• Text zum Bildimpuls
  • Informationen zu Kunstwerk und Künstler
  • Kommentare zum Bildimpuls
Johannes Schreiter, Der Sonnengesang des Franz von Assisi,

Gelobt sei mein Herr …

Um die neun Meter erheben sich die Fenster der gotischen Franziskanerkirche in Rothenburg ob der Tauber in die Höhe. Allein schon ihre Dimensionen erheben den Lobpreis der Gläubigen zu Gott. Mit dem Sonnengesang des Franziskus fügen sich die Fenster in diese Bewegung des Gebetes ein, es als Lobgesang aufnehmend und verstärkend. Dabei bleibt die Gestaltung mit den ruhigen Formen und den weiß-gelb-braunen Farbtönen zurückhaltend, um den Beter nicht abzulenken.

Im unteren Drittel geben drei dunklere Flächen der Fensterfront erdendes Gewicht. In der Mitte das Grab von Bruder leiblicher Tod, links der Herd von Bruder Feuer, rechts die waagrechten Schichten von Mutter Erde. Über die das Mittelfenster krönende Rosette fällt warmes gelbes Licht ein. Symbol und Ehrung von Schwester Sonne, die für Franziskus Gleichnis des erhabenen Gottes ist.

Zur Fenstermitte hin wird das gelbe Licht immer weißer und endet über dem Grab in einer mächtigen quadratischen Erscheinung. Weiß ist für Johannes Schreiter das Zentrum aller Farben und Synonym für Transzendenz, für Gott und vor allem für Jesus Christus, das Licht der Welt (Joh 1,4-5; 8,12). In dem dieses Licht groß über dem Grab aufleuchtet, kündet es von der göttlichen Kraft, die Toten zum Leben zu erwecken und – wie es das im Dunkeln des Grabes keimende Samenkorn verrät – zur Herrlichkeit Gottes zu führen.

Gleichzeitig zeigt die weiße Erscheinung in der Mitte des Sonnengesang-Fensters, dass Gott als Urheber des Lebens mitten in seiner Schöpfung gegenwärtig ist und sie erhaltend durchdringt, ja wie das breite weiße Band am Fuße des Fensters andeutet, auch trägt und verbindet.

Nur auf der Basis der göttlichen Liebe vermögen wir Menschen mit Franziskus den Lobgesang auf Gottes Werke anzustimmen. Der Künstler hat uns symbolisch in den gelben stimmgabelgleichen U-Formen auf diesem weißen Band dargestellt: In unserer Menschlichkeit geerdete, durch unsere Sehnsucht langgestreckte, mit unserem Durst nach Begegnung zutiefst offene Wesen. Im Mittelfenster ist die gleiche Form übergroß wiederzufinden, als wolle die Schöpfung mit gutem Beispiel vorangehen, Gott dort in sich aufzunehmen, wo wir am schwächsten und vergänglichsten sind, im Sterben und im Tod.

In den Seitenfenstern überall das Geflecht, welches das göttliche Licht durchscheinen lässt. Noch können wir Gott nur durch seine Spuren in der Schöpfung erkennen und von ihm in Bildern sprechen. Mit Bruder Feuer und Wind (Luft) zur Linken, und Schwester Wasser und Erde zur Rechten hat Johannes Schreiter die Urelemente der Schöpfung dargestellt. Sie singen Gottes Lob als Wärme spendende und verwandelnde Flammen, als der aus den Wolken hervorbrechende Sturm oder schlichtweg als der von oben kommende Atem Gottes, der Heilige Geist, der alles belebt. Sie preisen Gott als aus den dunklen Wolken heruntertropfende Wasserbäche, welche die Samen zum Keimen und Wachsen bringen, als verheißungsvolles Erdreich, in dem die Pflanzen tiefe Wurzeln schlagen können, um dann an der Oberfläche reiche Frucht zu bringen.

Auffallend ist, dass alle Elemente nur angedeutet sind. Sie sind in ihrer Sanftheit dargestellt, als den Menschen zu Diensten stehende, wohldosierte, nicht zerstörende Kräfte. Gleichzeitig kommt damit aber auch ihre Zerbrechlichkeit und Anfälligkeit zum Ausdruck. Wie der heilige Franziskus schon treffend zum Ausdruck brachte, sind alle Geschöpfe unsere Schwestern und Brüder, haben wir für Feuer, Luft, Wasser und Erde Sorge zu tragen, stehen wir in einer Mitverantwortung wie für unsere eigenen Geschwister!

 

Du höchster, mächtigster, guter Herr, Dir sind die Lieder des Lobes,
Ruhm und Ehre und jeglicher Dank geweiht; Dir nur gebühren sie,
Höchster, und keiner der Menschen ist würdig, Dich nur zu nennen.

Gelobt seist Du, Herr, mit allen Wesen, die Du geschaffen,
der edlen Herrin vor allem, Schwester Sonne,
die uns den Tag heraufführt und Licht mit ihren Strahlen,
die Schöne, spendet; gar prächtig in mächtigem Glanze:
Dein Gleichnis ist sie, Erhabener.

Gelobt seist Du, Herr,
durch Bruder Mond und die Sterne.
Durch Dich sie funkeln am Himmelsbogen
und leuchten köstlich und schön.

Gelobt seist Du, Herr,
durch Bruder Wind und Luft
und Wolke und Wetter,
die sanft oder streng, nach Deinem Willen,
die Wesen leiten, die durch Dich sind.

Gelobt seist Du, Herr,
durch Schwester Quelle:
Wie ist sie nütze in ihrer Demut,
wie köstlich und keusch!

Gelobt seist Du, Herr,
durch Bruder Feuer,
durch den Du zur Nacht uns leuchtest.
Schön und freundlich ist er am wohligen Herde,
mächtig als lodernden Brand.

Gelobt seist Du, Herr,
durch unsere Schwester, die Mutter Erde,
die gütig und stark uns trägt
und mancherlei Frucht uns bietet
mit farbigen Blumen und Matte.

Gelobt seist Du, Herr,
durch die, so vergeben um Deiner Liebe willen
Pein und Trübsal geduldig tragen.
Selig, die’s überwinden im Frieden:
Du, Höchster, wirst sie belohnen.

Gelobt seist Du, Herr,
durch unsern Bruder, den leiblichen Tod;
ihm kann kein lebender Mensch entrinnen.
Wehe denen, die sterben in schweren Sünden!

Selig, die er in Deinem heiligsten Willen findet!
Denn Sie versehrt nicht der zweite Tod.
Lobet und preiset den Herrn!
Danket und dient Ihm in großer Demut!

Patrik Scherrer, 04.06.2005

Johannes Schreiter

Der Sonnengesang des Franz von Assisi
Entstehungsjahr:
Entwurf zu 5 Chorfenstern der Franziskanerkirche Rothenburg o. d. Tauber
Mittleres Fenster: 916 x 124 cm
Seitenfenster: 880 x 80 cm

© Johannes-Schreiter-Stiftung, Langen (Hessen)

Weitere Bildimpulse:

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert