Gottesbo(o)te

Sieben Boote ankern unter einem luftigen Überbau. Die Boote leuchten innen golden, den Überbau krönt die Konstruktion eines Kreuzdaches, das zum Himmel hin genau so offen ist wie seitlich in alle Richtungen.

Damit bildet der Überbau einen besonderen und geradezu sakralen Versammlungsort. In aller Offenheit wird unter dem Zeichen des Kreuzes lebendige Gemeinschaft untereinander und mit Gott gefeiert. Die Zahl sieben deutet die Vollkommenheit und Heiligkeit der kleinen Gruppe an, die sich hier zusammengefunden hat.

Die Boote sind nicht mehr befüllt mit allem möglichen Ballast, der sich im Laufe der Zeit angesammelt hat, sondern leer und frei, um etwas Immaterielles oder Heiliges in sich aufzunehmen. Ihr innerer goldener Glanz lässt darauf schließen, dass sich bereits Segen auf sie ergossen hat und sie mit Kraft und Stärke erfüllt wurden. Beladen mit ihrer kostbaren Fracht, dem göttlichen Abglanz, seinem Heiligen Geist oder Gottes Wort können sie von diesem Landungsplatz gestärkt in alle Richtungen aufbrechen, um die Botschaft von ihrer goldenen Mitte, Jesus Christus, all denen zu verkünden, die interessiert sind.

Die Sonnenboote voller Licht und Leben künden von einer österlichen Verwandlung in neue Menschen, die in dieser Welt leben und doch auch ganz aus Gott und für Gott, so wie es der Apostel Paulus den Gläubigen in Rom empfiehlt: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!“ (Röm 12,2)

Die Skulptur lädt ein, selbst zu einem von innen her leuchtenden Sonnen- oder Gottesboot bzw. Gottesboten zu werden: Am Anfang im Unterstellen unter seinen Segen und zum Beladen der geistigen Botschaft. Dann im mutigen Aufbruch zur Reise nach draußen. Dennoch auch immer wieder einkehrend zur inneren Sammlung, um das Denken erneuern zu lassen, weiterhin Gottes Willen zu erkennen und sein Bote zu bleiben. Und schließlich, am Lebensende, durch die Rückkehr, um bei Ihm einen ewigen Ankerplatz, eine schützende Heimat zu finden.

Aktuelle Ausstellung bis 1. Juni 2024 in der Galerie Kunststücke in München

Transitus

Langgezogen schwebt das Stück Holz über dem Boden. Braunschwarz hebt es sich von den hellen Steinfliesen ab. Seine unregelmäßigen Ränder erinnern an die Bewegung von Wasser und lassen es wie ein Boot dahinfließen.  Dunkel umgibt es seinen hellen Passagier – eine Hinterlassenschaft wie das Holz selbst. Abgestreift, liegengelassen, liegengeblieben. Im Fluss der Zeit gestrandet und übriggeblieben.

Das Tuch auf der Mooreiche ist hingeworfen wie ein Bettlaken nach dem Aufstehen. Auf der einen Seite hängt es von der Eiche wie auf den Boden herabfließend. Auf der anderen Seite – abgesondert – liegt ein ordentlich zusammengelegtes Tuch als Referenz auf das gefaltete Schweißtuch im Grab Jesu und verweist auf den Morgen seiner Auferstehung (vgl. Joh 20,6-7).

Es überrascht, dass das, was weich und stoffig aussieht, doch fest und fast wie versteinert ist, denn beide Tücher bestehen aus Gips. Aber weil die langgestreckte Draperie die Formen einer liegenden Person aufnimmt, tastet der irritierte Blick immer wieder sich vergewissernd darüber, ob sich nicht doch jemand unter dem Tuch befindet. Auch von der Seite betrachtet wirkt das teilweise herunterhängende Tuch wie ein im Meer Treibender, der sich mit letzter Kraft auf ein sicheres Stück Holz hat retten können und nun wie in Kreuzform zerflossen und ermattet darniederliegt.

Das Holz ist das Fragment einer Eiche, das Jahrhunderte in einem Moor oder einem feuchten Kiesbett lag und dessen Eisengerbstoffe den Stamm von innen heraus dunkel verfärbt und verhärtet haben. Auf diese Weise hat es als eine Art Fossil seinen Verfall überdauert und seine Energie in sich bewahrt. Das Holz wirkt wie eine Kapsel oder Hülle, in der das Tuch überfließendes Licht und Leben andeutet – ein Leben, das der Tod nicht vernichten konnte.

