• Text zum Bildimpuls
  • Informationen zu Kunstwerk und Künstler
  • Kommentare zum Bildimpuls
Madeleine Dietz, Offen Zu, 2002
© Madeleine Dietz

Offen-Zu

Ein Stahlschrank mit aufgestapelten Lehmsteinen drin. Die Abdeckung ist abgenommen, angelehnt übers Eck zur Seite gestellt. Dadurch ist der Behälter offen, aber auch halb zu. Sowohl als auch – offen-zu. Offen: Einblick gewährend ins Innere. Zu: Abweisend sagend „noch nicht“. Doch Einladung: Offen – zu schauen, hineinzuschauen in das sonst Verborgene unter dem Undurchdringlichen.

Hinter dem kalten schwarzen Stahl kommen warme braune Erdschollen zum Vorschein. Die Künstlerin hat sie für würdig befunden, aufgehoben, aufbewahrt und aufgestapelt zu werden. Dicht gedrängt neben- und übereinander.

Von der Sonne getrockneter und gebrochener Lehm. Bruchstücke! Jedes anders – individuell, doch alle griffig, porös, von der Luft durchdrungen und umgeben. Leben atmet in ihnen. Sie sind bereit, es in sich aufzunehmen. Offen-zu, offen-zu, offen-zu … Spricht aus dem Stahlbehälter das Abweisende, die Lehmschollen sind Zeichen für das Empfangende, irdische Empfänglichkeit für Samen, Wasser und Tiere.

Manchmal geht es mir ähnlich: Unter einer glänzend schönen Panzerhaut verstecke ich meine Lebens-Bruchstücke. In Reih und Glied stehen sie in meiner Leibesgeschichte. Erinnerungen an fast unzählige Situationen, Begebenheiten, in denen ich in meiner Menschlichkeit, „Erdlichkeit“ vor Freude zersprungen, vor Spannung gesprungen, oder unter dem Schmerz innerlich zerbrochen bin. Aber all die Bruchstücke machen die Fülle meines Lebens aus. Ohne sie wäre ich genauso leer wie ein Schrank. Sie bilden ein kostbares Inneres, bereit und offen für neue Lebens-Erfahrungen.

Patrik Scherrer, 08.11.2003

Madeleine Dietz

Offen Zu
Entstehungsjahr: 2002
getrocknete Erdstücke / Stahl, 100 x 50 x 30 cm
© Madeleine Dietz

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert