auferstehen

Drei Stelen mit bunten Aufsätzen bilden eine Figurengruppe. Ihre Anordnung erinnert an die Kreuzigung, doch ist nicht eindeutig, ob die seitlichen Stelen an die beiden Verbrecher erinnern sollen oder an Maria und Johannes, die unter dem Kreuz standen. Es sind ja keine Kreuzarme zu sehen, die Stelen sind rein vertikal ausgerichtet. Das Kreuz findet sich nur in einem tiefen Einschnitt im Sockel der rechten Stele. Ein weiteres Kreuz wird durch die längere mittlere Stele in Verbindung mit dem eingesetzten Rechteck im Pfosten und den beiden Schalen auf gleicher Höhe angedeutet. Das Kreuz ist da, aber entmachtet – gewandelt vom Todbringenden zum Lebenspendenden.

Der Künstler bringt das zur Sprache, indem er Fundstücke von alten Balken für den unteren Teil der Stelen verwendet und im oberen und obersten Bereich kleinteilige Dreiecke zu neuen Formen schichtet. So entstehen bei den seitlichen Stelen beredte Oberkörper, die einander zugewandt im Dialog zu sein scheinen. Die mittlere Stele ist diesbezüglich ruhiger aufgebaut. Sie wird von einer bunten Krone aus unterschiedlich bemalten Dreiecken gekrönt.

Jedes Teilelement scheint eine andere Geschichte zu erzählen. Sie hatten einst eine andere Verwendung und wurden dann entsorgt oder weggeworfen. Der Künstler hat sie als Fundstücke aufgegriffen und ihnen in der Skulptur eine neue Aufgabe gegeben. Im neuen Miteinander sind sie durch den Künstler zu einem neuen Leben erweckt worden. Das Verachtete, Zerschlagene und Fragmentierte wurde durch den künstlerischen Prozess zu etwas Bedeutungsvollem erhoben. So stehen sie gezeichnet von der Vorgeschichte in neuer Gestalt da.

Die mittlere erhöhte Stele strahlt etwas Königliches aus. Die weißen kleinteiligen Holzstücke unter der Krone lassen mit einem gewissen Abstand ein Augenpaar unter einem weißen Haarstreifen erkennen, im helleren vertikalen Holzstück darunter eine Nase, im Rechteck noch weiter unter einen Mund. Im Philipperbrief (2,8-9) heißt es von Jesus: „er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen.“ In der Mitte thront der Auferstandene als König, als Sieger über den Tod. Die verwendeten Holzstücke erzählen von Erniedrigung und Auferstehung, von Tod und neuem Leben.

Den bunten Dreiklang vervollständigen die zwei farbigen Schalen zuoberst auf den seitlichen Stelen. Die linke Schale ist dünn und leicht geformt. Innen ist sie bunt mit Dreiecksformen bemalt, die eine Verbindung zur Krone herstellen. Die rechte Schale ist aus massivem Holz geschnitzt. Innen ist sie unbehandelt, dafür ist sie außen strukturiert mit Farben bemalt. So unterschiedlich die beiden Schalen aufgebaut und verziert sind, so haben sie doch einen ähnlichen Durchmesser und befinden sie sich auf gleicher Höhe.

Was wäre, wenn die beiden Stelen nicht einzelne Figuren darstellten, sondern die Arme und Hände eines Königs, der die Schalen wie die Krone als Attribute seiner neuen Würde tröge? Sie könnten für seine Offenheit stehen, für seine Bereitschaft, alles auf sich zu nehmen, damit wir es leichter haben (vgl. Mt 11,28), alles für uns zu geben, damit wir in Fülle am Leben teilhaben können (vgl. Joh 10,10). Seine Einladung lautet: Auferstehen. Mit ihm und durch ihn in allen möglichen Situationen immer wieder neu ins Leben auferweckt und aufgestellt zu werden.

Lichtfänger

Hauchdünn liegen die vier Schalen vor uns in ihrer einfachen und schlichten Form vollendeter Schönheit. Das Ensemble ermöglicht mit einem Blick vier verschiedene Ansichten der nur im Material unterschiedlichen Gefäße.

Zerbrechlich muten sie an, gleichzeitig unendlich kostbar in den Materialien Silber und Gold. Ihre Leichtigkeit wie ihr Wert gebieten Ehrfurcht, machen sie nahezu unberührbar. Privilegierte dürften sie vielleicht als Ritualgefäße nutzen. Für alle anderen werden sie unantastbar und entziehen sich der normalen Verwendung eines Gefäßes. Diese Schalen sind wesentlich zum Anschauen da, zum betrachtet und bewundert werden.

Ohne Größenvergleich erinnert die Einfachheit der vier Formen an Eierschalen. Damit schwingt Ursprünglichkeit in ihrem Aussehen und ihrer Ausstrahlung mit. In den vollendeten Rundungen liegt ein geheimnisvoller Anfang, dem das Potential sich entfaltenden Lebens innewohnt.

