Lebendiges Wasser

Quirlig fällt Wasser von oben durch die Bilddiagonale ins Blickfeld hinein. Links unten schlägt es spritzend auf einer bewegten Wasseroberfläche auf. Vor dem schwarzen Hintergrund tanzen die Wassertropfen und -spritzer wie eine zeit- und ortlose Lichterscheinung auf dem durch Lichtreflexe aus der Dunkelheit hervortretenden Grund.

Das fallende Wasser ist eine Momentaufnahme von etwas Fließendem. Das Foto zeigt einen normalerweise nicht fixierbaren Augenblick in seiner Einzigartigkeit. Es zeigt einen unsichtbaren Ausschnitt des Lebens, wie ihn nur eine fotografische Aufnahme mit ganz kurzer Belichtungszeit einfangen und festhalten kann. Eine minimale Momentaufnahme – vergleichbar mit einem Film-Still, dem Einzelbild aus einem Film – das Wesentliches des Großen und Ganzen sichtbar macht. Umso mehr als es sich um einen sich wiederholenden Bewegungsablauf handelt.

Die Reduzierung auf das spielerisch herabtanzende Wasser verleiht dem Schwarzweißfoto eine Faszination und Ausstrahlung, die über sich hinausweist. Das Wasser als Lebensquell und Lebensträger wird spürbar, seine bewässernde, erfüllende und erfrischende Kraft. Gleich einem Gnadenstrom durchbricht es die Dunkelheit, bricht sie auf und lässt sie wie Erde fruchtbar werden.

Das Wasser bringt Bewegung und Licht ins Dunkel. Der lockere und leuchtende Wasserfluss transportiert eine heitere Freude und Begeisterung. Er verbindet den unsichtbaren Schöpfer und Spender des Wassers mit allen Kreaturen der Schöpfung, die des Wassers für den Erhalt ihres Lebens bedürfen. Voller Leben plätschert das Wasser sanft auf dessen harte und kantige Oberfläche der Wasserwoge unten im Bild, wie vor Freude hell aufspritzend, um dann in das große Wasser einzutauchen und sich mit ihm vermischend zu erneuern.

Die Lebendigkeit des Wassers lässt an die Worte Jesu vom „lebendigen Wasser“ denken, die er zur Frau am Jakobsbrunnen sprach:  „Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben. … Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zu einer Quelle werden, deren Wasser ins ewige Leben fließt.“ (Joh 4,13-14) Jesus braucht kein Schöpfgefäß, weil er selbst die Quelle des Lebens ist. Wer an ihn glaubt, trinkt davon und wird von „Strömen lebendigen Wassers“ erfüllt werden, dem Heiligen Geist (vgl. Joh 7,37-39).

Inspiration und Begeisterung erhalten im lichten Wasserfall ein symbolisches Gesicht. Erleuchtung in der Tiefe der Seele, in der es vielleicht so dunkel ist wie am Grund eines tiefen Brunnens. Licht und Wasser von oben, die neuen Lebensatem einhauchen und in der erneuerten Verbundenheit mit Gott der Seele neue Kraft schenken. Dem Gläubigen wird ein Gnadenstrom der göttlichen Geisteskraft zuteil, der unendlich fließt, um das Leben schöpferisch kreativ zu gestalten.

Lebendiges Wasser – in jeder Beziehung eine himmlische Kostbarkeit!

Das besprochene Bild ist aktuell bis 31.10.20 zu sehen in derSchöpfergeist+Meisterwerk“-Foto-Ausstellung im Terassensalon der Residenzgalerie, DomQuartier Salzburg

Inneres Schauen

Ein Junge liegt mit geschlossenen Augen und hinter dem Kopf verschränkten Armen auf einem Surfbrett. Hinter ihm strömt ein Bachlauf diagonal durchs Bild. Sein Wasser lässt die Ufervegetation auf dem rötlichen Wüstenboden wachsen und grünen.

Der Junge auf dem Surfbrett und die Landschaft wollen nicht so wirklich zusammenpassen. Da ist wohl Wasser, aber der Wasserlauf ist viel zu schmal. Der Junge ist frontal gemalt, wie senkrecht stehend, während der Fluss eine Draufsicht darstellt. Dadurch scheint der Junge hoch oben über einem tief unter ihm liegenden Fluss zu schweben. Diese Perspektive deutet an, dass der Wasserstrom nicht nur unter ihm durchfließt, sondern auch durch ihn hindurchfließt, seine Gedanken mitreißt und abheben lässt in ferne Welten.

Das Surfbrett und das Wasser inspirieren ihn zu gedanklichen Reisen und Abenteuern, zu einem grenzenlosen Surfen durch die Welten der Fantasie und der Träume. Entspannt liegt er da, in sich gekehrt, hochkonzentriert auf das, was er in seinem Innern sieht. Dadurch sieht er gerade nicht wie ein Träumer aus, der der Realität zu entfliehen versucht. Vielmehr scheint er sehen zu wollen, was aus der Tiefe seines Lebens für Sehnsüchte, Wünsche und Botschaften aufsteigen, damit er ihnen nachgehen, sie verwirklichen und erleben kann.

