Begnadeter Ein-Klang

Gott zu loben und zu preisen muss König Davids zweite Natur gewesen sein. Von den gut 150 biblischen Psalmen werden knapp die Hälfte ihm zugeschrieben. In einem einfachen roten Gewand und einer Krone auf dem Kopf spielt er mit erhobenen Händen auf der geschulterten Harfe. Barfuß steht er im nächtlichen Mondschein vor Gott, demütig alles von Ihm erwartend. Er weiß als Geliebter Gottes (David bedeutet im Hebräischen: Geliebter), dass sein Königtum unverdient, reine Gnade, Geschenk ist.

Erich Schickling hat David als einen von Gott Ergriffenen, mit seinem Geist Beseelten, Beschenkten und Gesalbten dargestellt, der als Auserwählter nicht anders kann als in Seinem Auftrag zu handeln und Ihn zu verkünden.

Feuerszungen fallen hinter David vom Himmel, die Linien bis in die Beine fortführend, die Arme emporhebend, das Instrument ins Licht haltend, damit das Licht selbst die Saiten zum Klingen bringe im Einklang mit dem menschlichen Handeln. Der Mensch im Einklang mit Gott wird ganz durchsichtig auf Ihn und Er wiederum für uns Menschen. So geht ein sonnengleiches Leuchten von diesem Harfenspiel aus, eine Ausstrahlung mit großer Verwandlungskraft. David selbst ist das beste Beispiel dafür: sein rotes Kleid ist Ausdruck der Kraft Gottes, in der er selbst Feuer und Flamme für Gott ist.

„David weiß sich von der Melodie des Lebens, von Freude und Leid gleichermaßen geführt und getragen. Und er muß singen und danken und musizieren! Selbst als er in Sünde fällt, tief bereut und seinen ersten Sohn verliert, weil er sich die Bathscheba (hebräisch: „Tochter der Sieben“, d.h. Tochter der Schöpfung) genommen und deren Mann Uriach in den Tod geschickt hat, hört er nicht auf, Gott zu preisen. Und Gott schenkt ihm den Sohn Salomo, dessen Name heißt: der Vollkommene, der Friedensbringer.“ (Erich Schickling)

So wie der Anblick der „sehr schönen“ Batseba  (vgl. 2 Sam 11; 12,24) das Leben von David tiefgreifend verändert hat, geschah es auch mit der unerwarteten Salbung durch den Propheten Samuel. Schickling hat das Ereignis als drittes wichtiges Momentum im Leben Davids neben ihm im Hintergrund dargestellt. „Da sagte der Herr: Auf, salbe ihn! Denn er ist es. Samuel nahm das Horn mit dem Öl und salbte David …“ (1 Sam 16,12f) Der von Gott geführte und deshalb rot gekleidete Samuel gießt das Öl über dem knienden und mit gekreuzten Armen seine Demut zeigenden David aus. Schafe deuten an, dass er von der Herde weg zu einer größeren Hirtentätigkeit berufen wurde. Schickling hat die Szene unter einen Baum wie in einer Grotte verortet, dessen Krone wie die Finger einer schützenden Hand über dem Geschehen wirkt: „Und der Geist des Herrn war über David von diesem Tag an.“ (1 Sam 16,13)

Erich Schickling hat die herausragende Gestalt nicht nur in bildfüllender Größe dargestellt, sondern auch als Menschen, der in der Gnade Gottes über sich hinauswachsen durfte zu einem ganz besonderen Menschen auf dieser Erde. So fließt der gelbe Lichtstrom der Gnade von Gott-Sonne-Mond aus über die „Segenshand“, das Horn und das Öl durch den knienden David und entfaltet als Spur seiner Schritte links unten auf dem Erdenrund, auf dem er steht, als auch im Handeln im Einklang mit Gott seine Wirkung. Die Gnade gemäß Gottes Wort „kehrt nicht leer zu mir zurück, ohne zu bewirken, was ich will, und das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe.“ (Jes 55,11)

Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen.
Erzählen will ich von all seinen Wundern und singen seinen Namen.
Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen.
Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir. Halleluja!
Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir. Halleluja!
(GL 400, EG 272)

 

In der Zusammenschau dieses Hinterglasbildes mit Texten von und über Erich Schickling lässt sich erahnen, wie sehr sich auch der Künstler als Berufener, im Auftrag Gottes Stehender verstand. Deshalb gleich einem Nachklang folgende Zitate:

