Himmelstanz
Eine ungewöhnliche Begegnung in den Wolken: zwei Gestalten in wehenden Gewändern reichen sich die Hand. Die linke Gestalt scheint von der rechten nach oben gezogen, willkommen geheißen, zum Tanz aufgefordert zu werden. Und sie folgt dieser Einladung mit ganzem Herzen.
Wer sind diese beiden? Die Künstlerin Christina Simon hat sich in das mystische Leben der Mechthild von Magdeburg aus dem frühen 13. Jh. hineinversetzt und sich in ihre Schriften vertieft, um Erfahrungen daraus in einem Linolschnitt-Zyklus darzustellen.
Mechthilds Bestreben war es, so weit wie möglich unsere Diesseitigkeit zu übersteigen, um Gott nahe zu sein. Ihre sehnsüchtige Gottsuche, ihre drängende Gottesliebe zeigt die Künstlerin in dem feurigen Rot ihres Gewandes und ihrer Haut und ebenso, wie sie aus dunklem Grund aufschwebt in unbekannte Höhen des Lichts zu einer von schräg oben entgegenkommenden Gestalt, die sie, sich ihr leicht entgegenneigend, beim linken Handgelenk fasst. Männlich? Weiblich? Göttlich – das Ziel ihrer Sehnsucht? Weisen ein Flügel am Rücken, eine Taube über ihrem Haupt, die Purpurfarbe an Gewand und Haut, die hellen Lichterscheinungen auf eine außerirdische Vision? In der Mitte ihrer Begegnung, bei der Berührung beider Hände ist der Hintergrund ganz weiß, ganz hell. – Ungestaltetes Licht! – Da braucht es keine Worte mehr, keine Farbe, da ist alles gesagt. Ein intensiver Blickkontakt begleitet dieses Aufeinander-Zukommen und ein beinahe geometrisch zu bestimmendes Aufeinander-Bezogensein.
Kann denn Sprache die Begegnung von Gott und Mensch in Worte fassen? Kaum. Mechthild von Magdeburg fand das Bild vom Tanz, um mitzuteilen, welches Erlebnis ihr geschenkt worden war und Christina Simon greift es auf, um das darzustellen und festzuhalten. Tanz: gemeinsam sich mit dem ganzen Körper, seinem ganzen Selbst der Melodie, dem Rhythmus überlassen, das kann mehr ausdrücken und mehr verstehen, als viele Worte. Mechthild wurde das mystische Erlebnis des Einswerdens der Seele mit Gott geschenkt: „Ich tanze Herr, wenn du mich führst …“
> Weitere Bilder aus dem Zyklus und ausführliche Beschreibung auf der Website der Künstlerin
Christina Simon
© Christina Simon
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