Verschüttet

Aus einer kreisförmig ausgeschütteten Ansammlung von goldenen Münzen ragen zwischen vier schräg hervorstehenden Holzbeinen die Extremitäten eines Babys in die Höhe. Auch sein Kopf ist teilweise zu sehen. Kein wärmendes Stroh bedeckt es, kein schützendes Tuch umhüllt es. Der kalte und harte Geldsegen droht das Kind zu ersticken, doch den angedeuteten Bewegungen nach lebt es noch. Die Münzenflut vermochte es nicht gänzlich zu bedecken. So taucht es in dem monetären Heiligenschein halb unter, aber auch halb auf. Die Münzansammlung erinnert an Orte wie den Trevi-Brunnen in Rom, in den Besucher Münzen hineinwerfen in der Hoffnung auf Erfüllung eines Wunsches. Was die Menschen wohl hier bewegte, Münzen zu werfen? Ihre Bitte um Frieden? Oder wollten sie sich den Frieden erkaufen?

Doch da sind noch zwei umgekippte Gefäße am Rande der Spielfläche. Beim einen rollen Weihrauchkörner heraus, beim anderen Myrrhe. Lieblos hingeworfen und ausgeschüttet. Zweifelsohne wird mit Gold, Weihrauch und Myrrhe eine Verbindung zu den Gaben der Heiligen Drei Könige geschaffen, doch ihre Präsentation ist das abstoßende Gegenteil vom Handeln der drei Weisen aus dem Osten. Diese haben vor rund 2000 Jahren auf ihrer Reise nichts von ihrer kostbaren Fracht verschüttet. Denn als sie hocherfreut beim gesuchten Kind ankamen, schenkten sie ihm ihre Gaben (vgl. Mt 2,11). Doch hier sind keine Ehrfurcht und keine Andacht zu spüren, keine Hingabe und keine Anbetung des Gottessohnes. Es ist viel Geld eingesetzt worden, um das Kind mit Reichtum zu überschütten, aber die Installation lässt nichts von der Heiligkeit des Festes, der Gottesgeburt und des Besuches der Könige spüren. Stattdessen zeigt die Installation auf schmerzhafte Weise, wie das kommerzielle Brauchtum die zentralen Inhalte des Weihnachtsfestes erdrückt und unterdrückt.

Diesen Kontrast zwischen früher und heute hebt die Assemblage hervor: Die drei Könige wussten noch, was die Geburt von genau diesem Kind bedeutet. Aus den Sternen haben sie seine herausragende Bedeutung herausgelesen. Das Außerordentliche motivierte sie, den langen und unbequemen Weg zu wählen, ihr Land zu verlassen, aufzubrechen ins Ungewisse, um das Kind zu suchen. – Heute verfügen wir über alle Informationen zu jeder Zeit, doch scheint das besondere dieser Botschaft in der Fülle an Informationen unterzugehen. Zwar dreht sich alles noch um das Kind, aber sein außergewöhnliches Wesen spielt keine Rolle mehr. Das Wünschen und Schenken haben die Hauptrolle übernommen. Dabei ist des Kindes friedliche Haltung Gold wert, seine wundersame Entstehung und sein Da-Sein voller Heiligkeit gehört mit Weihrauch geehrt, seine fragile Existenz und Wehrlosigkeit sind immer vom Tod bedroht und damit von der Myrrhe begleitet.

Die Assemblage will uns aufrütteln anders zu handeln und Jesus seinen gebührenden Platz im weihnachtlichen Geschehen zurückzugeben: Unverfälscht, wahrhaftig und ernsthaft. Motiviert durch den Glauben und die Dankbarkeit, dass Gott uns zu unser aller Rettung seinen Sohn geschenkt hat.