„Denn trotz seines Brennens für die Malerei in ihrer ganzen Sinneshaftigkeit und seines immensen Fleißes war eine „L‘art pour l‘art“ Erich Schicklings Sache nicht. Ihm ging es um den Inhalt, er hatte eine Botschaft. Und die wollte, ja musste er mit anderen teilen. Der hat er sich selbst unterstellt. Und dafür wollte er sich von den größten Geistern seiner Zeit wachrütteln lassen, diesen Hunger nach Erkenntnis zu nähren, nach oben zu blicken, sich am Wahrhaften und Göttlichen abzuarbeiten, dies war sein immerwährender Antrieb: im Malen, im Pflanzen, im Bauen, im Sprechen.“ (Ulrike Meyer, Katalog 5, S. 5)

„Wer immer ES begegnet, wird auf einen Menschen treffen, der in ungewöhnlicher Weise erfüllt ist vom Mysterium des Glaubens, dem Wunder der Schöpfung, dessen Herz davon voll ist und dessen Mund davon überfließt.“ (Lydia Maidl, Katalog 5, S. 8)

Seine Bilder seien „nicht ersonnen, nicht geschaffen, nicht komponiert, vielmehr ihm geschenkt worden“, pflegte Erich Schickling zu sagen. (Katalog 5, S. 32)

Link zur Erich-Schickling-Stiftung bei Ottobeuren im Allgäu

ER!

Eine halbgeöffnete Hand und wenige Worte bilden im Zentrum des Glasfensters von Angelika Weingardt – über dem Taufstein in der evangelischen Ulrichskirche von Weissach – den geheimnisvollen Hinweis auf einen unsichtbaren Dritten. Von oben nach unten führt die Bewegung des zweigeteilten Textes „es kommt einer nach mir“ – „der vor mir war“ (Joh 1,30) zwischen den beiden Hauptdarstellern hindurch. Die fotografische Wiedergabe von Menschen in einfacher Kleidung unserer Zeit weist auf eine Vergegenwärtigung des Geschehens zur Zeit Jesu hin. Trotz ihrer realistischen Präsenz entziehen sich die beiden Personen einer eindeutigen Identifikation durch die vom Bildrand verdeckte Hälfte. Dennoch kann über die geöffnete, „sprechende“ Hand und die räumliche Nähe der Worte zur größeren, bärtigen und älteren Person diese als Johannes der Täufer gesehen werden. Durch seine hinweisende Hand ist er als der Handelnde ausgewiesen. Seine rötliche Aura könnte auf den roten Sand der Wüste oder vielmehr auf seine Be-Geist-erung für die Sache Jesu deuten. Sein Gegenüber hingegen wird durch die schwarzgraue Kleidung und die in sich gekehrte Haltung als Empfangender und durch die blaue Aura vorrangig auch als ein durch die Taufe neu in die Glaubensgemeinschaft Eintretender dargestellt.

Die Worte des Täufers rufen also die Taufsituation in Erinnerung und man ist versucht, Jesus personifiziert in der Gestalt des jungen Mannes zu sehen. Doch die Worte des Täufers stellen Jesus als den Größeren und Wichtigeren unsichtbar und unmittelbar an die Seite des Täuflings. Dieser wird auf den Namen des Gottessohnes getauft werden, „der ist, der war und der kommt“ (Offb 1,8). Somit verweist der zweite Teil der Johanneischen Worte, dass der Nachfolgende schon vorher existent war, auf das nicht mit dem Verstand zu entschlüsselnde Geheimnis der überzeitlichen Omnipräsenz Jesu, an dem der Getaufte teilhaben wird.

Die diffus und mit niedrigem Horizont angedeutete Landschaft zwischen den beiden Männern lässt einen Baum erkennen und dahinter einen See. Das lässt die beiden Männer schwerelos erscheinen und erhebt sie in eine überirdische Sphäre. Ihre Köpfe ragen denn auch in das klare Weiß des Himmels, als wolle damit ihre geistige Verwurzelung in Gott als Quelle ihres neuen Lebens betont werden. In der pfeilförmigen weißen Erscheinung im Rundbogen des Fensters ist man versucht eine unauffällige Taube als Symbol für den Heiligen Geist zu sehen. Stärker jedoch verbindet ein gelber Bogen ihre Köpfe. Er wirkt als Licht- und Kraftbogen einer geistigen Verbundenheit, der im Dreiklang mit den geheimnisvollen farblichen Auren gleichzeitig die göttliche Dreifaltigkeit anklingen lässt: Rot: Vater/Liebe. Blau: Sohn/Glaube und Treue. Gelb: Heiliger Geist/Hoffnung und Erleuchtung. Denn Getauft-Werden bedeutet: Aufnahme in die ganze dreifaltige Wirklichkeit.

