Urvertrauen

Ein kleines Kind schaukelt im dunklen Universum. Es scheint sich wohl zu fühlen, denn es schaut interessiert nach links in die sternenübersäte Unendlichkeit. Hell heben sich sein weißes T-Shirt und die rote Baseballmütze von der schwarzen Nacht ab, die es von allen Seiten umgibt. Der kleine Pferdeschwanz verrät, dass es ein Mädchen ist, das sich auf seinem Schaukelsitz im Weltall vergnügt.

Doch wie kann das sein? Wer oder was hält die Seile der Schaukel? Woher kommt das Licht, welches das Kind warm und vertraut beleuchtet? Was ist das für ein geheimnisvolles Leuchten, das sich wie ein weiches Polster unter dem Kind ausbreitet? 

Obwohl es nicht so aussieht, gibt das Bild auf diese Fragen eindeutige Antworten: Die gespannten Seile verraten, dass die Schaukel gehalten wird, auch wenn nicht zu sehen ist, an welcher Stelle die Seile befestigt sind. Das helle Licht von der Seite ist da, auch wenn die Lichtquelle selbst nicht sichtbar ist. Der warme Schein unten lässt vermuten, dass das Licht von einer lebensfreundlichen Atmosphäre reflektiert wird. Anders formuliert: Es gibt da jemanden, der das Kind mit seinem Licht beleuchtet und unsichtbar hält. Da ist jemand, dem das Kind wichtig ist und es im Vergleich zur Unendlichkeit des Alls groß macht und aufleuchten lässt. Da ist jemand, der das Mädchen in kindlichem Urvertrauen seine haltgebende Präsenz ganz real spüren und erleben lässt.

So schaukelt das Kind trotz der Dunkelheit voller Vertrauen, weil es weiß: Ich bin nicht verloren! Ich werde gehalten! Es ist licht! Obwohl das Mädchen ganz allein ist in der Unendlichkeit des Alls, braucht es keine Angst zu haben. Vielmehr strahlt es die Freude aus, die beim lustvollen Hin- und Herschaukeln mitschwingt.

Dieses Hoch- und Hinüberschaukeln mag viel vom Lebensgefühl ausdrücken, das viele Menschen zum Jahreswechsel haben: Das Hinüberblicken und -schwingen in eine ungewisse, dunkle Zukunft. Doch wer sich in das Kind hineinzuversetzen und die Schaukelbewegung aufzunehmen vermag, erinnert sich vielleicht an das beruhigende Gefühl, von starken Armen gehalten hin- und hergewiegt zu werden. Oder daran, wie gut in Kindertagen das Hin- und Herpendeln auf der Schaukel tat: Die Schwerkrafterfahrung im Belastungswechsel von Erdenschwere und Schwerelosigkeit, das rhythmische Hoch und Runter, das gepaart mit Beschleunigung und Verlangsamung, Anspannung und Entspannung zum Finden der Mitte und zur Stabilisierung des Gleichgewichtssinnes beitrug. So dient das Schaukeln auch dem Einschwingen der Seele in den Rhythmus des Kosmos.

Das Schaukeln holt ins Hier und Jetzt zurück, lässt das Gehaltensein spüren, aber auch die unbeschwerte Freiheit. Es vermittelt Selbstvertrauen, die Bewegung und den Schwung mit den eigenen Kräften und eigenem Geschick mitzugestalten. Schaukeln wie ein Kind ist ein Gleichnis für die Beziehung des Gläubigen zu seinem Gott und Vater. Es vermittelt das Wissen um einen liebenden Halt, der Gemeinschaft, Verbundenheit und damit Sicherheit in allen Lebenslagen gibt. Und es bringt das Urvertrauen zum Ausdruck, das in allem unserem Tun mitschwingt, dass, wenn alles anders kommt, als wir es uns ausdenken, vorhersehen oder planen konnten, wenn also alle Stricke reißen, Gott nicht nur über uns, sondern auch unter uns seine liebende Gegenwart wie ein rettendes Netz ausgespannt hat, um uns im Fall aufzufangen und uns wieder aufzuhelfen.

 

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
(Dietrich Bonhoeffer)

Dieses und weitere Kunstwerke von Stefanie Gerhardt sind bis zum 20. Februar in der Ausstellung „kopfüber himmelwärts“ in der Städtischen Galerie Neunkirchen im Original zu sehen.

