Reformer im Dialog
Ein Bildzitat von Martin Luther aus dem Pinsel von Lucas Cranach füllt die Bildmitte. Mit den intensivierten Farben erscheint sein Portrait wie eine mit der Lupe erzeugte Vergrößerung. Als wäre er aus der Tiefe der Vergangenheit ins Zentrum der Gegenwart hervorgeholt worden. Es zeigt ihn als Mensch – im Jahr seiner Heirat mit Katharina von Bora.
Sein Bildnis befindet sich wesentlich auf einem kräftigen Blau, das sich von ihm aus seitlich und nach unten weitet, Tiefe suggerierend, aber auch die Botschaft ansprechend, die er verkündet hat. Das vertikale blaue Feld unter ihm lässt sein Bildnis geerdet und fest erscheinen. Links und rechts ist sein Portrait von stilisierten Figuren flankiert, ähnlich einer personalen oder symbolischen Ehrenwache.
Zwei weitere Personenportraits befinden sich in den unteren Eckbereichen: links Lucas Cranach der Ältere, portraitiert von seinem Sohn Lucas Cranach dem Jüngeren, rechts noch einmal Martin Luther, diesmal im Profil und mit Doktorhut. In den schwächeren Farben und in ihren Ausschnitten wirken sie wie Erscheinungen. Sie sind einander zugewandt und durch die schwungvolle gelbe Linie so miteinander verbunden, dass sie im Gespräch und Austausch miteinander stehen. Eine weitere gelbe Vertikale kreuzt diese und gleichzeitig die Mittelpunkte der waagrechten „Hirnholzabdrücke“, der nach oben offenen Halbkreise. Unsichtbar führt die Linie auf das zentrale Portrait von Martin Luther und darüber hinaus in die orangefarbene Fläche.
Die warmen Farben als auch die runden Formen deuten unaufdringlich auf eine transzendente Präsenz hin. Sie bringen Gott als ewiges Licht und Präsenz hinter und in allem Geschaffenen zur Sprache. Farblich korrespondiert dazu das lineare Fischsymbol unterhalb von Martin Luther. Das ICHTYS-Symbol ist das Erkennungszeichen der ersten Christen. Die erste Person zeichnete den ersten Halbkreis auf den sandigen Boden, die zweite Person vervollständigte das Symbol durch einen Gegenbogen und gab sich dadurch als Glaubensbruder oder -schwester zu erkennen.
In verändertem Kontext war die Zugehörigkeit auch in der Reformation ein großes Thema. Es ging um die Freiheit der Christen in geistlichen Dingen, um die Mündigkeit im Glauben, womit auch die Entscheidung jedes Einzelnen gefragt war, mit wem er in der Kirche weitergehen wolle.
Repräsentativ für den „reformierten Gläubigen“ im Zeitalter des Humanismus steht Martin Luther. Er hat in seiner Zeit nicht geschwiegen, sondern hat das Gespräch gesucht, den Dialog, den Austausch, um Missstände zu korrigieren und positive Veränderungen in der Kirche zu bewirken. Auch nach fast 500 Jahren bleibt er allen Christen ein mahnendes Zeichen, dem Dialog mit Andersdenkenden, Kritikern und auch Querdenkern nicht aus dem Weg zu gehen oder ihn gar zu verweigern. So schwer und mühsam solche Gespräche oft auch sind, für die Re-vision der eigenen Gedanken, für die Re-form der eigenen Haltungen und Handlungen sind sie unumgänglich notwendig. Die Kunst, vertreten durch die Künstler Lucas Cranach und Jörgen Habedank, vermag auf ihre Weise dazu einen Beitrag zu leisten.
Zum Cranachjahr 2015 hat der Künstler Jörgen Habedank 12 farbige Collagen mit Motiven zur Reformation von Cranach gestaltet. Das als Bild-Impuls besprochene Blatt zierte den Monat Oktober.
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