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Hans Thomann, AUS-radierung, 2016
© Hans Thomann

AUS-radiert?

Die Abfolge von fünf Bildern lässt uns einen existenziellen Veränderungsprozess nachverfolgen. Es geht um Sein oder Nicht-Sein, um Leben und Tod, einen Kampf um’s Überleben. Der oberflächlich auf dem weißen Blatt erscheinende Tod ist vom AUS bedroht, von der Ausradierung durch eine stärkere Erscheinung seiner Selbst. Erstaunlicherweise vermag er ganz schwach zu überleben. Ob er sich regenerieren und zu alter Stärke zurückfinden wird?

Ausgangspunkt und Grundlage ist die Bleistiftzeichnung eines Totenkopfes. In der linken oberen Ecke des Blattes platziert schaut er aus einer erhöhten Position und wie „von oben herab“ den Betrachter an. Seine „Augen“ sind nicht zu sehen. Sie sind entweder in den schwarzen Augenhöhlen oder hinter schwarzen Brillengläsern verborgen. Noch scheint er zu lächeln: „Seht, da bin ich und warte auf euch!“

Im zweiten Bild  erhält der gezeichnete Totenkopf Konkurrenz durch sich selbst. In einem Radiergummi in Form eines Totenkopfs begegnet ihm selbst der Tod und bedroht ihn mit dem Aus. Klein wie ein David vor dem Goliath liegt der Radiergummi neben ihm und lacht wie er mit seinen offen liegenden Zähnen: „Du kannst mir nicht entwischen. Du gehörst mir. Gleich werde ich deine Existenz angreifen. Denn ich habe die Macht dich auszutilgen, auszuradieren.“

Die nächsten Momentaufnahmen (Blatt 3 und Blatt 4) zeigen, wie mit dem Totenkopf-Radiergummi die Zeichnung so lange bearbeitet wurde, bis der Gummi aufgebraucht war. Gewissermaßen war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wer der Stärkere ist. Auf jeden Fall war der Kampf für beide aufreibend. Der Radiergummi hat seine Gestalt gänzlich verloren und existiert nur noch als Krümel. Die Zeichnung ist noch schwach sichtbar – ein Schatten ihrer selbst).

Beide haben ihre Macht verloren. Von beiden sind nur noch Spuren zu sehen. Vom Radiergummi die Krümel, welche das Graphit des gezeichneten Totenkopfs weggerubbelt haben und ihnen nun anhaftet. Von der Zeichnung ist mehr zu erahnen als auf dem Papier zu sehen. Die künstlerische Aktion mag belustigend wirken. Mit dem Tod wird versucht, den Tod auszuradieren. Aber kann die Aktion nicht auch ein ermutigendes Gleichnis für unser Leben sein?

Der Tod kann nicht vernichtet werden. Er wird weiterhin zur Wirklichkeit des Lebens dazugehören. Aber er kann uns nicht ausradieren! Die Aktion macht deutlich, dass immer etwas übrig bleibt. Spuren einer Existenz, Spuren von etwas Existenziellem, das sich nicht ausradieren lässt, das selbst der Tod nicht löschen kann. Das Wesentliche überlebt den Tod und wird in eine neue Daseinsebene überführt (vgl. 1 Kor 15,51). In Bezug auf die Zeichnung sind es die tiefer liegenden Schichten oder das Darunterliegende, welche der Tod nicht erreichen und damit vernichten konnte.

In Bezug auf uns Menschen sind es alle Erfahrungen der Liebe, die sich tief in unsere Herzen und unsere Seele eingebrannt haben. Alle Liebe, die wir in welcher Form auch immer – von der uneingeschränkten Hingabe bis zur Verweigerung – zu geben oder zu empfangen imstande waren. So kann uns der „Todeskampf“ ermutigen, uns um das Wesentliche zu bemühen, um das, was unter die Haut geht, Herz und Seele berührt, erfreut und in Ewigkeit leben lässt.

Patrik Scherrer, 09.04.2016

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