Lebensenergie

Geheimnisvoll steht die Stele im Raum. Über dem Sockel aus Jura-Kalkstein erhebt sich eine tiefblaue rechteckige Fläche mit den Ausmaßen eines großen Menschen. Die Kontur der Stele folgt dem natürlichen Wuchs des Baumstammes, aus dem das Brett geschnitten wurde. So ruht die Stele breit auf dem Sockel, verjüngt sich zur Mitte und weitet sich nach oben wieder.

Die blaue Fläche wie der sie umgebende Goldrand sind unregelmäßig und wirken dadurch lebendig. In der Tradition der Ikonenmalerei hat die Künstlerin die Lindenholztafel mit Marmormehl und Alabaster grundiert und sie dann beidseitig in sechs Schichten mit verschiedenen Lapislazuli-Naturpigmenten bemalt. Der mehrschichtige Aufbau als auch das tiefgründige und leuchtstarke Lapislazuli geben der Fläche eine unvergleichliche Tiefe, so dass die Tafel auch wie eine Türe oder ein Durchgang wirkt. Die natürliche kristalline Struktur des kostbaren Pigmentes lässt die Oberfläche durch hellere und dunklere Bereiche unterschiedlich intensiv in Erscheinung treten. Blattgold umrahmt das ultramarine Spiel mit Licht und Schatten und enthebt es gleichzeitig ins Unergründliche, Immaterielle, Geistige.

Formal verweist das Kunstwerk, das uns in der Lebensgröße eines Menschen gegenübertritt, auf niemanden Konkreten, es hat keine praktische Funktion. Man begegnet dem Werk wie einem großen Unbekannten mit menschenähnlichen Proportionen. Im numinosen Blau und Gold bleibt Gott wie in einem unfassbaren Anders-Sein verborgen. Doch die schlichte Gegenwart, der kostbare Aufbau und die mystische Ausstrahlung ziehen den Betrachter geheimnisvoll in den Bann und laden zum Innehalten und zur Begegnung, zur stillen Einkehr und zum meditativen Verweilen, zur staunenden Auseinandersetzung ein. In dieser Gegenüber-Stellung stellt sich die Frage, wie und wo aus dem geheimnisvollen Ganz-Anderen ein persönlicher Gott für mich wird. Was sich in dieser Begegnung mit Gott konkret erlebbar für mich herauskristallisiert und zu einer kostbaren, individuellen Lebenserfahrung wird.

Das starke Blau kann Ausgangspunkt für Gedanken an den nächtlichen Himmel und die damit verbundene Stille sein, die den Blick in die unergründliche Weite des Weltalls begleitet. Es bringt auch die geheimnisvollen Dimensionen der Meere zur Sprache. So wandelt sich die Stele zu einem Durchgang oder einer Tür, die in die Weite des Nichtdarstellbaren und Unbegreiflichen führt. Die Farbintensität des Lapislazuli lässt eine kosmische Energie erfahren, die unsere Sinne zu ergreifen, zu erheben und in die Transzendenz hineinzunehmen vermag. Eine transzendente Gegenwart, die sich in Dunkelheit hüllt und durch Treue auszeichnet, denn die Farbe Blau steht symbolisch für die Treue. Die blaue Stele vermag deshalb ein höheres Da-Sein für den Menschen darzustellen („Ich bin, der ich bin.“ Ex 3,14), das Halt gibt und als wirkmächtige Kraft eine Energie ausströmt, die wie eine Quelle unerschöpflich fließend Erfrischung, Erneuerung und Leben spendet.

Vom 22. Mai bis 25. August 2021 war LAPIS SOLARIS in der Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich zu erleben. Auf der Website der Bahnhofkirche finden Sie mehrere Videos und Meditationen zum Kunstwerk.

… dazwischen …

Ein erdfarbener Kreis aus feinster Asche markiert einen beachtenswerten Ort. In ihm findet sich der Fußabdruck eines Menschen. Es ist ein golden leuchtender Freiraum in der Wüste, eine kostbare Hinterlassenschaft, eine fast unvergängliche Spur inmitten der alles beherrschenden Endlichkeit im irdischen Kreislauf. Wie eine staubige Aura umgibt die Asche die beiden goldenen Fußabdrücke, die Zeugen einer königlichen Existenz, eines wunderbaren Lebens. Sie erinnern an die Vergänglichkeit unseres Menschseins, von dem nur Asche und Fußabdrücke übrigbleiben.