Wie wichtig Träume als Ort der Offenbarung sein können, hat schon Jakob in Bet-El erlebt, als er im Schlaf den Himmel offen sah, Engel, die auf- und niederstiegen und Gott zu sich sprechen hörte (Gen 28,11-17). Auch sein Sohn Josef (Gen 37,5-8) und Josef, der Verlobte von Maria (Mt 1,20; 2,13; 2,19), durften wiederholt die Erfahrung machen, dass Gott im Traum  zeigte, was er mit ihnen vorhatte. Auf die göttliche Offenbarung spielt auch das Surfbrett an, das mit seiner Form eine Mandorla andeutet und damit auf die Herrlichkeit und die Heilkraft Gottes zu verweisen vermag. Seine kraftvolle orange Farbe verbindet sich zudem mit dem gleichfarbigen Boden und lädt ihn gleichsam mit Energie auf. Dadurch erhält der unfruchtbare Wüstenboden etwas Göttliches als auch ein unerschöpfliches Potential. Als Komplementärfarbe von Blau ergänzt es dieses zu einem Ganzen: Gott offenbart sich ebenso in der Wüste wie im Wasser, in der Stille der Träume ebenso wie im Surfabenteuer auf den Wellen des Urlaubs oder des Alltags. Gott führt zusammen, damit alle ihre Aufgabe erfüllen können. So ergeben auch die Ellbogen und die Spitze des Surfbretts “zufällig” die obere Hälfte eines Sterns und weisen unauffällig darauf hin, dass sich Sternstunden der außerordentlichen Nähe Gottes überall ereignen können.

Letztlich lädt der Junge zur Kontemplation ein, zur Einkehr in der Stille. Er lädt zum Verweilen bei Gott ein, zur inneren Schau des göttlichen Plans für mich, meiner einzigartigen Berufung in der Fortsetzung seiner Schöpfung und der Führung seines Volkes. Die Begegnung mit Gott kann auf einem Surfbrett stattfinden. Letztlich kann aber jeder Ort der Stille ein Sprungbrett zu IHM und weiter in die mir zugewiesene Wirklichkeit oder Aufgabe sein.

Göttliche Inspiration?

Ein helles Rot bzw. Orange bildet die Hauptfarbe. Sie umschließt rechts einen intensiven gelben Bereich und ist gleichzeitig von anderen Gelbtönen überlagert, die in denen sich wiederum orangegesprenkelte Zonen befinden. Der Hintergrund bildet nicht deckend aufgetragene weiße Farbe, links oben und rechts unten eine braun-graue Ecke freilassend. Sie bilden ein Gegengewicht zur Hauptbewegung von links unten nach rechts oben. Die nach rechts orientierte U-förmige Bewegung wird durch den parallelen Verlauf einer blau-roten bzw. blauen Linie verstärkt.

Die Arbeit macht den Eindruck einer zweckfreien Malerei. Noch ist die Pinselführung des Künstlers zu spüren, die teils die Farbe mit klaren Konturen führend, dann wieder die Farbe nach außen spritzen lassend, so dass sie ihre eigenen Wege gehen ging. Damit hat Tobias Kammerer einen Spannungsbogen geschaffen, wie er nur im einzigen Augenblick der Gegenwart seinen Ausdruck findet. Mit diesem Pinselstrich, vielleicht sind es auch mehrere, ist es ihm gelungen einen Zeitpunkt festzuhalten, das Leben in ihm, die künstlerische Freiheit, die Freude am Malen.

Allein schon dieses dynamische Farben- und Formenspiel vermag den Betrachter zu begeistern. Virtuos weiß der Künstler seine Werkzeuge und Farben einzusetzen und miteinander zu kombinieren. Noch erstaunlicher wird es, wenn die an sich freien Farben durch unseren Geist mit festen Formen belegt werden und plötzlich zwei nach rechts blickende Gesichter in der Bildmitte auftauchen, der orange Kopf wegen der in die Luft geworfenen Haare voller Bewegung erscheint, ja zwei dazu gehörige Arme sich nach rechts ausstrecken. Die einen Kopf andeutende Kontur links hinter ihm scheint ihm über die Schultern zu schauen. Doppelte Bewegung nach rechts, die über die beiden Arme über den Bildrand hinausweist. Sie scheinen auf das Unfassbare zu zeigen, das im lichten Gelb zwischen den beiden Armen dennoch irdische Wahrnehmung angenommen hat. Die orange Gestalt scheint sie freudig zu begrüßen, zu umarmen, sie an sich zu drücken. Wer ist wohl dieses Licht gewordene Etwas, das für die beiden so bedeutungsvoll da und doch nicht fassbar ist? Es hat etwas von einem Geist an sich, es mag als Inspiration gedeutet, kann aber genauso als mystische Begegnung mit einer Muse gesehen werden. Was nach antiker Vorstellung nichts anderes bedeutet, als dass gute Ideen schon immer als ein göttliches Geschenk gesehen wurden. Die Gedanken sind frei, in der gelben Farbe einen göttlichen Funken zu sehen, der in der Begegnung mit dem Menschen diesen förmlich anzündet und vor lauter Energie in alle Richtungen explodieren lässt.

Das Bild weckt die Sehnsucht nach göttlicher Inspiration. Nicht nur für Künstler, sondern für und bei jedem von uns! Damit wir über unsere „Bild-(ungs-)Horizonte hinauszublicken vermögen. Damit seine Begeisterung uns anzündet und ermutigt, das Notwendige anzugehen und durch alle Schwierigkeiten hindurch zu vollenden. Damit nicht mein Ego im Mittelpunkt steht, sondern sein Wille.