Die beiden ausgestreckten Finger des Täufers bleiben bei all diesen Gedanken präsent. Der Daumen weist auf den Täufling und alle Getauften, der Zeigefinger auf die Worte „der vor mir war“ am unteren Rand des Fensters, um allen in Erinnerung zu rufen, dass die Taufe ein Geschenk, der Glaube an Gott eine Gnade ist und wir wie Johannes nicht würdig sind, die Riemen seiner Sandalen zu lösen (vgl. Joh 1,27). Die zeigende Hand ist der Hinweis, wachsam zu sein auf sein Kommen. Denn: „Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt“ (Joh 1,26b). Doch Johannes der Täufer hat den Gottessohn erkannt und ihn uns gezeigt, damit ER durch seinen Heiligen Geist in unserem Leben für alle Menschen sichtbar offenbar wird.

Geisteskraft

Eine eruptive Stichflamme bestimmt dieses Bild. Sie bricht aus dem dunklen kantigen Teil des Bildes hervor und gestaltet lebendig die Bildmitte. Sie ist der helle Mittelpunkt im dunkleren Umfeld. Sie ist das Licht in der Nacht, die unbändige Kraft in der lähmenden Kälte der Erstarrung.

Der abstrakte Aufbau des Bildes lässt keine zeitliche oder örtliche Zuordnung des Geschehens zu. Einzigartig und gleichzeitig unendlich steht es im Raum des sich stetig erneuernden Geschaffenen.

Es ist eine Urkraft zu spüren, die wie bei einem Vulkanausbruch aus der Tiefe kommend gewaltige Massen zu bewegen und zu verändern vermag. Mit den warmen Gelb- und Rottönen wird eine kraftvolle Energie angedeutet, das verdeckte Licht lässt ahnen, dass sie im Verborgenen agiert und der große Widerschein verweist auf ihre übergroße Wirkung.

Das Bild erinnert an Auferstehungsbilder, in denen sich Christus in hellem Glanz aus dem Grab erhebt. Vielleicht soll in dieser Assoziation aufleuchten, dass Jesus nach der Auferweckung von den Toten seinen Jüngern den „Heiligen Geist“ geschenkt hat (Joh 20,22), und „die Verheißung“ seines Vaters in Erinnerung rufen, dass „die Kraft aus der Höhe“ sie erfüllen wird (Lk 24,49). Schemenhaft und subjektiv meint man eine formatfüllende rundliche Form zu erkennen, die oben links eine Doppelung aufweist. Ob in diesen beiden “Köpfen” Vater und Sohn gesehen werden dürfen, die uns aus ihrer göttlichen Einheit heraus ihren Geist senden, damit wir mit ihnen eins werden? – So gesehen erscheint das Bild wie eine moderne Dreifaltigkeitsdarstellung!

Gleichzeitig darf das Licht in der Bildmitte mystisch spirituell auf uns gedeutet werden:  Der Heilige Geist ist ein Geschenk Gottes an alle Menschen, um aus einer intensiven Verbindung mit Gott unsere Beziehungen zu Ihm, den Mitmenschen und der ganzen Schöpfung zu gestalten. So ist es der Heilige Geist, der in dieser Verbundenheit in unseren Geistesblitzen aufleuchtet und der überall wirkt, wo wir geistesgegenwärtig seinen Impulsen folgend handeln. Der Heilige Geist stärkt unsere Begabungen, er brennt in unserer Leidenschaft und befeuert unser Engagement für das Gute.

Wie das Magma im Innern der Erde glüht der Heilige Geist in uns. Wir sind wie Vulkane, durch die seine erneuernde Lebenskraft fruchtbar in unsere Lebenswelten einfließen will. Das geschieht die meiste Zeit still und unbemerkt, doch es gibt auch gewaltige Ausbrüche und Manifestationen, bei denen große Veränderungen und Wandlungen bewirkt werden. Die schöpferische und erneuernde Kraft des Heiligen Geistes wird oft unterschätzt. Sie vermag Welten zu bewegen und in einem stetigen Prozess zu erneuern. Die gleiche Kraft Gottes ist in uns aktiv, belebt und erneuert uns unablässig. Sie ermutigt, stärkt, tröstet und fördert unseren Geist und unsere Kräfte in einem uns angemessenen Maß. Zum einen durch den Glauben, dann durch die Hoffnung, vor allem aber durch die Liebe.