Gehalten und erfüllt

In diesen bewegten Zeiten der Corona-Pandemie erschrecken mich die rasend schnell steigenden Zahlen an Infizierten und Toten. Dieses Leid und diese Not wirbeln unser Leben durcheinander. Unweigerlich muss ich auch an die Worte aus Psalm 91,7 denken: „Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten, noch vor dem Pfeil, der am Tag dahinfliegt, nicht vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die wütet am Mittag. Fallen auch tausend an deiner Seite, dir zur Rechten zehnmal tausend, so wird es dich nicht treffen.“ – Was für eine Zusage all denjenigen, die an Gott hängen, die seinen Namen kennen und zu ihm rufen!

Die Menschengestalt bringt die Verunsicherung durch die äußeren Ereignisse als auch ihren Glauben treffend zum Ausdruck. Die Person steht inmitten eines aufgewühlten und unruhigen Hintergrundes. Stürmische Zeiten, welche sich auch im Innern der Person fortsetzen. Sie kann sich dem Ganzen nicht entziehen, ist bis ins Innerste erschüttert, verunsichert, destabilisiert. Zu groß und unbeschreiblich ist das Leid und die Not um sie herum. Wieso soll gerade sie überleben, wenn 11.000 Menschen um sie herum sterben?

Die Bewegungen im Innern der Gestalt sind nicht mehr so wirr und diffus wie um sie herum. Eine rhythmisch geordnete Bewegung gleich einem Tanz durchzieht die Menschengestalt und gibt ihr eine eigene Dynamik. Sie ist dem Sturm nicht wehrlos ausgesetzt, sondern vermag sich mit einer ihr innewohnenden Kraft zu widersetzen. Diese Kraft wird mit runden Pinselstrichen charakterisiert, mit weißen, gelben und roten Kreisbewegungen. In den Rundungen klingt Gottes unendliche Größe und Kraft an. Im farblichen Dreiklang Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, die gemeinsam den Menschen schützen, beleben, aufbauen. So ist eine innere Freude zu spüren, ein Wandel von der Bewegtheit hin zur Beschwingtheit, von der Verunsicherung hin zur Stärke, von der Angst, den Boden zu verlieren hin zur Standfestigkeit.

Gott selbst bewegt und stärkt den Glaubenden in seinen Zweifeln, Abgründen und seinem Unglauben, wenn dieser ruft: „Herr, hilf meinem Unglauben!“ (Mt 9,24) oder steh mir bei „in meiner Not“ (vgl. Ps 18,7; Est 4,17r). Doch die Hinwendung zu Gott, das Vertrauen und die Hingabe, das muss von uns kommen.

„Wer im Schutz des Höchsten wohnt, der ruht im Schatten des Allmächtigen.
Ich sage zum HERRN: Du meine Zuflucht und meine Burg, mein Gott, auf den ich vertraue.
Denn er rettet dich aus der Schlinge des Jägers und aus der Pest des Verderbens.
Er beschirmt dich mit seinen Flügeln, unter seinen Schwingen findest du Zuflucht,
Schild und Schutz ist seine Treue.
Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten,
noch vor dem Pfeil, der am Tag dahinfliegt,
nicht vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die wütet am Mittag.
Fallen auch tausend an deiner Seite, dir zur Rechten zehnmal tausend, so wird es dich nicht treffen.
Mit deinen Augen wirst du es schauen, wirst sehen, wie den Frevlern vergolten wird.
Ja, du, HERR, bist meine Zuflucht. Den Höchsten hast du zu deinem Schutz gemacht.

Dir begegnet kein Unheil, deinem Zelt naht keine Plage.
Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen.
Sie tragen dich auf Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt;
du schreitest über Löwen und Nattern, trittst auf junge Löwen und Drachen.
Weil er an mir hängt, will ich ihn retten. Ich will ihn schützen, denn er kennt meinen Namen.
Ruft er zu mir, gebe ich ihm Antwort.
In der Bedrängnis bin ich bei ihm, ich reiße ihn heraus und bring ihn zu Ehren.
Ich sättige ihn mit langem Leben, mein Heil lass ich ihn schauen.“

Psalm 91

Lichtblick

Umgeben von einem dunklen Rahmen, öffnet sich unserem Blick in der Bildmitte ein helles Fenster. Es scheint nicht sehr groß zu sein, denn die weiße Taube, die sich mit dem grünen Zweig im Schnabel auf dem Fenstersims niedergelassen hat, füllt fast das ganze Fenster aus.