Die Gegenüberstellung von Asche und Fußabdrücken bildet ein memento mori und regt an, über den Tod hinauszudenken. Was werde ich der Nachwelt hinterlassen? Etwas Leuchtendes, zu Bewahrendes – oder etwas Verbranntes, Zerstörtes? Leben oder Tod? Wie auch immer hinterlassen wir mit unserem luxuriösen Lebensstil auf der Erde Fußabdrücke, Schritt für Schritt zerstörte Erde, ausgebeutete Natur, Asche!

War das unser Ziel? Glanz und Herrlichkeit auf Kosten der Mitmenschen und des die Erde bevölkernden Lebens? Quo vadis? Wo wollen wir hin in Zeiten des Klimawandels und der sich zuspitzenden Umweltzerstörung?

Umkehr tut Not, Umkehr, wie Jesus sie den Menschen zugerufen hat, die ihm nachfolgten: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) Eine radikale Lebenswende, die sich auf der Grundlage des Glaubens an den dreieinigen Gott im praktischen Leben auswirken muss. Dass die Fußabdrücke vom Altar wegführen und nicht auf ihn zu, deutet auf die vollzogene Wende hin. Eine von Gott herbeigeführte und bewirkte Wandlung des Lebens, weil die meisten von uns aus eigener Kraft nicht fähig sind, sich demütig klein zu machen und auf die anderen und die Natur Rücksicht zu nehmen.

„Bedenke Mensch, dass du aus Staub bist und zu Staub zurückkehrst“ wird den Gläubigen bei der Zeichnung mit der Asche am Aschermittwoch zugesprochen. „Geburt, Tod, dazwischen“ nennt der Künstler sein Werk. Geburt und Tod liegen nicht in unserer Hand, aber das „Dazwischen“. Nutzen wir es! Denn so vergänglich es auch ist, dieses Dazwischen ist das Leben und der Glanz der Ewigkeit.

Geht es nicht das ganze Leben hindurch darum, für andere Leben zu sein, ihnen Lebenswerte zu vermitteln? Das, was das Leben einzigartig, besonders und kostbar macht? Ist es da nicht naheliegend, in Jesu Fußspuren zu treten, seinem Lebenswandel zu folgen und als Abbild von IHM in meiner Zeit Vorbild ewigen Lebens zu sein?

ASCHENGOLD

Immer gibts Asche, es brennt ja in der Welt, die Welt brennt.
Sie wird also Asche und was nicht brennt, fällt zu Staub.
Aus Staub ist der Mensch und wird wieder zu Staub.
Und verweht. Dann, irgendwann, wie eben Staub.
Selbst wenn er glänzte im Gold.
Er verstaubt und verascht, Tod wird nicht Gold.
Aus Asche wird niemals das Gold.
Goldleer auch jene vom Mensch.
Der ist dann wertlos, heißt es sehr schnell.
Auch wenn er viel galt zu seiner Zeit
und im Fleisch voller Geist.

Man sagt, er ist Asche und Staub. Trotz massenhaft Gold.

Aber vielleicht liegt in der Asche noch Gold?
Und man scharrt´s aus.
Und hat Gold.
Und hat dennoch verspielt.
Man hat ja nur zeitkurz das Gold: Nur bis Asche aus Tod.

Denn keiner ist Gold. Wer wär schon goldwert und goldlang?

Gold ist brandzäh. Es bleibt liegen im Brand,
es hält die Glut aus,
es übersteht und glänzt auf und gilt neu,
es ist nicht zur Asche verhitzt.
Nicht Asche das Gold.
Es zeigt Spuren von dem, was einst war, das zur Asche verdarb.
Es bleibt Gold.

