Verheißung – mehr als ein Lichtblick

Es muss eine traumhaft schöne Nacht sein, wenn so viele Sterne am Himmel sichtbar sind. Die unzähligen Lichtpunkte verwandeln die schwarze Unendlichkeit in ein funkelndes Lichtermeer. Groß und stark steht jedes einzelne Licht am Firmament. Viele von ihnen sind vier-, fünf- oder gar sechseckig ausgeformt – und funkeln wie Kristalle. Um jeden Stern hat sich ein Lichtkranz gebildet, der das tiefe Schwarzblau aufhellt.

So funkelt der Nachthimmel kristallin und klar über dem blassgrünen Grasband, das sich im unteren Drittel quer durch das Bild zieht. Es erdet den Blick zum Himmel, es verortet den Blick ins Weltall. Grünbraun stehen die kurzen Grasbüschel auf dieser Erderhebung, die keinen Blick in die Weite der Landschaft erlauben, sondern die unmittelbare Umgebung, den konkreten Lebensraum als Ausschnitt der ebenso wenig fassbaren Erdoberfläche wie die Weite des Himmels darstellen.

Zwischen den Grasbüscheln sind helle und dunkle Stellen erkennbar, die an Sand erinnern, an eine Steppenlandschaft mit schräg gewehten Grashalmen. Kargheit spricht aus ihnen, Widerstand gegen Trockenheit, Wind und den Wechsel von großer Hitze am Tag und Kälte in der Nacht.

Neben den vielen weißen Lichtern finden sich auch gelbe Lichter, allerdings über die ganze Bildfläche verstreut. Mit ihnen scheinen die Lichtpunkte auf die Erde zu fallen, sie gleichsam zu befruchten und einzelne Gräser in Blumen zu verwandeln. Sie verbinden die Erde mit dem Himmel.

Das Bild kann einfach als Abbildung der Natur gesehen werden. Eine andere Bedeutung kommt ihm zu, wenn das Bild die Schau eines unsichtbaren Betrachters wiedergibt, der wie wir dieses Naturschauspiel sieht. Dem Bild ist zu entnehmen, dass er in einer kargen steppenartigen Landschaft lebt, in der er derzeit keine großen Aussichten hat.

In so einer Situation stand Abraham, als Gott ihm nach der Trennung von Lot viel Land und „Nachkommen zahlreich wie den Staub auf der Erde“ verheißen hat (Gen 13,14-18). Nach der Begegnung mit Melchisedek erneuerte Gott seine Verheißung und konkretisierte, dass ein leiblicher Sohn sein Erbe sein werde. Darauf „führte ihn [Gott] hinaus und sprach: Sieh doch zum Himmel hinauf und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst. Und er sprach zu ihm: So zahlreich werden deine Nachkommen sein. Abram glaubte dem Herrn und der Herr rechnete es ihm als Gerechtigkeit an“ (Gen 15,4-6).

Abraham glaubte das menschlich Unmögliche! Dadurch wurden für ihn die vielen funkelnden Sterne zu Symbolträgern, die Licht in seine menschliche Dunkelheit und Ausweglosigkeit brachten. Sie wurden für ihn zum Sinnbild der Verheißung, dass Gott mit ihm ist und ihn wegen seines unerschütterlichen Glaubens an seine Zusage zu einem Segen für Generationen machen werde. Und in jeder Nacht, in jeder Dunkelheit wurden die Sterne dadurch zu Lichtblicken und zur Ermutigung, im Glauben nicht nachzulassen.

In dem Sinne vermag das Bild an Gottes Verheißung an Abraham zu erinnern. Es ermutigt aber auch, gerade in Zeiten der gefühlten Gottferne oder gar Abwesenheit den Kopf nicht hängen zu lassen, sondern den Blick zum Himmel zu erheben und die Sterne zu schauen. Die Sterne mögen weit weg erscheinen, durch Wolken oft nicht sichtbar sein, dennoch sind sie da. Ebenso ist Gott da, er steht zu seiner Verheißung. Nicht nur an Abraham, sondern an jeden, der wie Abraham Gottes Treue glaubt. Dann werden Sterne über einen Lichtblick hinaus zu Lichtträgern werden, die fest und kostbar wie Edelsteine die Zusage Gottes wach halten.

