Das Herz berühren

Malen ist die Kunst der Langsamkeit. Wer ein gemaltes Bild betrachtet, entdeckt eine Welt ohne Worte, eine stille Sprache aus Farben, Werten, Lichtern, Leere und Fülle, aus Stoffen, die das Herz berühren. Wichtig ist, was das Herz zuerst berührt, denn die Malerei wendet sich in erster Linie an das tiefe Herz des Menschen. Die Malerei ist keine Illustration des Denkens, sondern ein eigenständiger Ausdruck, der durch die Augen in das Herz hinabsteigt. Die Malerei ist eine Kunst, die sich vom Herzen Gottes über das Herz des Künstlers bis zum Herzen des Betrachters ergießt, und zwar durch ein einfaches Mittel: ein wenig Tinte oder Öl und ein Medium, ein Blatt, eine Leinwand oder ein Stück Holz. Oder Papier, alle Arten von Papier, neues oder gebrauchtes. Ich mag Papier besonders, weil man es überall mitnehmen und finden kann. Es ist ein dünner Untergrund, der die Farbe schnell aufnimmt. Es verträgt Tempera, Öl und auch Tinte. Es ermöglicht Transparenz. Man kann es zerreißen und wieder zusammenkleben. Das Papier bringt dem Betrachter etwas Intimes, eine Art Notizbuch des Entdeckers. Ich mag Materialien, die mit Leben gefüllt sind, die von menschlicher Aktivität bewohnt sind, die Spuren des Lebens und der Zeit tragen, als wären sie weise geworden. Mein Atelier ist ein wahres Chaos, in dem ich diese Materialien mit Liebe betrachte, sie erforsche und mit ihnen spreche, damit sie mir sagen, wie ich sie befreien kann, damit sie die Herrlichkeit Gottes singen können.

Vincent Fournier, GEWAGT! 100 Jahre gegenwärtig, S. 62, 2024

Erich Schickling 1924–2012. Werke – Wirken – Licht

Vom Licht erfüllt

Zum 100. Geburtstag von Erich Schickling ist ein zauberhafter Bildband erschienen, in dem auf 240 Seiten ein repräsentativer Querschnitt seiner Werke gezeigt und sein Wirken und Arbeiten wie vom Licht erleuchtet werden. Im Wesentlichen wird dem „unmittelbaren Blick ins Bild der Vorrang gelassen“ (U. Mayer, S. 240), damit der Betrachter „mit den Augen trinken“ (E. Schickling) und in die farbige Fülle an Motiven und Symbolen eintauchen kann.

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der darüber hinausweisende Imaginationsraum

„Jede gelungene Fotografie fokussiert eine Schnittstelle: Das sichtbare Detail, auf das die Fotografie unser Interesse lenkt und einen darüber hinausweisenden Imaginationsraum, in den sie uns als Betrachter hinüberzieht.“

Andrea Gnam: Rez. „John Berger, Der Augenblick der Fotografie“, in PhotoNews 12/16-1/17,25.

das Interessante an Kunst

„Kunst wird erst dann interessant, wenn wir vor irgendetwas stehen, das wir nicht gleich restlos erklären können.“

Christoph Schlingensief

Vollkommenheit

„Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann.”

Antoine de Saint-Exupéry

Online-Kunstbetrachtung tut gut

„Die Betrachtung von Kunst beim Besuch von Galerien und Museen kann starke Auswirkungen auf Stimmung, Stress und Wohlbefinden des Einzelnen haben. Doch gilt das auch für Kunstbetrachtung im digitalen Raum? Eine neue Studie von Psycholog*innen um MacKenzie Trupp und Matthew Pelowski untersuchte, ob die Beschäftigung mit Kunst im Internet auch diesen Effekt hat. …

Die Ergebnisse belegen, dass eine kurze Online-Kunstbetrachtung das Wohlbefinden verbessern und unterstützen kann. … Die Effekte sind denen von Besuchen von physischen Kunstgalerien oder auch Naturerlebnissen ähnlich.”

Religion braucht Kunst

„Alle Künste waren und sind notwendig, um das Entscheidende der Religion je neu in ein Menschenleben und in eine Gegenwarts-Gesellschaft einzupflanzen. Dazu kommt: Ursprüngliche Erfahrungswelten gilt es in die gegenwärtige Welt neu einzubringen. Das geht nur mit Hilfe der menschlichen Ausdrucksformen, die in den jeweiligen Künsten ihre Qualität finden. Die Religion braucht die Kunst der Literatur und der Sprache, die Kunst des Sprechens, die Kunst der Musik, die Kunst der Bilder, die Kunst der Inszenierung, die Kunst der einfachen Zeichenwelten wie auch die Kunst der akrobatischen Ausdrucksformen.

Kunst der Gegenwart – Kirche heute

“Die autonome Kunst der Gegenwart kann den kirchlich Engagierten nicht gleichgültig sein, wenn sie sich den Herausforderungen der Welt von heute zu stellen haben. Die ästhetische Wahrnehmungs-, Ausdrucks- und Deutungskompetenz in der Kunst berührt vielmehr den Kern christlicher Glaubensaussagen, wenn Christen etwa von der Selbstoffenbarung Gottes oder von der Menschwerdung des Sohnes sprechen.”

www.kunst-und-kirche.com / “Gesellschaft für den Dialog von Kunst und Kirche e.V.”

offen werden für künstlerische Prozesse

“Ich warte auf den Tag, an dem auch das Kirchliche wieder künstlerisch ernst genommen wird. Und das geht nur, wenn wir von den Kirchen offener werden für künstlerische Prozesse und uns nicht irgendwie an Ghetto-Bilder klammern, die mit Kunst nichts zu tun haben.”

Herbert Falken

Der Glaube in der Kunst

„Maler sind die Gesellen Gottes – sie haben Gott geholfen, nicht die Welt zu erschaffen, aber sie sichtbar zu machen.“

„In der Kunst ist der Glaube etwas sehr Wichtiges. Kunst kann nicht beurteilt werden. Man muss sie glauben. Man muss dem Künstler glauben. Wenn man glaubt, kann man auch eine Qualität feststellen. Wie wichtig Religion ist, kann man nur daran messen, dass sie die Menschen zwingt zu glauben. Verlieren wir den Glauben, dann können wir auch unserem Nächsten nicht mehr glauben. Verliert man den Glauben, endet man in einer Art Zynismus.“

Markus Lüpertz

einfach geschehen lassen

“Jedes Kunstwerk ist ein Kompromiss zwischen dem Machbaren und dem Gewollten. Das angestrebte Ziel wird in der Kunst nie erreicht, allerdings kommt die Kunst mehr oder weniger nahe an das heran, was der Künstler wollte.

Ich glaube, ich habe eine Lösung: die Dinge einfach geschehen zu lassen. Ich lasse die Dinge einfach geschehen, und es ist so erstaunlich, dass ich selbst mich darüber wundere. Ich sage immer, ein Bild ist gut, wenn der Künstler über sein eigenes Bild überrascht ist.”

Friedensreich Hundertwasser

Ist es als Kunstwerk gut?

“Wenn Christen sich konstruktiv in der Kunst engagieren wollen, sollte die erste Frage zu einem Werk nicht die enge Frage sein: “Ist es christlich?”, sondern die weiter gefasste Frage: “Ist es als Kunstwerk gut?”

Steve Turner, Imagine, 2004

den Sinn der Menschen auf Gott zu wenden

“Zu den vornehmsten Betätigungen der schöpferischen Veranlagung des Menschen zählen mit gutem Recht die schönen Künste, insbesondere die religiöse Kunst und ihre höchste Form, die sakrale Kunst. Vom Wesen her sind sie ausgerichtet auf die unendliche Schönheit Gottes, die in menschlichen Werken irgendwie zum Ausdruck kommen soll, und sie sind umso mehr Gott, seinem Lob und seiner Herrlichkeit geweiht, als ihnen kein anderes Ziel gesetzt ist, als durch ihre Werke den Sinn der Menschen in heiliger Verehrung auf Gott zu wenden.”