Gold verascht nicht. Und vergeht doch, es verbleicht.
Am Ende ist Nichts. Auch Gold nicht mehr da.
Selber weg. Ohne Spur. Wie verzischt.

Weg? Alles weg? Selbst das Gold und sein Wert. Und der Mensch?
Mehr wert als jegliches Gold ist der Mensch, heißt es auch:
Der Mensch, der viel eher verglüht als das Gold:
Er gilt mehr. Er ist Mensch und er lebt. Der Mensch liebt.
Er macht was aus Gold. Und verascht doch. Der Mensch stirbt.
Er ist tot – wie auch Gold.
Er ist nicht einmal Gold. Asche ist er. Und Asche wird nicht zu Gold.
Gold hält viel aus und glänzt lang. Es ist aber tot und verliert mal den Wert.

Doch der goldleere, tote Mensch lebt. Er bleibt anders als Gold. Noch im Tod.
Er ersteht. Verwandelt ist er in GOTT. Er setzt Spuren in aschigen Staub:
Gottes Spuren und Bild und Realität.

(Josef Roßmaier)

Gestaltwerdung des Geistigen

Ein Kristallmeer scheint im Raum zu schweben und aus dem Bild auf den Betrachter zuzufliegen. So dicht und undurchlässig sich die kristalline Fläche im unteren Teil des Bildes gibt, oben bricht sie auf und lässt den Blick auf einen vergoldeten Hintergrund zu. Gleichzeitig können kleine Kristalle ausgemacht werden, welche dem Bild eine außerordentliche Tiefenwirkung verleihen.

Die Raumtiefe wird durch die violette Farbe der kristallinen Formen gesteigert. In den dunklen Kristallen erscheint die Farbe verdichtet, was sie aus der Masse hervorhebt. Dies führt dazu, dass der Endpunkt des Bildes nicht die Spitzen der kristallinen Formen sind, sondern der Betrachter. Der dreifache (!) Rahmen intensiviert den Eindruck, wie durch ein Fenster hindurch in eine andere Welt zu schauen und Zeuge der Gestaltwerdung von etwas Kostbarem zu sein.

Der Goldgrund – technisch gesehen ist er als letztes auf das am Computer generierte Bild aufgetragen worden – erinnert an mittelalterliche Heiligenbilder und byzantinische  Ikonen, bei denen das Gold symbolisch für Gottes Gegenwart und Erhabenheit steht. So vermittelt das Gold auch in der Arbeit von Rainer Eisch einen kostbaren Urgrund und Ausgangspunkt. Von ihm ausgehend materialisiert und verdichtet sich das Geistige in einer neuen Gestalt, die wie ihr Ursprung von unvergleichlicher Schönheit und großem Wert ist.

Hier wird die biblische Schöpfungsgeschichte (Gen 1,1-2,2) auf eine andere, symbolische Weise erzählt. Dabei ist Gott zuallererst der lichte abstrakte Grund, aus dem sich eine wunderbare, kaum zu begreifende Ordnung herauskristallisiert, deren Ziel der Mensch ist. Eine Ordnung, die im Computer aus fast nichts geschaffen wurde, nämlich aus einem Schwarm von unendlich vielen Triakisikosaedern (aus der Familie der Catalanischen Körper), einem komplexen Polyeder aus 60 gleichschenkligen Dreiecken. Damit ist das Gold paradoxerweise das einzig Echte in der künstlichen Kristallwelt.

Immer wieder neu lässt diese Arbeit die Gedanken um das Wunderbare und Unfassbare kreisen, das wie aus kosmischer Ferne zu uns kommt und von uns bildhaft eingegrenzt versucht wird fassbar und begreiflich zu machen. Gedanken über die Undarstellbarkeit und die Größe Gottes, der von Anfang an diese Welt in einer bestaunenswerten Genialität erschaffen hat – allein und mit und durch uns Menschen.