Leer zu sein ist für diese Gefäße kein Makel. Im Gegenteil. Durch die extrem dünne Beschaffenheit wirken die Materialeigenschaften bis an ihre Grenzen ausgeschöpft. Vom Licht durchdrungen, wird so auf einmalige Art und Weise die Zeichnung von Gold und Silber sichtbar. Die hellen und dunklen Stellen mit ihren bewegten Formen machen jede Schale zu einem Unikat.

Weite Offenheit und tiefe Bereitschaft zu Empfangen kommen durch ihre Leere zum Ausdruck. Ist das nicht ein Widerspruch? Würde dadurch nicht ihre Schönheit zerstört, ja ihr Bestehen gefährdet? – Die Leichtigkeit der Schalen suggeriert, dass sie nicht für Materielles bestimmt sind, sondern mit etwas Immateriellem gefüllt werden möchten. Der sanfte Glanz ihrer Oberflächen lässt ahnen, dass die Schalen geschaffen wurden, um bleibend für das Licht offen zu sein. Denn nur so kommen ihr Wesen und ihre Schönheit zur Geltung.

Sind sie nicht Spiegelbild für uns Menschen? Für unsere Gemeinschaft durch ihre Vierzahl und für unsere Abhängigkeit vom Licht, nach dem wir ausgerichtet sind, welches Leben erst ermöglicht und es uns in seiner Schönheit und Vielfalt bestaunen, in seiner so kostbaren und zerbrechlichen Beschaffenheit aber auch umsorgen lässt? Aber das Licht steht auch für alle immateriellen, geistigen Werte, welche unser Leben erst lebenswert machen: Vertrauen, Glaube, Hoffnung, Liebe, … Gott. Auch wir sind Lichtfänger …

„Christusträger“

Eine außergewöhnliche Schale,  ein ungewöhnliches Trinkgefäß. Für die Liturgie, für die Aufnahme des Allerheiligsten bestimmt. Kostbare Materialien, edle Verarbeitung, einzigartige Oberflächenbehandlung.

Alles weist auf IHN hin. Das Mysterium verhüllend – und doch geheimnisvoll offenbarend.

Durch eine lineare Oberflächengestaltung hat das weißlich-silberne Äußere eine „fasrige“ und matte Struktur erhalten und bildet einen Gegensatz zum goldglänzenden Inneren. In unregelmäßigen Formen scheint dieses Innere bruchstückhaft nach außen zu dringen.  Steht das glänzende Innere für die immaterielle Welt Gottes, das matte Äußere mit den pflanzlich wirkenden Strukturen für die Welt im Werden? Sie sieht jetzt in einem Spiegel nur rätselhafte Umrisse, „dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkannt worden sein“, schreibt Paulus (1 Kor 13,12).

Die Außenstruktur weckt in mir auch Assoziationen an ein Netz. Die unregelmäßigen Formen lassen nicht nur an Blüten, Früchte oder Fische denken, die gesammelt werden,sie können auch symbolisch für die Menschen und ihre Gaben stehen, die vom “Menschenfischer“ Jesus vereint Gott dargebracht werden.

Bei der Gabenbereitung betet der Priester jeweils leise, während er Kelch und Hostienschale mit den Gaben hochhält:

„Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt.
Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit.
Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des Lebens werde.“

„Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt.
Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit.
Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht, damit er uns der Kelch des Heiles werde.“

Der Kelch ist schlank und hoch. Mehr ein Becher als ein Pokal, hochgewachsen wie ein Weinstock. Die Weintrauben gekeltert in sich tragend, bewahrend für die Verwandlung durch den Geist Gottes und die Vergegenwärtigung der Worte Jesu beim letzten Abendmahl durch den Priester: „Nehmt und trinkt alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.“

Die Hostienschale dagegen ist flach und weit wie ein Schiff, eine Barke, die Ihn vom „anderen Ufer“ in unsere Nähe bringt. In ihrer Form klingt auch die Krippe und die Mandorla an, Ort und Zeichen für den sich den Menschen offenbarenden Gott.

So sind Kelch und Hostienschale ausdeutende Zeichen des in der Armut des Brotes und des Weines Verborgenen. Sie tragen Gottes Sohn für jedermann und -frau fassbar, den Leib wie die Seele im Geschenk nährend und stärkend zu uns, damit wir immer mehr seine Gestalt annehmen. Letztlich sind die beiden Gefäße Symbole für jeden Gläubigen, ja die ganze Kirche, die wir den Herrn genauso kostbar und rein umfangen und tragen sollen.

Und – seine heilige und heilende Gegenwart möchte wie bei Kelch und Schale auch bei uns außen sichtbar werden!