• Text zum Bildimpuls
  • Informationen zu Kunstwerk und Künstler
  • Kommentare zum Bildimpuls
Christina Simon, Erledigt!, 2005
© Christina Simon

Erledigt! – Umkehr!

Zwischen hohen Wellen und Hochhäusern, zwischen dem Meer und einer Weltstadt liegt die große blaue Gestalt da. Mit dem langen Bart und der von Denkerfalten gezeichneten Stirn ist es ein älterer Mann. Er hält die Hand vor sein Gesicht, als wolle er nichts sehen. Er dreht der Stadt hinter sich so demonstrativ den Rücken zu, als wolle er von ihr nichts wissen.

Dabei heben ihn die Meereswogen, in denen sich sein Gesicht wiederholt spiegelt, förmlich zur Stadt hinauf – dorthin, wo sie sich am schwärzesten gibt. Dahinter und daneben weitere Quartiere dieser den ganzen oberen Bildraum einnehmenden Skyline. Mit ihren dicht gedrängten und zum Himmel ragenden Bürotürmen vermittelt sie den Eindruck einer endlosen Metropole, in der Karriere, Besitz und Kapital den ganzen Lebensraum einnehmen.

Durch den ungewöhnlich roten Himmel kommt eine frohe Morgenstimmung auf. Leuchten nicht einzelne Gebäude in der aufgehenden Sonne? Noch stehen die Hochhäuser hinter der blauen Gestalt im Schatten und vermitteln den Eindruck von verbrannten, verkohlten Häusern, aus denen jegliches Leben gewichen ist. Aber dahinter kündigt sich etwas Neues an, das der dem Meer zugewandte Mann nicht wahrhaben will, das ihn zornig klagend bewegt.

Nach dem ersten Fluchtversuch vor der großen Aufgabe, mit der Gott ihn betraut hatte, fand Jona sich im Bauch eines großen Fisches wieder. In der Isolationshaft auf dem Meeresgrund lernte er aus der Tiefe seiner Seele erneut mit Gott zu reden und seine Aufgabe anzunehmen: Wieder an Land verkündete er den Menschen von Ninive die Androhung der Vernichtung, weil sie sich von Unrecht und Schlechtigkeit leiten ließen. Doch die Bewohner von Ninive hörten auf Jona und kehrten um: Sie riefen ein Fasten aus und hüllten sich in Bußgewänder, um zu zeigen, dass sie einen neuen Weg beschreiten wollten. Daraufhin führte Gott die angekündigte Drohung nicht aus.

Mit der Figur des Jona aus einer norditalienischen Miniaturmalerei des 13. Jahrhunderts führt uns die Künstlerin einen verzweifelten und klagenden Jona vor Augen. Eigentlich dürfte er stolz sein und sich über seinen Erfolg freuen. Stattdessen hadert er mit Gott, weil dieser ihn wegen seiner Barmherzigkeit als Propheten unglaubwürdig erschienen ließ: das angekündigte Unheil blieb aus!

Nach der Umkehr der Bewohner ist es nun an Jona umzukehren. Es ist einfacher, den anderen Ratschläge zu geben, als sie selber zu beherzigen und in die Tat umzusetzen – geht es uns nicht oft auch so? Ganz im Blick auf die anderen vergessen wir auf uns zu schauen und merken nicht, dass wir durch unsere Gewohnheiten wie gelähmt sind und nicht einmal den kleinsten Schritt der Veränderung zulassen können. Fastenzeiten, Auszeiten, Zeiten des Zurücknehmens und des Besinnens sind dann notwendig, damit ein Wertewandel eine Neugestaltung des Lebens ermöglicht.

Patrik Scherrer, 17.02.2007

Christina Simon

Erledigt!
Entstehungsjahr: 2005
aus dem Jona-Zyklus, Linolschnitt auf Papier, 70 x 100 cm
© Christina Simon

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert