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Madeleine Dietz, Mauer, Dom München, 2024
© Madeleine Dietz

Altarmauer

Eine aus aus getrockneter Erde errichtete Mauer verstellt im Münchner Mariendom während der Fastenzeit den Blick auf den Altar. Der Blick auf die eucharistische Mitte wird verwehrt, ebenso wird der unmittelbare Aufstieg durch aufgeschüttete Erde verunmöglicht. Wie ein Erdrutsch ergießt sie sich vor der lose aufgeschichteten Mauer, gleichsam auf ihre Anfälligkeit und Zerbrechlichkeit hinweisend.

In dem künstlerischen fein und wertvoll gestalteten Mariendom bilden diese Mauer und die aufgeschüttete Erde einen markanten Gegensatz. Die ursprüngliche, ungestaltete Erde erhält plötzlich einen zentralen Platz in diesem mit edlen Materialien umbauten Raum. Sie erinnert daran, dass wir aus der Erde genommen sind (Adamah = hebräisch „Erdboden“, Gen 2,7) und zur Erde zurückkehren (Ps 146,4). Anfang und Ende unserer Existenz werden zu bedenken gegeben, aber auch die Fruchtbarkeit der Erde, die uns ernährt und die mit ihren Rohstoffen die Grundlage für den technischen Fortschritt gibt. Wir sollen sie achten, wertschätzen und schützen, sie nicht als großen, billigen Mülleimer missbrauchen. Wir können auf und in ihr nichts wirklich entsorgen. Es wird uns irgendwann auf irgendeine Weise wieder begegnen und Sorge bereiten. Wenn wir nicht vorbeugen, werden uns die Altlasten wie ein Erdrutsch den Boden unter den Füßen wegziehen. Schnell und billig zahlt sich auf Dauer nicht aus. Umwege sind angesagt, neue Wege zu gehen ist die Herausforderung, ein Umdenken und Mehraufwand an Material und Zeit müssen erfolgen.

Die sorgfältig aufgeschichtete Mauer, die ohne Verbundstoff wie Zement oder Mörtel besteht, macht deutlich, wie fragil und unbeständig ihre Konstruktion, aber auch der Bau unserer Gesellschaft und Zivilisation ist. Ein herber Schlag, ein kräftiger Windstoß, eine überraschende Wasserflut oder ein unvorhergesehenes Beben genügen, um die Mauer zum Einsturz zu bringen und sie nach und nach wieder zu Erde zerfallen zu lassen. Insofern ist sie ein Sinnbild für unsere Anfälligkeit, Verletzlichkeit und Vergänglichkeit, aber auch ein ermutigendes Symbol, achtsam miteinander umzugehen, um uns nicht gegenseitig zu gefährden und zum Einsturz zu bringen.

Andererseits lädt die lose Mauer ein, die trennenden Blockaden Stück für Stück wieder abzubauen, insbesondere zwischen uns und Gott. Mauern, die wir in Unwissenheit oder aus anderen Beweggründen vor oder um uns herum aufgebaut haben. So kann man die Installation wie ein Fastentuch betrachten, das den Altar eine Zeit verhüllt, um danach das wahre Wesen des Altargeschehens wieder neu sichtbar werden zu lassen. Neu begreifbar zu machen, warum sich die Eucharistie über den Kreislauf von Werden und Vergehen erhebt. Wahres und wirkliches Leben kann nur tod-loses, ewiges Leben sein.

Die Installation kann bis zum 16. März in der Frauenkirche / Dom in München besichtigt werden.

Patrik Scherrer, 02.03.2024

Madeleine Dietz

Mauer, Dom München
Entstehungsjahr: 2024
Installation im Mariendom München Ziegelsteine, Erde, Foto: Robert Kiderle
© Madeleine Dietz

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