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Gielia Degonda, Jetzt, 2005
© Gielia Degonda

Jetzt

Ist es nicht verwegen, den jetzigen Augenblick in einem gemalten Bild einfangen zu wollen? Käme dem“ Jetzt“ eine fotografische Momentaufnahme nicht näher?

Wie Gesteinsschichten hat die Künstlerin waagrechte Farbschichten übereinander gestapelt, so dass der Eindruck eines großen Felsmassivs entstehen kann, von dem nur gerade ein Ausschnitt eingefangen werden konnte. Eine erste Spur? – Der jetzige Moment ist doch auch so etwas wie ein „Fenster“ aus dem größeren Ganzen der Zeit, die in ihrer unendlichen Größe ähnlich unfassbar wie ein Berg ist.

Über das ganze Bild verstreut sind auf diesem „Zeitberg“ vertikale, leuchtende, blaue Striche zu sehen. Sie scheinen wie Spuren hinterlassende Sternschnuppen von oben herab in den horizontalen Zeitfluss dieser Welt hineinzukommen und seine Gleichmäßigkeit zu durchbrechen, in dem sie leuchtende Augenblicke schaffen. Symbolisieren diese Striche den ach so flüchtigen Augenblick, der meist unbemerkt verstreicht? Wie um ausdrücklich darauf hinzuweisen, hat die Künstlerin unten in die Mitte das Wort „Jetzt“ hineingeschrieben.

Eine vage, hell leuchtende Dreiecksform zieht den Blick nach oben. Wie ein Zelt ruht die Erscheinung auf einem Absatz, der, durch die hellere Farbgebung entstanden, das Bild waagrecht durchquert. Von der unsichtbaren Spitze der Dreiecksform geht eine Kraft aus, die das ganze Bild durchströmt und auch uns als Betrachter in seinen Bann zu ziehen vermag. Es ist, als würde unser Blick auf einmal nicht mit der Zeit in die Zukunft oder die Vergangenheit gehen, sondern sich quer zur Zeit stellen – und dadurch des Augenblicks, des Jetzt’s gewahr werden.

Die weiße Dreieckserscheinung erinnert an den dreieinigen Gott, den Schöpfer der Welt. Er wohnt im “unzugänglichen Licht“ (1 Tim 6,16) und hat mit der Welt auch die Zeit geschaffen (Gen 1). Es ist der Blick auf IHN, der die Bedeutung und die Kostbarkeit des Augenblicks wahrhaben lässt. Wir können nur in der Gegenwart leben und aus ihr heraus handeln. Je intensiver und bewusster wir dieses Jetzt leben, um so erfüllter wird unser Leben am Ende sein.

Paulus schreibt an die Korinther: „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung.“ (2 Kor 6,2) Täglich, zu jeder Zeit, in jedem Augenblick macht Gott uns Menschen das Angebot, mit Ihm durch das Leben zu gehen. Mit seiner Gnade möchte er uns befähigen, die Zeit sinnvoll zu gestalten und zu nutzen, die Fülle der Chancen und Möglichkeiten im Jetzt zu erkennen und zu ergreifen.

Patrik Scherrer, 28.01.2005

Gielia Degonda

Jetzt
Entstehungsjahr: 2005
Acryl auf Leinwand, 56 x 70 cm
© Gielia Degonda

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