 

1. Der Geist des Herrn erfüllt das All
mit Sturm und Feuersgluten;
er krönt mit Jubel Berg und Tal,
er lässt die Wasser fluten.
Ganz überströmt von Glanz und Licht,
erhebt die Schöpfung ihr Gesicht,
frohlockend: Halleluja.

2. Der Geist des Herrn erweckt den Geist
in Sehern und Propheten,
der das Erbarmen Gottes weist
und Heil in tiefsten Nöten.
Seht, aus der Nacht Verheißung blüht;
die Hoffnung hebt sich wie ein Lied
und jubelt: Halleluja.

3. Der Geist des Herrn treibt Gottes Sohn,
die Erde zu erlösen;
er stirbt, erhöht am Kreuzesthron,
und bricht die Macht des Bösen.
Als Sieger fährt er jauchzend heim
und ruft den Geist, dass jeder Keim
aufbreche: Halleluja.

4. Der Geist des Herrn durchweht die Welt
gewaltig und unbändig;
wohin sein Feueratem fällt,
wird Gottes Reich lebendig.
Da schreitet Christus durch die Zeit
in seiner Kirche Pilgerkleid,
Gott lobend: Halleluja.

Maria Luise Thurmair, GL 347 / EG 554

Link zu allen Pfingstbildern der Künstlerin

Pfingstfeuer – Geistes-Gegenwart

Raumfüllend und menschenbewegend durchweht ein feuriges Geschehen das Bild. Es wird von einer Person am unteren Bildrand wie von einem Docht gehalten. Diese Person steht zwischen Leben und Tod, denn links liegen Menschen in der bogenförmig angelegten Dunkelheit, rechts stehen die Menschen als Auferstandene in einem Bereich, in dem sich das Dunkle bereits aufzulösen beginnt. Der Mann steht schief, aber stark zwischen diesen beiden Existenzformen. Die gelbe und die rote Farbe zeichnen ihn als Auferstandenen, als alle überragenden Mann des Lichts und der Liebe, als Vermittler zwischen Himmel und Erde.

Über seinem Haupt steht eine weitere malerisch nur angedeutete Menschengruppe dicht beisammen. Sie bildet im Gegensatz zu den anderen beiden Gruppen eine neue Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die durch einen gemeinsamen Geist geeint zusammensteht in guten und in schlechten Zeiten. Das über diesen Menschen lodernde Feuer tragen sie wie einen in Flammen stehenden hohen Hut. Die vom Wind angetriebene Feuersbrunst brennt lichterloh und scheint wie ein tobender Waldbrand alles zu verzehren. Das kraftvolle Rot und Gelb zeugt von der ungeheuren Dynamik des Geschehens, doch dazwischen sind blaue und grüne Stellen auszumachen: Zeichen der Hoffnung, des Wachstums, der Verwandlung und des Neuanfangs.

„Wenn der Geist sich regt“, wird uns Menschen eine Kraft zugesprochen, die das Menschenmögliche übersteigt und in göttliche Dimensionen führt. Durch den Titel verbindet die Künstlerin ihr Bild mit dem jungen geistlichen Lied von Norbert Weidinger:

Wenn der Geist sich regt, der Leben schafft,
unverständlich noch, doch voller Kraft.
Überwindet mutig die Distanz,
stehet auf und reicht die Hand zum Tanz.

Kv: Füllt den neuen Wein nicht in die alten Schläuche,
zwängt die junge Kirche nicht in alte Bräuche.

Öffnet Herz und Ohren weit dem neuen Klang,
schöpfet Mut für euren Glauben, seid nicht bang.

Wenn der Geist sich regt und Feuer legt
und verbrennen will, was ihr noch pflegt,
gebt ihm Raum, errichtet nichts, was trennt
Feuer warf er auf die Erde, dass es brennt.

Wenn der Geist sich regt, ein Sturm aufzieht,
in die Segel bläst, reißt alles mit,
springt ins Boot und helft dem Steuermann,
dass mit voller Kraft es vorwärts gehen kann.