Die Skulptur erinnert an die Vergänglichkeit des Lebens, ans Sterben, den Tod, den Abschied durch das Zurückgeben an die Erde und das Einbetten in sie. Holz und Tuch erinnern an die letzte Liegestätte, in die wir unsere Lieben für ihre letzte Reise betten. Das helle Tuch atmet mit seinen bewegten Falten Licht und Lebendigkeit in der Dunkelheit des Sterbens und des Todes. Als Relikt des Übergangs erzählt es von der Entfaltung des Lebens von der Geburt bis über den Tod hinaus in ein unsichtbares, erneuertes Leben. So wird aus dem Faltenwurf des stofflichen Seins ein gefalteter Entwurf der neuen Wirklichkeit.

In der Ritterkapelle des Heilsbronner Münsters bildet die Skulptur mit ihren vielfältigen inhaltlichen und räumlichen Bezügen einen besonderen Kraftort. Inmitten der schweren rechteckigen Grabsteine der Ritter lässt sie – erst recht im Licht der Sonne leuchtend – leicht und bewegt, kraftvoll und lebendig die österliche Auferstehung spürbar gegenwärtig werden.

 

Das besprochene Kunstwerk war 2020 Teil der Ausstellung „bewegt – beflügelt – bewahrt“ im Münster Heilsbronn und dem Religionspädagogischen Zentrum Heilsbronn.

Schiffbruch der Barmherzigkeit

Ein halbes Ruderboot liegt auf vier Rundhölzern, als ob es gerade auf ihnen nach einem Schiffbruch an Land gezogen worden wäre. Es sind keine Menschen zu sehen, nur wenige Objekte, die ihre frühere Anwesenheit bezeugen. Wer um das Boot herumgehen kann, findet eine Schwimmweste, eine schwarze Puppe, einen Teddybär, einen Geldschein und eine Muschel, die wie ein Aschenbecher auf dem Bootsrand liegt. Alle erzählen nachvollziehbar von Menschen, die eine Zeit auf diesem Boot verbracht haben, von Erwachsenen und Kindern, die mit wenigen Habseligkeiten die Überfahrt in ein Land der Verheißung gewagt hatten, um sich vor Not und Verfolgung in Sicherheit zu bringen.

Doch das Boot ist leer. Es hinterlässt nur Fragen zu seinen Passagieren: Wo sind sie nun? Wer und wie viele waren es? Woher kamen sie? Konnten sie sich retten nach dem Schiffbruch? Oder sind sie ertrunken? Übrig geblieben ist nur ein Steinkreuz mit dem Gekreuzigten. Mitten im Boot mutet es befremdend an. War es vor dem Unglück schon da oder erst danach? Wie ein abgebrochener Segelmast ragt das Kreuz in die Höhe. Ein erbärmlicher Anblick. Jesus ist hier so fremd wie die Fremden. So ist er, der Gekreuzigte, mit den Gescheiterten solidarisch .

Die fehlenden Extremitäten von Jesus sind durch Metallstücke ersetzt, was ihm noch stärker eine geschundene und bedürftige Gestalt gibt. Der linke Unterschenkel ist mit einem Winkeleisen angedeutet, der linke Arm bildet eine Stange, die mit einer Kette ans Kreuz gekettet ist, sein rechter Arm wird aus einem Stahlträger geformt. Auch das Kreuz hat verschiedene „Ecken ab“. Zudem steht auf dem Schriftband über Jesus nicht I.N.R.I., sondern „STATUS QUO“ (= bestehender aktueller Zustand). Wie um klar zu stellen, dass es nun so ist, obwohl die Flüchtlinge alles daran gesetzt haben, um der Bedrohung und Verfolgung zu entkommen und in ein Land mit besseren Lebensmöglichkeiten zu gelangen..

Die Flüchtlinge haben milde Umstände erwartet, damit ihnen die Flucht gelingt: ein ruhiges Meer, Menschen, die es gut mit ihnen meinen. Sie haben auf Barmherzigkeit gehofft. Sie haben gehofft, dass die Barmherzigkeit sie wie das Boot auf dem Wasser trage und sicher ans Ziel bringe. Vielleicht steht deshalb „BARMHERZIG“ in roter Schrift auf dem blauen Bootsrand und in ägyptischer Schrift als Name des Bootes am Rumpf.