Ermutigung

Das Einzige, was auf dem Bild wirklich gut zu erkennen ist eine Leiter. Auf einem roten Boden stehend und an ein ebenso rotes Objekt angelehnt, ragt sie in den gelben Hintergrund hinein. Sie ist eine Leiter des Übergangs! Unten hebt sie sich durch die obere Farbe vom Hintergrund ab, oben durch die Schatten der unteren Farbe. Deutlich steht sie da und führt nach oben ins gelbe Licht, an die Grenzen des Bildes und unsichtbar darüber hinaus. Obwohl sie schattenhaft leicht im „Raum“ steht, weckt sie Vertrauen und lädt ein, ins Licht hinaufzusteigen.

Der lichte und lebendige Hintergrund verbindet die Leiter mit weiteren vertikalen Formen auf der linken Bildhälfte. Weder Farbe noch Umrisse lassen eine klare Gestalt erkennen. Am ehesten erinnern sie an eine stehende Menschengruppe. Die Farben Blau, Grün, Rot und Braun lassen an vier Personen denken, die sich dem Licht zuwenden, auf es zugehen. Vielleicht erwägen sie auch, die Leiter zu erklimmen.

Die Farbübergänge von Blau zu Grün und von Magenta zu Weinrot laufen nach oben zum Licht hinaus und bringen dadurch eine Verwandlung zum Ausdruck, die sich durch die Hinwendung zum Licht ereignet.

Von hellem Licht gerahmt, öffnet sich hinter der rot-braunen Gestalt ein abgedunkelter Durchgang. Aus der Mitte dieser Gestalten steigen Linien auf, die gleichsam einen Weg durch diesen Türrahmen hindurch zeichnen, die angedeuteten Menschen und uns alle einladend, ihm zu folgen. Doch die Linien führen nicht wirklich weit, sie scheinen vielmehr vor dieser Tür auszulaufen! Könnte dieser Durchgang vielleicht eine Versuchung darstellen, den einfachen und bequemen Weg zu wählen, anstatt das Wagnis mit der Leiter einzugehen? Wer von uns hat nicht schon die Erfahrung gemacht, in der wir die Vernunft als Beistand zu gewinnen suchten, um die Sicherheit des Bekannten dem Ungewissen vorziehen zu können?

Aber auch zur Leiter führen Linien! Sie zeichnen keinen Weg vor, betonen allerdings, dass hier eine vielversprechende Gelegenheit steht , die ins Weite, die ins Licht führt. Was oben an der Leiter folgt, vermag uns auch das Bild nicht zu sagen. Aber es ermutigt, zuversichtlich in die Ungewissheit der Zukunft zu schauen. Sie zeigt sich uns verheißungsvoll licht und sonnig. Und wenn das helle Rot als Symbol für die Liebe gedeutet werden darf, dann wird auch alles, was mit Liebe getan wird, sich in lichte Freude wandeln und vor schlichter Schönheit erstrahlend zum Himmel erhoben werden.

 

Die “Himmelsleiter” und weitere 13 Bilder von Cornelia Patschorke sind im Buch “Befiehl du deine Wege und bleib nicht bei dir stehen” (ISBN 978-3-937896-25-0) als spirituelle Illustrationen zu 8 bekannten Liedern des Dichters Paul Gerhardt abgebildet. Ergänzt wird das sehr schöne Geschenk- und Meditationsbuch zum 400. Geburtstag von Paul Gerhardt mit einfühlsamen Gedichten von Werner May. Preis: Euro 14,90