Das Lied fordert zu einer Erneuerungsbewegung auf, welche bereit ist, das Alte zurückzulassen, um mit dem Steuermann Jesus zu neuen Ufern aufzubrechen. So kann das feurige Geistgeschehen auch als Segel des bogenförmigen Bootes gesehen werden, in dem Jesus Mast und Steuermann zugleich ist. Wir sind aufgerufen, zu ihm ins Boot zu springen, ihm zu helfen, indem wir uns Gottes Geist öffnen und dank seiner Geistes-Gegenwart in bislang verfahrenen Lagen situativ das Richtige tun. So kann Gott durch uns wirken und Großes vollbringen. So kann Gott das Wirken seines Sohnes durch uns fortsetzen (vgl. Joh 14,26), weiter an seiner Kirche bauen und über sie hinaus von seiner Geistes-Gegenwart Zeugnis ablegen.

Göttliche Kraft

Ein kreisrundes Relief (Tondo) schwebt in einem quadratisch gefassten Bildraum. Das rote Objekt wird von einem schmalen grünen Schein umgeben. Seine Oberfläche ist zum einen mit einer Quadratstruktur, zum anderen mit grauen Schattierungen gestaltet. Gegensätze sind hier harmonisch vereint und mit einer Spannung erfüllt worden, wie sie dem Leben eigen sind.

So erscheint das Tondo geometrisch rund, obwohl der Rand unregelmäßig gestaltet ist. Er hebt und senkt sich leicht und bewegt sich wie bei einem Blumenblatt organisch frei einer zugrundeliegenden Kreisform folgend. Diese freie Lebendigkeit durchwirkt das ganze Tondo. Es gibt gerade Kanten und Strukturen bei den Quadraten auf der Oberfläche, aber das Tondo selbst ist eine aus fast unendlich vielen kleinen Bewegungen heraus durch und durch bewegte Form, die dadurch belebend, ja fast lebendig wirkt.

Die rote Farbe verstärkt diese vitalen und kraftvollen Grundbewegungen. Es ist ein warmes Rot, das nicht heiß oder verbrennend wirkt, sondern das wie ein Feuer Wärme ausstrahlt und Geborgenheit schenkt. Das intensive Rot mag an das Feuer der Liebe zu erinnern, aber es kann auch das in unseren Körpern pulsierende Blut versinnbildlichen. Das Rot ist kraftvoll, tragend, ausdauernd, ruhend, zurückhaltend. Es ist ein Rot der Mitte, ein Farbton der zentriert, Kraft gibt und gut tut.

Seine Oberfläche bedecken geheimnisvolle Quadratreihen, die geradlinig das Rund queren. Wie eine Erscheinung treten sie mal stärker, mal schwächer aus dem wolkigen grau-roten Grund hervor. In der Kreisform, die keinen Anfang und kein Ende aufweist und deshalb gerne als Symbol für die Ewigkeit und für Gott verwendet wird, können die Vierecke als Zeichen für das Irdische gedeutet werden: Die Erde hat vier Himmelsrichtungen, sie besteht von alters her aus den vier Elementen Wasser, Erde, Feuer und Luft. Während das Quadrat, welches das Tondo umgibt, auf der einen Seite liegend ruht, stehen die Quadrate im Tondo durch ihre diagonale Anordnung dynamisch auf einer Ecke, aber wirken durch ihre Gruppierung doch fest gefügt. So kann das „unendliche göttliche Leben“ mitten in der irdisch gefassten Welt gesehen werden. Gleichzeitig nimmt die feurige Mitte „Elemente der Welt“ in sich auf und scheint sie im „Feuer der Liebe“ zu reinigen und zu beleben.

Als zweites bzw. neben der Farbe drittes gestalterisches Element überziehen silbrig-graue Schattierungen die Schauseite des Objekts. Aus der Nähe zeigen sie sich als ein Netz von Bleistiftstrichen, das sich über die ganze Fläche spannt und in sie so eingezeichnet bzw. mit Graphit eingraviert wurde, dass die Oberfläche einen hautähnlichen Charakter erhält. Mit jedem Bleistiftstrich wurde dem Objekt von Menschenhand Zeit eingeschrieben, mit jedem Srich alterte die einst glatte Oberfläche und wurde mehr und mehr zu einer Außenhaut, die vom Leben und der mit Tätigkeiten erfüllten Lebenszeit kündet.

