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Hans Thomann, Totentanz, 2014
© Hans Thomann

Totentanz

Stramm steht es da, das weiße Skelett eines Menschen. Die Füße berühren sich wie in Habachtungstellung, die Arme liegen am Oberkörper an, der Kopf ist über die Schulter rechts nach hinten gedreht. Es steht auf einer silbergrauen Kreisfläche, oder besser gesagt es dreht sich leicht erhöht um seine eigene Achse (Video anschauen).

Die ruckartigen Bewegungen lassen alle Knochen zittern und das Skelett bescheiden tanzen. Runde um Runde, im Sekundentakt, Minute um Minute, Stunde um Stunde … ein einsamer Totentanz. Nicht nur dass der Kopf weggedreht ist, das Gesicht ist zudem mit einer Maske bedeckt. Die Identität dieses Toten bleibt damit verborgen, sein wahres Gesicht verhüllt.

Es stellt sich die Frage, ob hier einfach ein Menschenskelett oder der Tod selber dargestellt ist. Gegen den Gevatter Tod spricht, dass das Skelett keine Sense trägt. Aber aus der Kopfhaltung spricht Stolz. „Schaut nur, mir kann keiner etwas anhaben. Ich drehe mich unaufhörlich und werde jeden von euch zu seiner Zeit holen.“ Es sieht zwar aus, als schäme er sich, als würde er es nicht wagen, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen in die Augen zu schauen. – Aber kommt der Tod nicht oft genug überraschend? Dazu würde auch die Totenmaske passen. Er kommt oft heimtückisch, unerwartet. – Aber der Tod mit einer Totenmaske?! Das macht ihn absurd! Und man ahnt: hinter dem Tod lauert der andere Tod!

Die Skulptur reiht sich in die vielen Vanitas-Darstellungen ein, die seit der Renaissance daran erinnern, dass unser Leben vergänglich und nichtig ist und wir keine Gewalt über das Leben haben. Schädel und Sanduhr waren in der Kunst dafür aussagekräftige Symbole. Die Zeit vergeht und entgleitet wie der Sand. Bei Hans Thomann stehen dafür das Skelett, seine Drehungen um sich selbst und im Sekundentakt unserer Uhren und Zeitmessung.

Doch die Frage bleibt, ob es sich bei diesem Totentanz nicht um mehr als den Tod oder ein Vanitas-Motiv handeln kann. In früheren Totentanzdarstellungen tanzte der Tod immer mit einem Menschen. Ein Zeichen, dass er ohne Rücksicht auf Rang, Alter oder Geschlecht alle Menschen oft mitten aus dem Leben zu sich holt. Hier tanzt der Tod allein. – Haben wir ihm mit unserer modernen Medizintechnik ein Schnippchen geschlagen?

Eine andere Sichtweise wäre, dass das tanzende Skelett möglicherweise gar nicht den Tod darstellt, sondern auf den Glauben vieler Religionen hinweist, dass die Verstorbenen nicht im Tod bleiben, sondern in einer für uns unsichtbaren Realität weiterleben. Denn wenn Tote tanzen, dann heißt das doch, dass sie leben, dass sie voller Lebensfreude sind. – Dreht das Skelett vielleicht deswegen den Kopf nach hinten, weil da eine größere Macht ist, die es hält? Eine Macht, die auch uns nach dem Tod, nach dem Zerfall bis auf die Knochen stehen, bestehen lässt, ja über die Zeit hinaus uns drehen, tanzen, freuen, leben lässt?

 

Im Sekundentakt zittern seine Glieder im Kreis
holt der Tod die Menschen aus dem irdischen Leben
entreißt er sie dem Kreislauf der Zeit
dem nie endenden menschlichen Taumel und Stressfaktor.

Doch was soll er mit all den Menschen nur machen
als sie – als Gottes Geschöpf – IHM weitergeben
damit ER allen Menschen
in seiner nie endenden Ruhe Frieden und ewiges Leben geben kann?

Video nochmals anschauen

Patrik Scherrer, 08.11.2014

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