Die dunkelblaue Farbe suggeriert umgebende Dunkelheit und Nacht. Von den fünf Menschen sind nur schattenhafte Köpfe und Silhouetten auszumachen. Die beiden Personen, die sich unter dem Fenster befinden, lassen durch die vier hellen Senkrechten und den engen Bildraum zudem an Gefangene denken, die eingesperrt und niedergedrückt sind. Seltsam, wie der Künstler ihre Augen, Nasen und Münder stilisiert mit einem Kreuz-Zeichen angedeutet hat.

Soll es ihre „Religio“, ihre Rückbindung an Gott zum Ausdruck bringen, die ihnen Zugehörigkeit und Schutz verheißt? Denken wir nur an die Riten von Taufe, Firmung, Konfirmation oder Krankensalbung … Trotzdem bleiben viele Fragen und Zweifel. Wer kann Katastrophen wie eine Sintflut, einen Tsunami und anderes mehr verstehen? Helfen kann da nur ein unsagbares Vertrauen. In diesem Vertrauen haben sie die Taube ausgesandt und, um sicher zu gehen – denn Zweifel bohren tief – eine zweite.

Nun ist sie in ihre Mitte zurückgekehrt – mit dem Zeichen des Zweiges. Die Dunkelheit hat einen Lichtblick erhalten, der sich auf den Köpfen der wartenden Menschen bereits spiegelt. Durch das Licht wird das Zeichen auf ihren Köpfen sichtbar, das in der Bibel bei Menschen verwendet wird, die aus ihrem Glauben, aus ihrer innigen Beziehung zu Gott, der Schöpfung und den Mitmenschen heraus in Zeiten der Dekadenz einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn bewahren. So heißt es von Noach: „Noach war ein gerechter, untadeliger Mann unter seinen Zeitgenossen; er ging seinen Weg mit Gott.“ (Gen 6,9) Deshalb wurde er von Gott beauftragt, zur Rettung des Menschengeschlechts und der Tiere ein großes Schiff zu bauen, auf dem er mit seiner Familie und den Tieren die Zeit der Sintflut überleben konnte. Das Aquarell vermittelt den Augenblick, in dem die Taube das zweite Mal nach der Erkundung nach Land erfolgreich mit dem frischen Olivenzweig als Zeichen für das Wiederaufblühen der Natur zurückkehrte. „Jetzt wusste Noach, dass nur noch wenig Wasser auf der Erde stand.“ (Gen 8,11)

Im blauen Hintergrund könnte aufgrund dieser Begebenheit ebenfalls das alles vernichtende Wasser der Sintflut gesehen werden. Auch den Geretteten steht das Wasser bis zum Hals. Was sie allerdings über Wasser hält, ist ihre Verbundenheit mit dem Licht, das im Fenster wie ein Floß, wie eine rettende Insel in ihrer Mitte schwimmt. Ihr Vertrauen hat ihnen eine neue Zukunft, neue Aufgaben und sicher auch neue Leiden gegeben. Hoffnungsvolle Zuversicht und Liebe erfüllt und verbindet sie mit dem unbegreiflichen Gott. Und dieses gläubige Festhalten am gerechten Denken und Handeln verhindert, dass sie sich in unwürdige Machenschaften verstricken, die ihnen und anderen Unheil und Tod bringen. – Ermutigung und Lichtblick für uns!

Das besprochene Aquarell stammt aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers mit Bildern von Andreas Felger
/ Deutsche Bibelgesellschaft in Stuttgart, 1.664 Seiten, 171 ganzseitige Aquarelle und 104 teils farbige Skizzen, Format 17,3 x 24,5 cm

Seit vielen Jahrzehnten widmet Andreas Felger einen wesentlichen Teil seines künstlerischen Schaffens der Auseinandersetzung mit biblischen Texten. Seine Bilder sind Ausdruck gelebten Glaubens, wiederholter Meditation und Durchdringung. Seine Aquarelle und Skizzen sprechen eine spirituelle Sprache. Konkrete Darstellungen wechseln mit abstrakten Motiven, schaffen meditative Momente, eröffnen andere Sichtweisen und neue Zugänge zur Heiligen Schrift. Die Begegnung und der Dialog zwischen Mensch und Gott werden in seinen Bildern anschaulich und berühren die Sinne.

Vertrauen – Verwandlung

Die Thematik dieses Bildes ist mit den römischen Schriftzeichen LK XXIII, XLVI und den großen Buchstaben PATER, IN MANUS TUAS eigentlich klar auf die Leinwand geschrieben. Sie verweisen auf die letzten Worte Jesu im Lukasevangelium: „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist“ (Lk 23, 46).