Damit wird angedeutet, dass es weniger um die Barmherzigkeit an sich geht als vielmehr um eine barmherzige Haltung und ein entsprechendes Handeln daraus. Die Motivation dafür resultiert für den gläubigen Menschen aus der biblischen Vermittlung und Selbsterfahrung, dass Gott ein barmherzig Handelnder ist, in der Gegenwart genauso wie in der Vergangenheit (vgl. Ex 34,6 par). Wir leben durch die Liebe und Barmherzigkeit Gottes und in ihnen. Sie sind die Grundlage unseres und eines jeden Lebens. In der Haltung und in den Situationen, in denen wir uns selbst für das Leben des Nächsten einsetzen, treten wir in die Liebe und Barmherzigkeit Gottes ein, handeln wir wie ER und mit IHM zu seiner Verherrlichung. Wo oder wann das nicht geschieht, erleidet seine und unsere Barmherzigkeit „Schiffbruch“. Durch das Kunstwerk wird deutlich, dass bei unbarmherzigem Handeln etwas ganz Wesentliches und Tragendes zwischen den Menschen zu Bruch geht, das man mit Vertrauen und Solidarität beschreiben könnte. Es ruft mahnend in Erinnerung, dass dabei nicht nur der Notleidende unter Umständen mit dem Leben bezahlen muss, sondern auch der Wohlhabende an Menschlichkeit verliert.

Die Installation war im Rahmen des Projektes „Da-Sein in Kunst und Kirche“ in der Kirche St. Franziskus in Regensburg-Burgweinting zu sehen.

Warten auf den Aufbruch

Ausnahmsweise finden wir keine mächtige Leuchtgestalt oder einen beschützenden Engel vor. Klein und beinahe verloren kauert er auf der Kante eines Bootes, das im Vergleich zu den anderen kleineren Booten wie ein Luftschiff in großer Höhe anmutet. So wie das Boot perspektivisch von oben gezeigt wird, müsste der Engel eigentlich seitlich herunterfallen. Doch er sitzt mit seinen angezogenen Beinen seelenruhig da und schaut von seinem „Adlerhorst“ auf das Wasser unter ihm.

Wartend, die ungewöhnlichen Zeichen beobachtend: den das Bild horizontal durchquerenden Fischzug, der in das weite Meer aufgebrochen ist, rechtwinklig dazu den mit Wassertropfen angedeuteten Regen, der aus einer prall gefüllten Wolke senkrecht durch das Bild ins Boot am unteren Bildrand fällt. „Tauet Himmel, den Gerechten, Wolken regnet ihn herab, rief das Volk in bangen Nächten“, kommt einem unwillkürlich in den Sinn. Gottes Verheißung, einen Retter zu senden, scheint nicht mehr weit von seiner Erfüllung entfernt zu sein. Es lohnt, sich vorzubereiten und sich Zeit zu nehmen, um das Kommen des Herrn nicht zu verpassen. Auch in der Nacht, denn man weiß nicht, zu welcher Uhrzeit er kommen wird.

Dem Engel gegenüber taucht das Segment eines großen Kreises auf mit labyrinthähnlichem Muster, das an eine Stadt erinnert, gleichzeitig den Verlötungen auf elektronischen Schalttafeln gleicht. Ob es als Symbol für den unermesslich großen Gott gedeutet werden darf, dessen Gedanken unserem Verständnis und unserer Einsicht verborgen sind? Der Ausschnitt dieses unerhört Anderen und Größeren strahlt ein Geheimnis aus, aber auch kommunikative Nähe. Dadurch geschieht etwas, scheint ein fruchtbarer Aufbruch stattzufinden, der das Eis teilt und schmelzen lässt. Der von diesem Aufbruch ausgehende Strom wird mit den vielen Fischen voller Leben gezeigt. Bereits erscheinen die Silhouetten von Häusern und Bäumen beidseits dieses Flusses, als wollten sie auf das paradiesische Bild anspielen, das dem Propheten Ezechiel (47,1-12) gezeigt wurde: auf den vom Tempel ausgehenden Strom, der immer mächtiger wurde. Und Gott erklärte ihm: „Wohin der Fluss gelangt, da werden alle Lebewesen, alles, was sich regt, leben können und sehr viele Fische wird es geben. Weil dieses Wasser dort hinkommt, werden (die Fluten) gesund; wohin der Fluss kommt, dort bleibt alles am Leben.“ (V 8) Das Wasser macht auch das salzige Wasser gesund, ebenso werden an seinen Ufern Bäume wachsen, die nie ohne Früchte sein werden und deren Blätter nicht verwelken, sondern als Heilmittel dienen.

Hier wird endzeitliches, göttliches Heil im Aufbruch gezeigt. Gott ist dabei, einzugreifen, sich den Menschen sehr nahe zu zeigen. Und überall Boote, auch auf den Flügeln des Engels. Ein augenzwinkerndes Wortspiel mit Bote und Booten? Die Boote sind leer, als wollten sie bestiegen werden. Sie verheißen keinen sicheren Untergrund, verlangen Geschicklichkeit und Vertrauen. Wer die Bootsfahrt wagt, wird sich auf die Strömung einlassen müssen, setzt sich dem Wind und dem Wetter aus. Die Boote sind nicht größer als Nussschalen. – Ob solch ein Wagnis nicht zu gefährlich ist? Kann ER genug Sicherheit geben? Noch ankern die Bootspaare allein auf dem Wasser. Die Flügel des Engels könnten aber andeuten, wie schnell die Wasseroberfläche mit Booten bedeckt sein könnte, wenn alle sich aufmachen würden auf das Wasser des Lebens.