Diese Arbeit war vom 12.9. bis 10.11.2018 in der Ausstellung Über das Geistige in der Kunst – 100 Jahre nach Kandinsky und Malewitsch in der DG in München zu sehen.

In Frage gestellt

Blickfang des Bildes ist ein runder Gegenstand, der mit einer goldenen Folie verpackt ist. Nach rechts aufsteigend drücken drei Schnüre durch die Folie durch und geben dem Paket eine leicht diagonale Bewegung. In der Mitte lässt sich ein Knoten beobachten, der wie ein Bauchnabel in den Rundungen erscheint. Trotz der Verhüllung wirkt der Gegenstand wie ein Bild, das auf einem schwarzen Quader an der Wand lehnt. Davor liegt eine tote Taube auf dem rosaroten Boden.
Das Bild wirft mit seinen rätselhaften Objekten Fragen auf: Wieso ist der runde Gegenstand verschnürt und verhüllt? Was könnte die Bedeutung der goldenen Folie und des schwarzen Podests sein? Warum stellt der Künstler eine tote Taube dar?

Bei der Betrachtung von Kreis und totem Vogel fällt ihre Gegensätzlichkeit auf. In ihnen stehen sich symbolisch Unendlichkeit und Vergänglichkeit gegenüber. Auch wird der runde Gegenstand mit der Goldfolie als kostbar und schützenswert bezeichnet, während die Taube in ihrem grau-weißen Federkleid ungeschützt am Boden liegt. Der vollkommene Kreis ist zudem oben, die Taube unten platziert. Zwischen ihnen befindet sich ein altarähnlicher Aufbau, so dass sie sich nicht berühren können.

Das eingepackte Objekt lässt nach dem darunter Verhüllten fragen. Hält es das, was durch die vollkommene Kreisform und die glänzende Goldhülle angedeutet wird? Verweist es auf etwas oder jemand Erhabenen, das oder der kostbar und strahlend schön ist, ohne Anfang und ohne Ende? Soll es wenn möglich ein Symbol für den verborgenen Gott sein, von dem es im apokryphen Thomasevangelium (83) heißt: „und sein Bild ist verborgen durch sein Licht“? – Oder ist die Inszenierung nur Effekthascherei und nichts dahinter? Eine Art Konsumaltar? Der tote Vogel davor verstärkt die Unsicherheit im Umgang mit diesem Objekt. Auch hier ist das eine genauso möglich wie das andere. Der Vogel kann geopfert worden sein – es ist allerdings kein Blut zu sehen –, er kann aber auch versucht haben, das Göttliche zu sehen und hat es nicht überlebt (vgl. Ex 33,20; 1Tim 6,16), bzw. die Begegnung mit dem vermeintlich Göttlichen hat ihm kein Leben gegeben.

Eine ganz andere Sichtweise und Fragestellung ist die nach der Kommunikation. Hat sich „Gott“ versteckt, weil er nicht mehr mit uns kommunizieren will? Selbst die Taube als symbolische Übermittlerin seiner Botschaften liegt reglos darnieder. Hat er jeden Kontakt abgebrochen, weil er nichts mehr von uns wissen will? Oder ist es vielleicht gerade umgekehrt, dass wir Menschen nichts mehr von ihm wissen wollen, ihn an die Wand gestellt haben und jeglichen Kontakt mit ihm meiden, weil seine Worte unbequem sind?

Gott offenbart sich glücklicherweise nicht nur in von Menschenhand geschaffenen Objekten. Aber diese Objekte haben die Kraft, unseren Glauben, unsere Haltung und unser Verhalten in Frage zu stellen. Damit wir innehalten, uns besinnen und uns neu auf Ihn ausrichten, der unsichtbar in allem wirkt und mit Leben und Schönheit erfüllt.

