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Jörgen Habedank, Die fünf Lebensstufen, 2004
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Lebensbogen

Im Zentrum dieser Bilderreihe steht offensichtlich der Mensch. Auf jeder Bildtafel ist er anders dargestellt, von anderen Farben umgeben und von anderen Symbolen begleitet. Hier wird eine Lebensgeschichte erzählt, in idealisierter Form ein Bogen über das ganze menschliche Leben gespannt: Geburt und Kindheit, Jugend, die Lebensmitte, das Alter und zuletzt das Lebensende.

Die Größe der Gestalten erzählt dabei von einem Auf- und einem Abstieg, einem Wachsen und einem Vergehen. Das Leben wird durch die Farben als ein Ganzes dargestellt, bei dessen Durchquerung alle Farben und Stimmungen des Lebens kennengelernt werden. Die Farben orientieren sich am Tages- und Jahresablauf, welche unserem Leben einen festen Rhythmus geben: Von der blauen Farbe des Morgens wird der Bogen über das warme Licht des Mittags zu den Farben der untergehenden Sonne und des dunkler werdenden Abends gespannt. Das sphärische Blau des Winters wird vom aufbrechenden Grün des Frühlings abgelöst, um im sommerlichen Gelb seinen hellsten Ausdruck zu finden und dann über das herbstliche Rot in die zurückhaltenden Farben des Jahresendes überzugehen.

Auf dem ersten Bild wird das neue Leben als Geschenk des Himmels sichtbar. Es wird von oben in diese Welt hineingegeben und ruht wie auf einem Thron in der Bildmitte, als sollte gesagt werden, dass es ein Zusammenwirken von irdischen und himmlischen Kräften für die Entstehung eines Menschenkindes braucht. Das Neugeborene ist beinahe weiß, verhüllt und in Vasenform dargestellt: Es ist noch ein unbeschriebenes Blatt, doch wurde – wie es die Sterne über ihm andeuten – unendlich viel in es hineingelegt für die Bewältigung des Lebensweges, als Wegzehrung und um damit die Mitmenschen beschenken zu können. Das in den Grund weisende Dreieck könnte für alles stehen, was im Kindesalter wachsen sollte als Grundlage für ein gelingendes Leben: Vertrauen, Verlässlichkeit, Sicherheit …

Aus dem zweiten Bild sprechen Wachstum, Aufbruch und Heiterkeit. Der jugendliche Mensch wendet sich von der Kindheit ab, er hat gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen. Er setzt sich kraftvoll in Bewegung, selbstbewusst mit dem Finger auf sich zeigend. Er hat das ganze Leben vor sich! Voller Tatendrang schaut er nach oben, scheint sich an Idealen und großen Vorbildern zu orientieren, um seinen eigenen Lebensweg zu finden. Das Symbol über ihm erfasst seine Situation: Das Leben steckt voller unendlicher Möglichkeiten. Und der Bogen unter seinen Füßen bringt zum Ausdruck: Was in der Kindheit grundgelegt wurde, begleitet und trägt ihn nun bei seinem Tanz ins Leben.

Im dritten Bild wird der Mensch in glutroter Farbe fest und aufrecht stehend gezeigt. Voller Energie und auf Expansion ausgerichtet steht er in der Fülle seines Lebens. Er hat seinen Weg und seine Mitte gefunden und vermag die Höhepunkte des Lebens zu erreichen, aber auch seine Tiefen auszuloten: Ein Arm weist nach oben, der andere nach unten. In der Mitte des Lebens hat er die Chance, Halt, Vorbild und Orientierung für die Menschen links und rechts von ihm zu sein, er kann führen, aber auch verführen. Gleichzeitig nimmt er den Wechsel zwischen der scheinbar unbegrenzten Jugend und den zunehmenden Begrenzungen des nahenden Alters wahr. Diese Festigkeit und Klarheit, aber auch die Begrenztheit in diesem Lebensabschnitt möchte das Quadrat über ihm symbolisch andeuten.

Das vierte Bild spricht vom Alter. Der Mensch steht da, wie in einer Form geprägt, festgelegt, ja beinahe starr. Es lässt die aufsteigende Angst des Abschieds im wieder enger werdenden Lebensraum durch hochgezogene Schultern spüren – aber hinter sich hat er den warmen Reichtum der Erfahrungen und Erlebnisse, die sich wie geologische Schichten im Laufe der Jahre abgelagert haben. Im Rot spiegelt sich die empfangene und gegebene Liebe, auf die der alternde Mensch als Kapital seines Lebens zurückblicken kann. In ihr öffnet sich ein gleißend heller Bogen, der in eine andere Wirklichkeit zu führen scheint. Das nach oben gerichtete Dreieck steht für die Umkehrung der Kräfte.

Im fünften Bild wird das Sterben und der Tod angesprochen. Der Mensch schaut auf das Leben und alle zurückbleibenden Menschen zurück. Er ist von einem Saphirblau umgeben, das bei der Betrachtung der Bilder nie aus dem Blick geraten ist und den Bogen zum ersten Bild schlägt, der Geburt. Der Kreis des irdischen Lebens hat sich geschlossen. Eine große Ruhe geht von der schwarzen und von beiden Seiten bedrängten Gestalt aus. Das saphirblaue Feld hinter ihr und das aus dem Kreis herausfließende Licht scheinen sie aus den Tiefen der Erde herauszuziehen in eine andere Wirklichkeit. Wir glauben, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern ein Übergang. Darauf weist auch die Form des umgekehrten T mit seinen aus dem Bild und ins Unendliche führenden roten Balken hin. Liebe und Unendlichkeit – unendliche Liebe – sind wir ihr nicht das ganze Leben nachgegangen, so dass wir auch im Tod auf sie als ganz andere und doch irgendwie vertraute Wirklichkeit hoffen?

Patrik Scherrer, 10.02.2007

Jörgen Habedank

Die fünf Lebensstufen
Entstehungsjahr: 2004
Acryl + Collage auf Leinwand, 170 x 50 cm
Haus der Besinnung der Firma Zimmermann in Arnsberg
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

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