Doch weder ein Kreuz noch ein Gekreuzigter sind zu sehen. Stattdessen eine lichtvolle Erscheinung, die aus einer rechteckigen Form in einen wie von Flammen erfüllten Himmel aufzusteigen scheint. Ebenso erregen eine gelbe Senkrechte im unteren Bereich, ein roter Balken am oberen Bildrand, zwei gemalte Nägel, zwei spiegelverkehrt geschriebene Worte sowie zwei am rechten Bildrand gezeichnete Kreuze die Aufmerksamkeit. Die verschiedenen Zeichen sind in eine fast rechteckige Form eingebettet, deren Seiten im oberen Teil leicht hervorstehen und dadurch ein T-förmiges Kreuz andeuten. Es geht also wohl um die Kreuzigung.

Erinnert die fleischfarbene pastose Form rechts unten nicht an einen menschlichen Körper, der durch einen roten Punkt als Verwundeter gekennzeichnet ist? Die violette Farbe lässt noch das Leiden spüren, dem er ausgesetzt ist. Aber seine Form lässt an einen Baumstumpf denken, dem Zeugen und Überbleibsel eines einst mächtigen Baumes. Alles Leben ist aus ihm gewichen, so scheint es. Doch in Anlehnung an das Heilswort von Jesaja 11,1 wächst zärtlich etwas Neues, etwas wie ein Trieb oder auch ein Gebäude aus diesem Baumstumpf hervor. Dieses nur bei genauem Hinschauen Sichtbare ist von einer wunderbaren Lichterscheinung umgeben und in eine nochmals neue Gestalt überführt. Eine Andeutung auf die Kirche, die aus ihm entstanden ist?

Es ist, als würde der Körper den Worten folgen, die Jesus voll Vertrauen am Kreuz gebetet hat und die sich bereits im feurigen Rot des Himmels verlieren. Die väterliche Liebe ist der Halt, an dem sich Jesus festhält. Dafür könnte der rote Balken stehen, der das Bild am oberen Bildrand horizontal durchquert. Unmittelbar darunter steht mit PATER, IN MANUS TUAS der Anfang der letzten Worte, die Jesus aus der größten menschlichen Tiefe gleich einem Rettungsanker betend zu seinem Vater im Himmel hinaufgeworfen hat: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“

Das Vertrauen erschließt sich aus dem zweiten Teil dieses Psalmverses (31,6), in dem es heißt: „… du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.“ Der lanzenförmige Lichtstrahl, der nach unten immer stärker wird, mag die erlösende Gnade Gottes darstellen, assoziiert aber auch einen leuchtenden Hirtenstab, der dem gegeben wird, der durch die dunkle und verlassene Schlucht gehen muss: „Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.“ (Ps 23,4) Oder leuchtet in dieser gelben Linie gar als Zeichen des Sieges das verherrlichte Kreuz auf, dessen Querbalken mehr erahnbar als sichtbar ist?

Auch die zwei rostigen Nägel, die zur Hälfte über einem Kreis liegen und sich durch ihren Schatten geheimnisvoll von der Leinwand abheben, scheinen über die Kreuzigung hinausweisen zu wollen. Ihre leichte Krümmung lässt ein J und ein C in ihnen erkennen, die Anfangsbuchstaben von Jesus Christus. Oberhalb und unterhalb von ihnen sind ebenso mysteriös „tse“ und „mudrev“ der Leinwand eingeschrieben, was spiegelverkehrt als EST VERBUM lesbar ist. Diese Botschaft ist uns von der „anderen Seite“ gegeben und sichtbar gemacht worden. Jesus IST das WORT, das von Anfang an bei Gott war und in die Welt gekommen war, um allen Menschen Licht zu sein (Joh 1,2-3.9).

Auch wenn Jesus nach den letzten Worten den Geist ausgehaucht hatte, der ihm von Beginn seiner Menschwerdung und explizit bei seiner Taufe gegeben war (Lk 3,22), bleibt sein Wort bestehen. So luftig und transparent die Farben aufgetragen sind, so lebendig und feurig werden sie – wie er selbst gesagt hat – weiterwirken: „Amen, amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen.“ (Joh 5,24)

> weitere Informationen zum Zyklus „Sieben Kreuze zu den letzten Worten“

Vertrauen II

Die dreizehn Bilder umfassende Serie Vertrauen beinhaltet neben den weißen, „durchsichtigen“ Gesichtern auch solche mit farbigen Übermalungen. Die teils schwarzen Umrandungen und vor allem die Augen und der Mund lassen die Gesichter klar erkennen, auch leuchtet der weiße Hintergrund teilweise durch, doch die Gesichter sind wie hinter einem Schleier. Die Umgebungsfarben scheinen sich über das Gesicht gelegt zu haben.