Gold, Weihrauch und Myrrhe

Warme Farben beherrschen das Bild. Goldgelb, Weiß, Gold und ein erdiges Rotbraun hüllen das Geschehen in ein festliches Kleid. Zwei Welten scheinen sich dabei zu begegnen. Die untere Bildhälfte ist durch eine intensivere Farbgebung und scharfe Konturen irdisch verhaftet, die obere kann durch ihre Bildposition, die helleren Farbtöne und verschwommenen Konturen mehr dem Himmel zugeordnet werden.

Dadurch hat die Künstlerin eine Bildtiefe geschaffen, die das himmlische Geschehen zu einer mystischen Schau werden lässt. Ein Mensch in goldgelben Farben ist in einem Kreis zu erkennen, umgeben von rauchähnlichen Aufhellungen. Erhoben und erhaben steht er da. Doch wen stellt er dar? Nur der Kopf und der rechte Arm können klar bestimmt werden. Um den Kopf lässt sich auch ein Leuchten beobachten, ein religiöses Zeichen, das zusammen mit der goldgelben Farbe auf seine Heiligkeit hinweist. Als Lichtgestalt kommt er von oben in das Bild hinein und wird die Mitte des Erdenrunds bilden. Umgeben von undefinierbaren Lichtgestalten, nimmt er die Position eines Weltenherrschers ein und darf somit als Jesus gedeutet werden.

Ihm gegenüber stehen im diesseitigen Bildteil drei Elemente mit gleichem Aufbau, jeweils aus einem stabähnlichen und einem kugelförmigen Teil bestehend. Sie könnten Menschen symbolisieren, doch ihre einfache Gestaltung, wie sie von unten in das Bild hineinragen und auf Jesus ausgerichtet sind, legen die Vermutung nahe, dass es sich vielmehr um drei gleichwertige Gegenstände handelt, die in das Bild hineingereicht werden. Ihre Geber müssen eine ähnliche Position wie wir Betrachter eingenommen haben. Doch während wir uns vor dem digitalen Abbild einer künstlerischen Wahrnehmung befinden, standen sie vor der Wahrheit selbst, dem Sohn Gottes.

Die drei Bildelemente symbolisieren also die drei Gaben der Sterndeuter bzw. Magier aus dem Osten. Die Charakteristika von Gold, Weihrauch und Myrrhe kommen besonders deutlich in der Gestaltung der Stäbe zum Ausdruck. Das Gold nimmt den zentralen Platz ein und korrespondiert mit der goldgelben Gestalt Jesu. Der Stab des Weihrauchs ist bläulich-weiß gemalt und hat eine rauchig-transparente Gestalt. Der Stab der Myrrhe befindet sich links im Bild und trägt mit klaren Konturen die symbolischen Farben violett und schwarz.

Über diesen Stäben schweben kreisförmige Elemente, welche die Symbolik von Gold, Weihrauch und Myrrhe weiterführen. So kann die zweiteilige Scheibe über dem Gold, die hintergründig durch eine weitere zusammengehalten wird, für die Doppelnatur des Neugeborenen stehen. Der Reichtum und die Herrlichkeit, die durch das Gold zum Ausdruck kommen, gründen darin, dass er als Mensch die Größe Gottes offenbart. Dieser Kreis steht durch seine Helligkeit der Sonne und ihrem Licht nahe. Die horizontale Bewegung im Kreis mag auch symbolisieren, dass Gold beim Menschen für den Geist und das Denken steht.

Das Element über dem Weihrauch nimmt die Bewegung des Rauchs auf. Es besitzt in der Spiralbewegung etwas Verbindendes, das aus zwei gegensätzlichen Welten eine einzige entstehen lässt. Weihrauch steht für das Leben und dient der Gottesverehrung. Als solches ist es in feierlichen Gottesdiensten zu sehen und zu riechen. In Bezug zum Menschen steht es symbolisch für die Seele und das Fühlen.