Faszinierend bleibt der grüne Schein rund um das Tondo herum. – Ist er gemalt? Verbirgt sich hinter dem Tondo eine grüne Lampe? Was soll er aussagen? Ist er so etwas wie ein „Heiligenschein“? Oder könnte er auch ein Schatten sein? – Weil die grüne Farbe im Farbkreis die Komplementärfarbe von Rot bildet, kann diese uns auf die Spur bringen, dass die Rückseite des Objekts mit einer leuchtend grünen Farbe bemalt ist. Durch den Abstand zur Rückwand vermag das seitlich eindringende Licht die grüne Farbe auf dem weißen Hintergrund zu reflektieren – und so über das Kreisrund hinaus einen immateriellen „Schein“ zu bilden, der auf etwas Unsichtbares, Heiliges verweist.

Ob das künstlerisch gestaltete Kreisrund nun als Symbol für den Heiligen Geist gesehen wird, bleibt dem Betrachter überlassen. Doch so, wie das Objekt durch die kreative Bearbeitung der Künstlerin gestaltet und mit Leben erfüllt wurde, und wie die Kreisform mit den Vierecken im Dialog steht, verweist das Tondo auf eine schöpferisch wirkende, lebensspendende göttliche Kraft.

Anna Selbdritt

In warmen Farben offenbart sich dem Betrachter dieses Fensters eine geistige Schau. Von goldgelbem, geradezu göttlichem Licht umgeben und durchdrungen lebt das Glasfenster von dem großen, ruhig bewegten und fließenden Element, welches in seinem Inneren eine statische Personengruppe beherbergt.

Der Darstellung liegt ein aus dem 14. Jahrhundert stammendes Andachtsbild zu Grunde – Anna Selbstdritt (Anna zu dritt) –, das die heilige Anna als Mutter Marias und Großmutter Jesu zeigt. Stets hält sie als Erwachsene das Jesuskind und eine kindlich dargestellte Maria in ihren Armen und bietet ihnen mütterlichen Schutz. Frontal und sitzend dargestellt kommen bei ihr herrschaftlich bzw. „frauschaftlich“ gütige Fürsorge und Beständigkeit zum Ausdruck. Mutter bzw. Großmutter wird und bleibt man (bzw. frau) für alle Zeiten.

Den Jüngeren wird die Darstellung der Anna Selbdritt nicht mehr so bekannt sein. Meist trat sie als geschnitzte Skulptur oder als Andachtsbild mit einer neutralen Landschaft im Hintergrund in Erscheinung. Im Glasfenster von Christina Simon werden die drei Personen jedoch in einen Kontext gestellt, aus dem das göttliche Wirken stärker zur Geltung kommt. So sind die drei Personen in einem erdigen Braun dargestellt, während sie von gelb-weißem Licht umflutet werden, das seine höchste Konzentration in der weißen Aussparung oberhalb der drei Köpfe erreicht.

Breit und unerschütterlich nimmt die heilige Anna den Platz in der Mitte ein. Ihre Grundform bildet ein Dreieck. Auf ihren Knien sitzen rechts ein Mädchen – Maria –, links ein nackter Knabe – Jesus. Beide sind im Seitenprofil zu sehen, sich gegenübersitzend, einander anschauend und die Hände reichend. Dabei ist Maria nur minimal größer dargestellt. Das scheint von Bedeutung zu sein und zum Nachdenken anregen zu wollen, denn auf vielen alten Darstellungen ist der Größenunterschied zwischen Mutter und Kind dadurch ausgeglichen, dass der kleine Jesus auf Annas Schoß steht.

Die Künstlerin schreibt dazu: „Das Physiognomie und Gestik beschreibende Linienspiel innerhalb der Figuren verweist auf das familiäre Geflecht und gleichzeitig in seiner Dreiheit auf das zentrale Mysterium des Christentums, die Dreieinigkeit. Drei Generationen stehen auf unterschiedliche Art und Weise zueinander in Beziehung. Der Enkel im kindlichen Spiel mit seiner mädchenhaft wirkenden jungen Mutter, die wie eine Schwester erscheint. Die alte Großmutter mit ihrem wachen und behütenden Auge und ihrer Verantwortung den Kindern gegenüber. Familiäre Bindung wird durch das vom Himmel herabfließende Tuch, das die Figurengruppe umhüllt und diese wie in einer Gondel über die irdischen Zeiten hinaus trägt, in die geistliche Sphäre gehoben. Hier verweist das Tuch als ein Medium zwischen Himmel und Erde auf die Verbindung von Geist und Fleisch.“

Es ist, als würde sich der Himmel öffnen, um Geschenke in das (Welt)Bild einströmen zu lassen. Mit fließenden Bewegungen öffnet sich das Tuch nach den zopfartigen Windungen, um in seiner höhlenartigen Mitte ein Geheimnis freizugeben: die unveränderlich gültige Grundstruktur für gelingendes menschliches Zusammenleben: der Zusammenhalt zwischen den Generationen in Liebe und gegenseitigem Respekt.