Will der Künstler damit vielleicht auf die vielen Situationen hinweisen, in denen wir nicht mehr klar sehen und Mühe haben, zu vertrauen? Bei diesen Bildern kommt es mir vor, als würden die Ereignisse überhand nehmen, über den Kopf wachsen, wie man sagt. Aus den Gesichtern spricht denn auch mehr Ernsthaftigkeit, (außer oben rechts) ja teilweise sogar Erschrockenheit. Etwas Unerwartetes ist eingetroffen, es ist bildhaft gesprochen dunkel geworden, man hat den Durchblick verloren.

Vertrauen ist da Not-wendig, um aus dieser Situation herauszukommen. Zu-ver-Sicht über alle Schatten und Hindernisse hinweg auf neue Wege, eine bessere Zeit, geheilte Beziehungen. Zuversicht aus dem Vertrauen in sich selbst, dem Selbstvertrauen, dass man es schaffen kann, Zuversicht auch aus dem Vertrauen in die Mitmenschen und vor allem in Gott, dass sie mir helfen werden, gerade wenn ich nicht mehr kann!

Die Farbe lässt sich noch anders interpretieren. Sie kann auch bedeuten, dass ich ganz erfüllt bin von den äußeren Eindrücken, getragen werde von meinen Erfahrungen und deshalb erst recht vertrauen kann. Froh gestimmt, bin ich bereit, in die Weite zu schauen, Dem zu vertrauen und mein Leben anzuvertrauen, der den echten Weitblick hat.

Diese Bildserie „Vertrauen“ ist für mich so etwas wie ein Spiegel, in dem ich meine verschiedenen Stimmungen wiederfinde. Mal geht es mir gut und läuft alles rund, dann wieder ecke ich überall an, fühle ich mich eingeengt (erste vier Bilder) oder von meinen „bunten“ Gefühlen überwältigt (zweite vier Bilder). Der Anblick der mich anblickenden Gesichter ermutigt mich zu vertrauen. Wie es Dir derzeit auch geht, das Leben geht weiter. „Ich vertraue Dir“, höre ich sie von Gott her sagen, „trau auch Du Dich!“

Vertrauen I

Die kleinformatigen, mit wenigen Strichen und Farben dargestellten Gesichter haben mich spontan angesprochen. In Wirklichkeit ist jedes Bild von einem breiten Rahmen umgeben. Nebeneinander aufgehängt ergeben sie eine „Geschichte des Vertrauens“.

Die verschiedenen Gesichtsformen und Farben lassen hinter jedem Gesicht eine andere Geschichte erahnen. Gemeinsam sind ihnen die angedeuteten Augen, Münder und Nasen. Ihre weiße Gesichtsfarbe strahlt eine Offenheit aus, die an Licht und Transparenz denken lässt. Sie haben nichts zu verbergen, sind unbelastet, rein, klar. Es ist, als könnte man durch sie hindurchsehen auf das unfassbar Größere hinter ihnen, das ihnen Gestalt und Leben gibt. Sie sind wie „Fenster“ zu Gott.

Und diese Gesichter schauen mich an. Mit kleinen Augen, aber großer Kraft, halten sie meinem Blick stand. Durch mein Betrachten sind sie zu meinen Gegenübern und stillen Gesprächspartnern geworden.

Dabei geht es weniger um Worte als vielmehr um Augen-Blicke und Erkenntnisse. Vertrauen kommt von sich trauen, sich dem anderen an-ver-trauen. Vertrauen hat also mit Glauben zu tun. Glauben an den anderen und das, was er sagt, weil ich es nicht weiß oder nicht nachprüfen kann. Vertrauen und Glauben sind das Fundament unseres Lebens und der meisten unserer Beziehungen. Wo Menschen sich mit reinem Gewissen begegnen, sich einander in die Augen schauen können, wächst das Vertrauen.

Der Anblick der Bilder ermutigt mich zu vertrauen. Ich werde nicht nur dem Mitmenschen begegnen, ich höre Jesus sagen: „Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.“ (Mt 5,8) Wenn das keine Verheißung ist!