Die Kreisscheibe der Myrrhe gibt sich haptisch materiell aus Papier. Das Element hat farblich etwas vom Gold, ist aber in seiner Beschaffenheit vergänglicher und unvollkommener Natur. Da die Myrrhe als Medikament angewendet wird und bitter schmeckt, wird es dem menschlichen Körper und Willen zugeordnet. In dem Sinne steht es für Leiden, Vergänglichkeit und Tod.

Wie in den biblischen Quellen (Mt 2,1-12) stellt das Bild den Besuch der drei Weisen aus dem Morgenland und ihre Gaben in den Mittelpunkt, nicht aber die Magier selbst. Über sie selbst erfahren wir nur, dass sie den Stern gesehen haben, ihm gefolgt sind, beim Anblick von Jesus mit „sehr großer Freude erfüllt“ niederfielen und ihm huldigten. Was sie damals gemacht haben, danach sollen wir heute handeln. Heute sind wir eingeladen, die Zeichen Gottes zu erkennen und ihnen zu folgen, um in der Begegnung mit Jesus von „sehr großer Freude erfüllt“ zu werden und ihn zu ehren. Die drei Geschenke im Bild bleiben für jeden Besucher griffbereit. Im Geist kann er sie ergreifen, sie mit einem eigenen Wert zu einem kostbaren Geschenk machen und Jesus darbringen.

Bereit

Mosaikartig gruppieren sich die verschiedenen Farbfragmente um die goldene Mitte. Über den erhöhten Rahmen fließen sie gleichsam in die Tiefe des zurückversetzten Mittelfeldes hinein.

In seiner Erscheinung und durch die Verwendung der kostbaren Naturpigmente erinnert das Bild an die Ikonen der Ostkirche. Nur sind in diesem Bild keine biblischen Szenen zu erkennen. Die Künstlerin blieb abstrakt. Dennoch … die Kraft der Farben wirkt im Kontrast zum Goldgrund und der perlenweißen Kontur, die sich in einem großen malerischen Gestus durch das Mittelfeld des Feldes zieht.

Die Farben und Formen deuten an, lassen vor dem geistigen Auge Bekanntes erscheinen und verhüllen es gleichzeitig geheimnisvoll (vgl. 2 Kor 13,12). Der weiße Pinselstrich lässt die Silhouette eines Kopfes im Seitenprofil sehen. Das Kinn leicht erhoben, schaut die Person nach rechts. Vom goldenen Grund durchdrungen scheint ihr Blick gar in die Ferne zu schweifen.

Eine Sehnsucht nach Hinwendung spricht aus den Farben und aus dieser Kopfhaltung. Eine Sehnsucht, sein Leben Gott, für den die goldene Farbe Symbol sein kann, hinzugeben, damit er es mit seiner Gnade füllen kann. Der Psalmist schreibt: „Mein Herz ist bereit, dein Gesetz zu erfüllen bis ans Ende und ewig.“ (Ps 119,112) Ein solches, von Gott durchdrungenes Leben wäre dann gewissermaßen vergoldet, erfüllt, geglückt. Strahlt sein Mund nicht ein zufriedenes Lächeln aus?

Wie als Antwort taucht aus dem vom weißen Pinselstrich eingerahmten Goldgrund ein weiteres Gesicht auf, das in die Gegenrichtung aus dem Bild herausschaut. Sind es die Augen, die Nase, der Mund des Auferstandenen, die uns barmherzig aus Gottes Herrlichkeit heraus anschauen, unserer Sehnsucht begegnend und ihr Halt und Ziel gebend?

Dieses Bild schenkt Zuversicht: Wir sind auf unserem Erdenweg nicht allein. Aus dem Bild spricht eine malerische Übersetzung der wunderbaren Worte, die Paulus zur Ermutigung an die Römer (8,18-19.22-30) schrieb: „Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. … Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld. So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können. Und Gott, der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein. Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind; denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei. Die aber, die er vorausbestimmt hat, hat er auch berufen, und die er berufen hat, hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.“