Bei weiterem Nachdenken kann man über die Darstellung der Anna Selbdritt hinausgehend einen Bogen durch die Heilsgeschichte schlagen. Dann steht Anna sinnverwandt für das Prinzip des Lebens, für die Liebe, ja für Gott selbst. Dann kann die ikonenhafte Darstellung auch den Erschaffungsmythos der ersten Menschen mit dem schöpferischen Ursprung des neuen Adams und der neuen Eva verbinden – Ehrentitel, welche die mittelalterlichen Theologen für Jesus und Maria verwendeten. Und auch in diesem Zusammenhang wurde Anna angerufen als Hüterin und Fürsprecherin für Familie, Volk und Kirche.

Flyer mit den Abbildungen aller drei Fenster in der St. Anna-Kirche in Pettstätt und Beschreibungen der Künstlerin

Der verheißene Nachfolger

Ein gewaltiges, in mehreren Schichten aufgetragenes Geschehen scheint das Bildformat sprengen zu wollen: Im Vordergrund ein feuriges Wolkenband, das diagonal die Bildfläche durchzieht. Dahinter eine weiße Kreuzform, die mächtig die ganze Höhe und Breite des Papiers einnimmt. Noch hebt sie sich mit harten Kanten vom blauen Hintergrund ab oder wird von diesem rechts unten teilweise umfangen. Noch steht sie in ihrer gedrungenen Form, die auch einen stehenden Menschen in ihr sehen lässt, da.

Doch das Kreuz hat seine Macht verloren. Bereits hat Licht seine Oberfläche erfasst und die schwarze Dunkelheit an den Rand gedrängt. Gleichzeitig werden durch das Feuerband die schwarzen Überreste in seiner Mitte verglüht, die Kreuzgestalt in die zweite Reihe geschoben und in einen linken unteren und einen rechten oberen Teil aufgelöst.

So sind von diesem Kreuz nur noch Fragmente übrig, die allerdings durch unser Auge als Ganzes wahrnehmbar sind. Doch die Feuerbahn durchkreuzt es und lässt uns die neue Wirklichkeit spüren: die göttliche Kraft, die bereits alles Dunkle und Schwere vom Kreuz genommen und es auferstehungsleicht gemacht hat. Erich Krian schreibt dazu: „Das lässt uns das Kreuz als erneuerbare Freude begreifen. Das anfänglich Unmögliche bricht auf. Das anfänglich Unglaubliche schafft stillen Glauben.“

Das Feuerband lässt uns die Kraft des Heiligen Geistes wahrnehmen, welche die Welt durchweht und verändert. Sie erscheint in einer zeitlichen Reihenfolge zum Kreuz, ja in der Nachfolge, wie Jesus sie in seinen Abschiedsworten angesprochen hat (vgl. Joh 14,16-27).

Und das Feuerband lässt erahnen, wie kraftvoll Gott das im Zeichen des Kreuzes wie gescheitert aussehende Wirken seines Sohnes fortsetzt. Blockierte Herzen werden zu neuem Leben erweckt und fassen Zuversicht, blinde Augen sehen alles in neuem Licht, stumme Zungen bewegen sich und die ganze Welt, weil sie mit begeisterten Worten das Unerhörte verkünden.

Gottes Geist als Beistand

Ein farbstarkes Bild, voller Bewegung und Lebendigkeit, dessen Inhalt sich wesentlich von der Beachtung der Farbgebung her erschließt. Dreiviertel des Bildraums sind von Farbspielen in feurigem Rot mit gelben und weißlichen Einschüben erfüllt. Ein Sturm wirbelt wie bei einer Feuersbrunst Gegenstände hoch in die sich herabstürzenden glühenden Luftmassen. Aber dieses Schauspiel wirkt nicht beängstigend und zerstörerisch, sondern im Gegenteil machtvoll, wie ein gewaltiger Impuls die Menschen erfassend und berührend, die im Blau des unteren Viertels nach vorne streben. Hier unten scheint die Bühne des Geschehens zu sein, hier unten scheint sich eine Veränderung zu vollziehen. Denn ähnlich wie bei einem Prisma teilt sich das Feuerrot, das von oben kommt, in mehrere Farben: leuchtendes Gelb, welches das Blau von unten stellenweise aufhellt oder sich mit ihm zu zartem Grün verbindet, das Rot, das mit dem Blau als kräftiges Violett erscheint. Jede der zwölf Personen erfährt eine Veränderung durch die Zugabe einer neuen Farbe zur bisherigen.

