischofsgewand bedeutet, dass er als Vorsteher und Hirte einer Gemeinde ein hörendes Herz für die Not seiner „Schafe“ hat. Diese Güte ist ihm auch in sein jugendliches Gesicht geschrieben. Er blieb nicht tatenlos in seinem Palast, sondern beherzigte das Wort Jesu: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) Um seine Spende nicht an die große Glocke zu hängen, warf er die goldenen „Äpfel“ des Nachts in das Zimmer der drei Jungfrauen.

Die Farbe Rot wird im Gottesdienst an Pfingsten, Karfreitag und Namenstagen von Märtyrern / Bekennern des Glaubens getragen. Im Teilen und damit Verschenken seines Erbes bezeugt der heilige Nikolaus seinen Glauben an Jesus Christus. Wie er ist Nikolaus in seinem Denken und Tun vom Heiligen Geist, dem Geist der Liebe erfüllt und geleitet.

Der Künstler Kai Althoff hat auch die Betten der drei Mädchen rot dargestellt. Sie schlafen im Bett der Liebe, oder anders gesagt wird damit ausgesagt, dass sie verliebt sind. Sie selbst sind erschreckend weiß und schemenhaft dargestellt, fast wie Menschen, die dem Tode nahe sind. Doch von unten nach oben scheint eine Besserung stattzufinden. Ist die unterste Gestalt voller Unruhe – wie in einem Kampf – und ihr Gesicht leichenblass, so kehrt die Ruhe und die Farbe nach oben zunehmend in den Körper der Jungfrauen zurück.

Unabhängig vom Gold, das jede schon erhalten hat, möchte der Künstler uns damit etwas über die Veränderung erzählen, die das Geschenk in den drei Frauen bewirkt hat. Die fehlende Mitgift war nicht nur eine schlimme Notlage, sondern hat sie wie jede Armut an den Rand des Lebens gedrängt, wo es nur noch den täglichen Kampf mit dem Tod – um das kostbare Gut des Lebens – gibt. Durch sein Geschenk hat sie Nikolaus, und das hat zu seiner Heiligkeit beigetragen, vor dem langsamen Tod gerettet. Durch sein Geschenk hat der heilige Nikolaus ihnen die Möglichkeit gegeben, zu heiraten und in die Fülle, das Glück des Lebens zurückzukehren.

Wo wir unsere Reichtümer (nicht nur materiell) teilen, treten wir in die Fußstapfen des heiligen Nikolaus. Grundsätzlich sind alle Menschen Bedürftige der Liebe. Insofern ist jedes selbstlose Schenken ein Hingehen zum Nächsten, ein Eingehen auf seine Not und eine Hilfe auf seinem Weg zur Lebensfülle.

Ich bin froh, dass uns dies der heilige Nikolaus immer wieder in der Vorweihnachtszeit in Erinnerung ruft – wenn wir mit dem Machen und Kaufen von Weihnachtsgeschenken beschäftigt sind. Nicht das Geschenk ist wichtig – sondern die Beziehung zum Menschen, die Liebe zu ihm, die letztlich die Liebe zu IHM ist.