Eine doppelte Erfahrung würde sie begleiten. Erstens, dass sie im Wagnis, Gott zu glauben, getragen werden. Getragen von Gott selbst, der sich als Quelle, ja als Strom des Lebens offenbart. Zweitens, dass solch ein Aufbruch nicht in die Einsamkeit, sondern in eine Gemeinschaft führt, in der sich die Menschen nahe stehen und auf dem unsicheren Untergrund des Lebens eine sichernde Solidargemeinschaft bilden.

“Gebt ihr ihnen zu essen”

Ein Einbaum und eine schwer zählbare Menge an Tellern bilden dieses Kunstwerk. Das Boot ist schmal und lang, seine Form kann als elegant bezeichnet werden. Die Teller liegen im Mittelteil des Bootes und neben dem Boot, so als würden sie aus dem Boot herausfließen oder wie von einem unsichtbaren Fischernetz gehalten ins Boot gezogen werden (Detailbild).

Eine ungewohnte Kombination! Und doch sind beides Gefäße und Transportmittel. Das Boot trägt Menschen und Waren über das Wasser. Auf dem Teller werden Speisen angerichtet und gegessen. Beide stehen im Dienste des Menschen, sei es zur Fortbewegung oder zur Nahrungsaufnahme.

In den verschiedenen biblischen Geschichten vom Fischerboot vereinigen sich die beiden Themen. Die Fischer fahren mit ihrem Boot hinaus, um Fische zum Essen zu fangen. Die Installation vergegenwärtigt diese Szene und erinnert gleichzeitig an Jesus, der Fischer in seine Nachfolge berufen hat (Mk 1,16-20). Das Boot und die vielen Teller spannen auch eine Brücke zur Brotvermehrung. Mit dem Boot war Jesus mit seinen Jüngern in eine einsame Gegend gefahren, um allein zu sein (Mk 6,30-33). Da ihnen jedoch viele Menschen folgten und Jesus sie lange unterrichtete, tauchte bald die Frage nach der Verpflegung auf. Die Jünger wollten die Menschen wegschicken, doch Jesus sagte zu ihnen: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Sie machten sich auf und fanden im Volk fünf Brote und zwei Fische, über denen Jesus den Lobpreis sprach und die sie an alle verteilten. Zwölf Körbe mit Essensresten blieben übrig (Mk 6,37-44).

Doch von dieser Fülle ist im Kunstwerk außer der Vielzahl der Teller nichts zu sehen. Die Teller vor uns sind leer. Viele liegen verkehrt herum da, wie achtlos weggeworfen. Als Betrachter bleiben wir auf unserem Hunger sitzen.

Die Frage Jesu, die er nach seiner Auferstehung am See von Tiberias an seine Jünger gestellt hatte, könnte auch an uns gerichtet sein: „Habt ihr nicht etwas zu essen?“ Die Jünger antworteten ihm damals „Nein“, weil sie die ganze Nacht nichts gefangen hatten. Es ist, als hätten sie seinen Auftrag: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ vergessen. Doch Jesus sagte zu ihnen: „Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, und ihr werdet etwas fangen.“ Sie warfen das Netz aus und konnten es vor lauter Fischen nicht wieder einholen (Joh 21,1-6). Die Vielzahl der Teller erinnert an die 153 Fische (V.11), die symbolisch für die große Zahl der Gläubigen steht, welche die Jünger für Jesus gewinnen sollten.

Die Frage Jesu an die Jünger könnte unsere Frage an die Kirche sein: „Habt ihr nicht etwas zu essen?“ Eine geistige Nahrung, welche die ausgetrocknete Seele erquickt? Eine spirituelle Nahrung, welche den Geist belebt und ihn zu neuen Taten anspornt? Unser Hunger, unser Durst ist groß.

Sollten die Teller symbolisch für uns Menschen stehen, käme dem Material Blei eine besondere Bedeutung zu. Ohne religiöse Bindung, ohne Halt wären wir in Gefahr, in dieser Welt wie Blei im Wasser unterzugehen. Das Boot „Kirche“ und seine Mannschaft, die Glaubensgemeinschaft, sind unsere Retter, unser Leben. Doch sobald wir im „Boot“ gerettet sind, gilt auch uns der Auftrag Jesu: „Gebt ihr ihnen zu essen!“