Es ist ein geistiges Schauspiel, bei dem sich Jenseits und Diesseits verbinden, das die Künstlerin überzeugend und respektvoll dargestellt hat. Sie folgt der Erzählung der Apostelgeschichte, dass die elf Apostel, zusammen mit Jesu Mutter von Gottes Geist erfüllt werden, wie er es ihnen versprochen hat. Sie wirken, als würden sie sich nun aufmachen, jeder auf seine Weise, nicht als wollten sie fliehen, eher als würden sie gesandt. Vor allem einer, der im violetten Gewand links neben Maria, ist wie zum Aufbruch gegürtet. Ihn scheint von oben ein besonderer Impuls direkt zu treffen. Petrus?

Aus der Beschäftigung mit dem Bild entstehen Fragen. War das Ereignis, das wir jedes Jahr an Pfingsten feiern, einmalig? Kann es heute noch lebendig wirken? Kann es sich wiederholen? Nur als kosmisches Ereignis oder auf verschiedene Weise? In seinen Abschiedsreden hat Jesus Gottes Geist für die Zukunft versprochen, um das jeweils Andere und Neue zu finden, das sie braucht …
Pfingsten kann demnach nicht nur ein Fest des Erinnerns sein. Es hat seine Aktualität, aber die muss sowohl entdeckt als auch angenommen werden.

 

Weitere Bildmotive von Christel Holl finden Sie und können Sie bestellen auf der Website des Beuroner Kunstverlages.

In der Mitte gegenwärtig

Fasziniert mag das Auge auf der hellen Gestalt in der vertikalen Mitte des Bildes verweilen. Wie eine Erscheinung tritt sie aus dem lichten Gelb hervor, ganz Geist und doch sich materialisierend unseren Blicken zu erkennen gebend. Die Arme kaum erahnbar am Körper angelegt, Oberkörper und Kopf leicht nach vorne geneigt, spricht äußerste Zurückhaltung genauso wie ein Auf-uns-Zukommen aus dieser Menschengestalt.

Ein Heiligenschein bezeichnet die Gestalt als eine mit Gott in enger Verbindung stehende Person. Kommt sie direkt von ihm? Wie aus einer Türöffnung scheint sie aus der rechteckigen Öffnung, die unsere Welt andeuten könnte, auf uns als Betrachter zuzukommen. Auch die beiden Flügel bezeichnen sie als Bote Gottes und als Lichtbringer in die dunklen Momente unserer Welt.

Doch kommt die engelsgleiche Erscheinung wirklich durch die rechteckige Öffnung auf unsere Seite? Die Öffnung könnte auch nur ein Fenster sein, ein Durchblick und Ausblick auf etwas Wunderbares. Der Engel wartet auf uns, will uns ermutigen, zeigt Zukünftiges, zu Erwartendes, weckt damit Sehnsucht nach Wärme, Heil und Geborgenheit. – Alles also nur Illusion, Vertröstung, bestenfalls Vision?

Nein! Die Flügel des Engels sprechen eine andere Sprache. Sie bilden in Form und Farbe ein großes Herz. So groß und warm könnte es Gottes Herz darstellen, denn aus seiner unendlichen Liebe zu uns schickt er uns Boten und Zeichen seiner liebenden Nähe. So wie das Herz für die glühende Liebe des Senders stehen mag, kann es auch als unser Herz gesehen werden, in das der Bote tritt. Es erhält durch die Lichtgestalt eine starke Mitte. Es wird zusammengehalten und zeigt zugleich Offenheit für die geheimnisvolle Präsenz eines Anderen.

Denn die Erscheinung muss kein Engel sein. Wir können auch am oberen Bildrand den Querbalken eines Kreuzes wahrnehmen und die Lichtgestalt als Jesus deuten, eingehüllt in glühende Liebe. Oder als den Auferstandenen, der durch die Liebe seines Vaters zum Leben erweckt worden ist und nun – nicht fern und undefinierbar im Irgendwo, sondern klar und deutlich – in unseren Herzen lebt und ihm göttliche Impulse gibt. Lässt das ihn umgebende wunderbare Rot nicht die kraftvolle Präsenz seines Heiligen Geistes spüren?

 

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