LTHK – Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1, Herder 1966, S. 101

Verborgene Sinn-Ebenen erspüren

“Wer Kunst nicht nur oberflächlich rezipiert, sondern die in ihr verborgenen unterschiedlichen Sinn-Ebenen erspürt, erfährt ihre Suche nach Wahrheit, nach dem Ganzen, nach dem ganz Anderen, nach Gott. Hierhinein kann die christliche Botschaft den Heilswillen Gottes verkünden und damit eine Dimension eröffnen, die aus menschlicher Sinnsuche heraus allein nicht erschlossen werden kann. Auch heute sind Kirche und Kunst keine Gegensätze, sondern aufeinander bezogene Wege zur Wahrheit, die letztlich Gott ist.
Wirklich christliche Kunstwerke sind geronnener Glaube, die die Kraft der Verkündigung ins sich tragen und in den Kirchen auf ihre Weise die Frohbotschaft erfahrbar machen.”

Friedhelm Hoffmann, Zwischen Verkündigung und Mehrzweck, Gesprächskreis am 24.10.2022, das münster, Supplement 2023, S. 62

Mitteilung und Teilhabe

“Schöpfertum und Kunst, die einer Seele im Glücksfall zukommen, sind zwar nicht jene wesensmäßige Kunst, die Gott ist, aber sie sind Mitteilung und Teilhabe an ihr.” (Nikolaus von Kues) Jegliche Kunst besitzt also, insofern sie dies auch wirklich ist, etwas von der Unmittelbarkeit des göttlichen, schöpferischen Tuns.

Friedhelm Hofmann

die engen Grenzen des Endlichen durchbrechen

“Aufgabe jeder Kunst ist es, die engen und beängstigenden Grenzen des Endlichen, in denen der Mensch, solange er auf Erden lebt, gefangen ist, zu durchbrechen und seinem Geist, der sich nach dem Unendlichen sehnt, ein Fenster aufzustoßen.”

Papst Paul VI., 1976,  Papst Pius XII. aus dem Jahr 1952 zitierend

unsichtbar – sichtbar

„Nebel lässt sichtbare Dinge unsichtbar werden, während unsichtbare – wie Wind – sichtbar werden.“

Fujiko Nakaya

im Raum dazwischen

“Kunst bleibt so lange totes Material, wie keinen Betrachter, keine Betrachterin hat, keinen Hörer, keine Hörerin, keine Leserin, keinen Leser. Kunst ist weder bei den Betrachter*innen noch im Werk selbst, sondern im Raum dazwischen. Und dieses Dazwischen wird spannend, wenn wir über Vermittlung reden, denn es geht um das Wahrnehmen des Dazwischen. Als Kunstvermittler haben wir die Hauptaufgabe, den Zwischenraum zu beschreiben oder ihn gemeinsam mit anderen Akteur*innen herauszufinden.”

Stefan Kraus, Kunstvermittlung beginnt mit dem Zeigen, Kunst und Kirche 1/2023, S. 32

Kunst ist Form gewordenes Spiel mit Inhalten

“Kunst ist Form gewordenes Spiel mit Inhalten. Sie ist Spiel, weil sie es sich leistet, nicht nach vorgegebenen äußeren Kriterien zu funktionieren, sondern ihre eigenen Regeln aufzustellen und nach inneren Gesetzmäßigkeiten zu fragen. Sie ist Form, da nur über die Form eine Mitteilbarkeit von Inhalten zu erreichen ist. Das ist wie in der Liturgie. Um Form zu werden, ist das Kunstwerk auf Material angewiesen. Material ist alles, was unserem Sinne zugänglich ist: Worte, Klänge, Bewegungen, Bilder, Stoffe, usw. Erst die Form verwandelt das Material in Kunst. Diese Verwandlung geschieht nicht zufällig, sondern folgt intuitiven oder bewusst gesetzten Entscheidungen und subjektiven Handlungen des Künstlers, die meist als Erfahrungen der Reduktion von Möglichkeiten über Jahre hinweg erarbeitet und präzisiert werden und gleichwohl das Prinzip des Zufalls beinhalten können. Die Verwandlung des Materials in Kunst ist weder planbar noch wiederholbar. Sie stellt sich als Kongruenz von Form, Material und Inhalt ein. Diese Kongruenz bildet eine offene und ambivalente Sinnstruktur.”

Stefan Kraus, Formate bestimmen die Inhalte. Kunstbetrieb, Kunst und Kunstvermittlung, Berlin 2016

Kunst öffnet zum Unendlichen hin

“Gute Kunst öffnet sich über die Grenzen der Darstellung zum Unendlichen hin und offenbart etwas von der unsichtbaren Seite dieser Welt.”

Patrik Scherrer