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Jens Henning, Sternstunde, 2024
© Jens Henning

Sternstunde

Ein Stern aus spiegelnden Scherben liegt am Boden. Die einzelnen Stücke sind sauber geschnitten, nicht gebrochen. Alle Elemente sind sorgsam angeordnet, nach außen eine saubere Kontur bildend, nach innen überlappend. Mittendrin die Silhouette einer Krippe mit dem Kopf, einer Hand und den Füßen des quicklebendigen Kleinkindes.

Verloren liegt das Kind da. Keine Eltern, keine Hirten oder Könige stehen bei ihm, niemand besucht das einsame Kind in dieser geradezu apokalyptisch zerbrochenen und zum Stern rekonstruierten Umgebung.

Der Stern ist nicht abgestürzt, sondern mutwillig wurde versucht, ihn zu demontieren. Allerdings hat er seine Gestalt beibehalten. Sein letztes Licht bringt den Scherbenhaufen wie ein Kaleidoskop zum Leuchten und macht durch das Streulicht und die Lichtreflexe an den Wänden auf das Wunder aufmerksam, das sich in seiner Mitte ereignet hat: die Geburt des Menschensohnes, eines neuen Lichts oder Sterns, Gottes Menschwerdung selbst.

Im Lichterzauber unserer Zeit leuchtet der Stern mal silbern, mal in allen Farben und feiert die Geburt des Messias wie ein abstraktes Event oder eine Bühnenshow. Doch angesichts der wie ein Minenfeld wirkenden Scherben, die jedes Nähertreten und jede Berührung schier unmöglich machen, wächst die Sehnsucht nach menschlicher Nähe und Geborgenheit, nach heilsamer Beziehung und Wärme.

Zeitkritisch klopft die Installation bei uns an und fragt: Quo vadis – Wohin gehst Du? Ist Weihnachten bei Dir auch ein stimmungsvolles Event ohne tiefergehende Bedeutung? Ist die Weihnachtsbotschaft etwa zu Bruch oder verloren gegangen? Das Idealbild der Heiligen Familie zerbrochen oder gar verschwunden? Im schwachen Licht von unten glüht die Hoffnung, dass das Bild der Heiligen Familie neu entstehen oder wie das Kind aus dem Scherbenhaufen unserer zerschnittenen Vorstellungen auferstehen wird.

„Die Hoffnung sieht, dass es trotz aller Dunkelheit ein Licht gibt.“
Desmond Tutu

 

Der Krippenstern von Jens Henning ist bis zum 26. Januar 2025 in der 84. Telgter Krippenkunst Ausstellung “Heller Stern” im RELíGIO – dem Westfälischen Museum in Telgte zu sehen.

Patrik Scherrer, 14.12.2024

Jens Henning

Sternstunde
Entstehungsjahr: 2024
Installation, Stern aus Spiegelscherben, Christkind in der Krippe aus Acrylglas, beleuchtet, 12 x 80 x 80 cm
© Jens Henning

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