Du führst mich hinaus ins Weite
Von dunklen Bildrändern her öffnet sich das Motiv in der Mitte zu einer unendlichen Weite, die durch den blauen Horizont und den weißen Luftraum darüber angedeutet werden. Das rahmende Nachtblau verliert dabei mit jeder neuen Farbe seine Kraft und lässt immer lichtdurchlässigere und wärmere Farben zu.
Hoch aufgerichtet leuchtet mittendrin ein filigranes, goldgelbes Kreuz. Die Linien sind nicht durchgehend, es hat seine Todesmacht verloren. Stattdessen kündet das Kreuz von der Überwindung des Todes, vom Segen, von der Rettung, die von ihm ausgehen, vom Perspektivwechsel, den es bewirkt. Es kündet von der Ordnung und von Gott, der das Leben sowohl hier und jetzt als auch dort und danach zusammenhält.
Schicht um Schicht führt das Bild schrittweise aus einem dunklen Raum hinaus ins Licht. Es gibt das Ende eines Tunnels wieder: einer beengten, ungemütlichen, aussichtslosen Wegstrecke, die kein Ende nehmen wollte und menschlich gesehen zum Scheitern verurteilt war. Denn die Dunkelheit wurde von vertikalen Gnadenstrahlen erleuchtet und in farbige Schleier gewandelt, die sich ihrerseits mehr und mehr auflösen und dabei die Sicht auf das Dahinter freigeben
Das Bogensegment am unteren Bildrand suggeriert, dass es sich bei dem Geschehen nicht um eine Kleinigkeit handelt, sondern um die große Bühne, um ein Weltgeschehen, das alle auf dem Weltenrund gleichermaßen bewegt und betrifft.
Verdichtet werden existenzielle Themen wie Dunkelheit und Licht, Wärme und Kälte, Leben und Tod, Enge und Weite dargestellt. Es wird die Freude vermittelt, nach der Blindheit wieder sehen, wieder Farben und Formen erkennen zu können, dank Jesu Tod und Auferweckungen einen überwältigend neuen Horizont zu erhalten, die Zuversicht, dass das Leben weitergeht. Befreiung ist spürbar, das Angebot neuer Möglichkeiten und Perspektiven. Gott schenkt einen neuen Lebensraum.
Der Kehrvers aus Psalm 18,20a.29b singt in mir: „Du führst mich hinaus ins Weite, du machst meine Finsternis hell.“ (GL 629,1 / KG 607 / RG 732) Er lässt in mir Dankbarkeit und Freude aufsteigen und mich einstimmen in das Gebet des Psalmisten und in das wunderbare Lob der Stärke Gottes:
Er griff aus der Höhe herab und fasste mich, zog mich heraus aus gewaltigen Wassern.
Er entriss mich meinem mächtigen Feind und meinen Hassern, denn sie waren stärker als ich.
Sie überfielen mich am Tag meines Unheils, doch der HERR wurde mir zur Stütze.
Er führte mich hinaus ins Weite, er befreite mich, denn er hatte an mir Gefallen.
Der HERR handelte gut an mir nach meiner Gerechtigkeit, vergalt mir nach der Reinheit meiner Hände. Denn ich hielt mich an die Wege des HERRN und fiel nicht ruchlos ab von meinem Gott.
Ja, ich habe alle seine Entscheide vor mir, weise seine Satzungen nicht von mir ab.
Ich war vor ihm ohne Makel, ich nahm mich in Acht vor meiner Sünde.
Darum hat der HERR mir vergolten nach meiner Gerechtigkeit, nach der Reinheit meiner Hände vor seinen Augen.
Gegen den Treuen zeigst du dich treu, lauter handelst du am Lauteren.
Gegen den Reinen zeigst du dich rein, doch falsch gegen den Falschen.
Ja, du rettest das elende Volk, doch die Blicke der Stolzen zwingst du nieder.
Ja, du lässt meine Leuchte erstrahlen, der HERR, mein Gott, macht meine Finsternis hell.
Ja, mit dir überrenne ich Scharen, mit meinem Gott überspringe ich Mauern.
Gott, sein Weg ist lauter, das Wort des HERRN ist im Feuer geläutert.
Ein Schild ist er für alle, die sich bei ihm bergen.
Denn wer ist Gott außer dem HERRN, wer ist ein Fels, wenn nicht unser Gott?
Gott hat mich mit Kraft umgürtet und vollkommen machte er meinen Weg.
(Ps 18,17-29)
Arbeiten von Albert Mellauner waren im Frühjahr 2023 in der Ausstellung „Farbrhythmen“ in der Hofburg Brixen zu sehen.
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