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Alexander Hintersberger, Denn Du bist das Licht, 2008
© Alexander Hintersberger

Orientierung

Das Auge verweilt suchend vor dieser Bronzeskulptur. Harmonische Proportionen und runde, glatte Formen nehmen wir wahr, links und rechts zwei längliche, abstehende Teile, dazwischen ein rundes, scheinbar herausgemeißeltes Loch. Wie ein Auge schaut es einen an, blinzelt das Licht durch die Öffnung im massiven Bronzeguss.

Die Stele lässt vielerlei Zugänge offen. Sie will nicht eindeutig nur dies oder jenes sein. Sie möchte bewusst herausfordern, eine Suchbewegung auslösen, Fragen stellen nach ihrer Identität. Die Bronze hat etwas Gefäßartiges an sich, gleichzeitig erhebt sie sich wie eine stilisierte Hand. Durch die sanft gewellte Oberfläche können auch zwei stark vereinfachte stehende Gestalten wahrgenommen werden, bei der die rechte durch die runde Öffnung stark beeinträchtigt ist.

Am Schlüssigsten ist aber wahrscheinlich das Erkennen einer schematisierten Gesichtshälfte, bei der links die Wangenknochen mit dem Ohr, rechts die eine Seite der Nase angedeutet sind. In der glatten Außenseite sticht das hart aus dem Material herausgehauene Auge beunruhigend heraus. Es scheint weit aufgerissen zu sein, Schrecken spricht aus ihm. Sieht das Auge Schreckliches oder hat es selbst solches erfahren müssen? Die Außenseite gibt nichts vom Geschehenen preis … womit die Bronze ihre geheimnisvolle Ausstrahlung nur noch vergrößert.

Welches Gesicht die Skulptur wohl darstellen soll, welchen Menschen zur Sprache bringen oder in Erinnerung rufen? Auf der einen Seite ist er schön, andererseits sieht es aus, als hätte er Schweres durchlitten. Er gibt sich als doppelte Erscheinung, als amphorenartiges Gefäß, das einen Einblick in seine Innenwelt ermöglicht. Seine Gesichtshälfte gibt einen Durchblick zum Licht, das ihn zu erfüllen scheint.

Zweifel stellen sich beim fragenden Nachdenken ein, ob dieses halbe Gesicht auf Jesus hinweisen soll. So haben wir ihn noch nie gesehen. Was wir sehen, ist mehr Fragment oder Ausgrabungsstück als ein göttliches Antlitz. Aber alles Wahrgenommene trifft auf Jesus zu: er ist „der Schönste unter den Menschenkindern“ (Ps 45,3), er ist für uns geschlagen worden, hat gelitten und ist am Kreuz gestorben. Die doppelte Wellenform vermag seine doppelte Natur anzudeuten: Gott und Mensch gleichzeitig zu sein. Durch dieses „menschliche Gefäß“ offenbart sich Gott den Menschen und gibt sich in seiner ganzen Liebe und Weisheit zu erkennen. Dabei tritt das Menschlich-Konkrete zu Gunsten des Symbolischen zurück.

Denn niemand von uns hat Jesus gesehen, gehört, persönlich erlebt. Deshalb ist alles Überlieferte Bruchstück, alles Wahrgenommene nur Teil eines größeren Ganzen. Aber in diesem Fragmentarischen steckt soviel Wahrheit, dass es einen Zugang möglich macht, der zu Gottesbegegnungen führt, die über das Sicht-, Hör- oder Spürbare hinausgehen.

Gottesbegegnungen, die denjenigen vieler Zeitgenossen von Jesus ähnlich sein müssen und nach dem Suchen und Zweifeln in der bekennenden Antwort gipfeln: „Denn Du bist das Licht!“

Patrik Scherrer, 17.07.2008

Alexander Hintersberger

Denn Du bist das Licht
Entstehungsjahr: 2008
Bronzeguss, 37,7 x 18,5 x 8 cm, Foto: Dionys Asenkerschbaumer
© Alexander Hintersberger
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